Bibliographie Historisches Wörterbuch der Philosophie Unter Mitwirkung von mehr als 1500 Fachgelehrten in Verbindung mit Günther Bien, Tilman Borsche, Ulrich Dierse, Wilhelm Goerdt, Oskar Graefe, Wolfgang Hübener, Anton Hügli, Helmut Hühn, Friedrich Kambartel, Friedrich Kaulbach, Theo Kobusch, Ralf Konersmann, Margarita Kranz, Hermann Lübbe, Odo Marquard, Reinhart Maurer, Stephan Meier-Oeser, Friedrich Niewöhner, Ludger Oeing-Hanhoff, Willi Oelmüller, Thomas Rentsch, Kurt Röttgers, Eckart Scheerer, Heinrich Schepers, Gunter Scholtz, Winfried Schröder, Martin Seils und Robert Spaemann herausgegeben von Joachim Ritter, Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Völlig neubearbeitete Ausgabe des «Wörterbuchs der philosophischen Begriffe» von Rudolf Eisler. Unter Verantwortung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bonn, und des Senators für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin. 3670 Artikel in 12 Textbänden zu je 1000-1800 Spalten und 1 Registerband. Ganzleinenbände mit Schutzumschlag. Lexikonformat 19,7 x 27,1 cm. Das Wörterbuch wird nur komplett abgegeben. Historisches Wörterbuch der Philosophie Unter Mitwirkung von mehr als 1500 Fachgelehrten aus aller Welt. Das «Historische Wörterbuch der Philosophie» ist eines der bedeutendsten, aufwendigsten und auch erfolgreichsten Buchprojekte der modernen deutschsprachigen Geisteswissenschaften. In seinem lexikographischen Konzept basiert es auf der Geschichte der philosophischen Begriffe. Es zeigt Herkunft und Genese der philosophischen Begriffe auf und beschreibt den Wandel ihrer Bedeutung und Funktion im Laufe der Jahrhunderte bis heute. Neben den philosophischen Begriffen behandelt dieses Wörterbuch auch Begriffe der angrenzenden Fachgebiete Theologie, Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Geschichte, Politik, Jurisprudenz und der Naturwissenschaften. Das «Historische Wörterbuch der Philosophie» wird unter Mitwirkung von mehr als 1500 Fachgelehrten herausgegeben von Joachim Ritter , Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Das Werk steht unter Verantwortung der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und wird gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bonn, und des Landes Berlin. Das Gesamtwerk ist mit dem Registerband 13 abgeschlossen. Die Textbände 1-12 umfassen in 17144 Textspalten ca. 6000 Artikel und Artikelteile zu 3670 philosophischen Begriffen von «Abbildtheorie» bis «Zynismus» sie enthalten keine Personenartikel. Zum Gesamtwerk Das «Historische Wörterbuch der Philosophie» zeichnet sich gegenüber allen anderen philosophischen Wörterbüchern durch seine Darstellungsmethode, die begriffshistorische Methode, aus. Im Gegensatz zu enzyklopädischen oder systematisch-dogmatisch orientierten Wörterbüchern, die eine beschreibende Erklärung oder Definition der Begriffe bieten, gibt und dokumentiert es den Ursprung, das erste Auftreten, und die Geschichte bzw. den Bedeutungswandel eines Begriffs von den Griechen bis heute anhand präziser Belege und Stellenangaben. Der einzigartige Nutzen dieses Pionierwerkes besteht darin, dass die Stellung und die Bedeutung der einzelnen Begriffe in bestimmten Epochen oder bei bestimmten Philosophen oder auch die Bedeutungsveränderungen und Begriffsgeschichten nachvollziehbar, d.h. die einzelnen Darstellungen verifizierbar oder korrigierbar sind. Pressestimmen zum Gesamtwerk «Was ist Wahrheit, was Erkenntnis? Ist Freiheit wichtiger als Glück? Seit wann werden solche Fragen - und von wem - gestellt? 35 Jahre dauerte die Inventur der wichtigsten Begriffe philosophischen Denkens. So gründlich wie kein anderes Werk gibt darüber das «Historische Wörterbuch der Philosophie» vom Schwabe Verlag Basel Auskunft. Ein weltweit einzigartiges Standardwerk der Begriffsarchäologen.» Der Spiegel «Ein Werk, das seinesgleichen nicht hat - auch nicht in der angelsächsischen Welt. Gewiss wird man dieses Jahrhundert
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2005Die Ironie der Archivare
Das „Historische Wörterbuch der Philosophie” endet mit Zynismus
Man soll den Tag nicht vor dem Abend, darf aber ein bedeutendes Sammelwerk vor dem Erscheinen des Registerbandes loben. Zwar wird erst in zwei Jahren der letzte, dreizehnte Band das „Historische Wörterbuch der Philosophie” abschließen und damit noch mehr Ordnung in die Begriffsgeschichte der Weltweisheit zu bringen versuchen, als es die zwölf vorhergehenden Bände ohnehin schon tun. Und gerade wer die Philosophiegeschichte als ein Archiv begreift, das seine unbestreitbare Lebendigkeit nur durch das präzise Handwerk des Archivars entfaltet, des Archivars, der weiß, wo was steht - der wird den Registerband als integralen Teil des Wörterbuchs zu würdigen wissen.
Gleichwohl ist es ein Ereignis, wenn nun das letzte alphabetische Stichwort dieses reichen Werkes gedruckt ist, dessen erster Band, ins Leben gerufen und herausgegeben von Joachim Ritter, im Jahre 1971 erschien. Und so lässt es sich der letzte Band denn auch nicht nehmen, diese Ereignishaftigkeit gleichsam meta-lexikalisch spüren zu lassen. Lautet doch ebenjenes letzte Lemma „Zynismus” - ein ungewollter Kommentar zur Geistesgeschichte seit 1971? -, und die Bearbeitung dieses Artikels hat man nicht ohne Ironie dem langjährigen Lektor des Wörterbuchs beim Schwabe-Verlag, Walter J. Tinner, überlassen. Darauf wird in der Vorbemerkung des Bandes eigens hingewiesen.
Tinner verrät in seinem Beitrag über Zynismus nicht, ob er bei der Fertigstellung des Wörterbuchs zum Zyniker geworden ist - immerhin stand auf dem Titelblatt des ersten Bandes vor 34 Jahren: „Unter Mitwirkung von mehr als 700 Fachgelehrten”, im zwölften Band sind es dann „mehr als 1500 Fachgelehrte” geworden, und wie soll man im Umgang mit 1500 Philosophen der verschiedenen Schulen nicht zum Zyniker werden? Jedenfalls zitiert der Lektor zum Schluss „Des Teufels Wörterbuch” von Ambrose Bierce, wonach ein Wörterbuch „ein böswilliges literarisches Instrument” sei, „um das Wachstum einer Sprache zu beschneiden und sie hart und unelastisch zu machen”. Und Tinner fährt fort: „Genau diesem teuflischen Wörterbuch-Übel hat sich das ,Historische Wörterbuch der Philosophie immer programmatisch entgegengestemmt.”
Dieses Eigenlob stinkt nicht. Denn hart und unelastisch hat dieses Wörterbuch, ein bemerkenswertes Gemeinschaftsunternehmen, dessen Zentralredaktion seit längerem bei der Freien Universität Berlin liegt, die Philosophiegeschichte in der Tat nicht gemacht. Im Gegenteil, historische Elastizität der Begriffe ist das, was man hier lernt. Das zeigt sich etwa daran, dass am Anfang der Einträge jeweils auf eine vorgeschaltete dogmatische Definition des Gegenstandes verzichtet und gleich mit der historischen Entwicklung begonnen wird. Die Folge ist eine Aufmerksamkeit für die Veränderung des Denkens, und dieser Zustand, in dem man Philosophie betreiben sollte, ist denn auch passenderweise das erste Lemma des neuen Bandes - unter dem Stichwort „Wachen, das” heißt es dort: „Die elementare Erfahrung des Wiedereinsetzens unseres Bewusstseins beim Erwachen aus dem Schlaf (s.d.) oder aus einem Traum (s.d.) ist die eindrucksvollste Zustandsänderung unserer Existenz, die wir täglich erleben.”
Das deutsche Alphabet will, dass zwischen Wachen und Zynismus in diesem Band eine ganze Reihe gewichtiger philosophischer Termini abgehandelt wird, darunter „Wahrheit”, „Welt”, „Wesen”, „Wert”, „Wille”, „Wissen”, „Wissenschaft”, „Wort”, „Wunsch”, „Zahl”, „Zeichen”, „Zeit” und „Zweck”. Metalexikalisch wird es auch im Beitrag „Zitat” von Roland Kany: „Die Neigung Halbgebildeter, sich mit glänzenden Zitaten zu schmücken, wird von Seneca getadelt . . .”. Aber nicht zuletzt als Lieferanten glänzender Zitate kann man dieses Wörterbuch auch ganz hervorragend verwenden.
JOHAN SCHLOEMANN
HISTORISCHES WÖRTERBUCH DER PHILOSOPHIE: Band 12. W-Z. Herausgegeben von Joachim Ritter (), Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Schwabe Verlag, Basel 2005. Zugleich als Lizenzausgabe bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt. 778 Seiten, 257,50 Euro. Die Bände 1-12 sind zusammen für 2100 Euro erhältlich.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Das „Historische Wörterbuch der Philosophie” endet mit Zynismus
Man soll den Tag nicht vor dem Abend, darf aber ein bedeutendes Sammelwerk vor dem Erscheinen des Registerbandes loben. Zwar wird erst in zwei Jahren der letzte, dreizehnte Band das „Historische Wörterbuch der Philosophie” abschließen und damit noch mehr Ordnung in die Begriffsgeschichte der Weltweisheit zu bringen versuchen, als es die zwölf vorhergehenden Bände ohnehin schon tun. Und gerade wer die Philosophiegeschichte als ein Archiv begreift, das seine unbestreitbare Lebendigkeit nur durch das präzise Handwerk des Archivars entfaltet, des Archivars, der weiß, wo was steht - der wird den Registerband als integralen Teil des Wörterbuchs zu würdigen wissen.
Gleichwohl ist es ein Ereignis, wenn nun das letzte alphabetische Stichwort dieses reichen Werkes gedruckt ist, dessen erster Band, ins Leben gerufen und herausgegeben von Joachim Ritter, im Jahre 1971 erschien. Und so lässt es sich der letzte Band denn auch nicht nehmen, diese Ereignishaftigkeit gleichsam meta-lexikalisch spüren zu lassen. Lautet doch ebenjenes letzte Lemma „Zynismus” - ein ungewollter Kommentar zur Geistesgeschichte seit 1971? -, und die Bearbeitung dieses Artikels hat man nicht ohne Ironie dem langjährigen Lektor des Wörterbuchs beim Schwabe-Verlag, Walter J. Tinner, überlassen. Darauf wird in der Vorbemerkung des Bandes eigens hingewiesen.
Tinner verrät in seinem Beitrag über Zynismus nicht, ob er bei der Fertigstellung des Wörterbuchs zum Zyniker geworden ist - immerhin stand auf dem Titelblatt des ersten Bandes vor 34 Jahren: „Unter Mitwirkung von mehr als 700 Fachgelehrten”, im zwölften Band sind es dann „mehr als 1500 Fachgelehrte” geworden, und wie soll man im Umgang mit 1500 Philosophen der verschiedenen Schulen nicht zum Zyniker werden? Jedenfalls zitiert der Lektor zum Schluss „Des Teufels Wörterbuch” von Ambrose Bierce, wonach ein Wörterbuch „ein böswilliges literarisches Instrument” sei, „um das Wachstum einer Sprache zu beschneiden und sie hart und unelastisch zu machen”. Und Tinner fährt fort: „Genau diesem teuflischen Wörterbuch-Übel hat sich das ,Historische Wörterbuch der Philosophie immer programmatisch entgegengestemmt.”
Dieses Eigenlob stinkt nicht. Denn hart und unelastisch hat dieses Wörterbuch, ein bemerkenswertes Gemeinschaftsunternehmen, dessen Zentralredaktion seit längerem bei der Freien Universität Berlin liegt, die Philosophiegeschichte in der Tat nicht gemacht. Im Gegenteil, historische Elastizität der Begriffe ist das, was man hier lernt. Das zeigt sich etwa daran, dass am Anfang der Einträge jeweils auf eine vorgeschaltete dogmatische Definition des Gegenstandes verzichtet und gleich mit der historischen Entwicklung begonnen wird. Die Folge ist eine Aufmerksamkeit für die Veränderung des Denkens, und dieser Zustand, in dem man Philosophie betreiben sollte, ist denn auch passenderweise das erste Lemma des neuen Bandes - unter dem Stichwort „Wachen, das” heißt es dort: „Die elementare Erfahrung des Wiedereinsetzens unseres Bewusstseins beim Erwachen aus dem Schlaf (s.d.) oder aus einem Traum (s.d.) ist die eindrucksvollste Zustandsänderung unserer Existenz, die wir täglich erleben.”
Das deutsche Alphabet will, dass zwischen Wachen und Zynismus in diesem Band eine ganze Reihe gewichtiger philosophischer Termini abgehandelt wird, darunter „Wahrheit”, „Welt”, „Wesen”, „Wert”, „Wille”, „Wissen”, „Wissenschaft”, „Wort”, „Wunsch”, „Zahl”, „Zeichen”, „Zeit” und „Zweck”. Metalexikalisch wird es auch im Beitrag „Zitat” von Roland Kany: „Die Neigung Halbgebildeter, sich mit glänzenden Zitaten zu schmücken, wird von Seneca getadelt . . .”. Aber nicht zuletzt als Lieferanten glänzender Zitate kann man dieses Wörterbuch auch ganz hervorragend verwenden.
JOHAN SCHLOEMANN
HISTORISCHES WÖRTERBUCH DER PHILOSOPHIE: Band 12. W-Z. Herausgegeben von Joachim Ritter (), Karlfried Gründer und Gottfried Gabriel. Schwabe Verlag, Basel 2005. Zugleich als Lizenzausgabe bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt. 778 Seiten, 257,50 Euro. Die Bände 1-12 sind zusammen für 2100 Euro erhältlich.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.1999Das ABC der Philosophen
Das Alphabet ist eine dem philosophischen Begriff ganz äußerliche Ordnung. Der Geist mag sorgsam von Anfang bis zum Ende lesen müssen, aber die Buchstaben bilden ihm trotzdem keine Stufen zur Wahrheit. Was für ein Zufall wäre es, begännen alle Grundbegriffe mit A und alle abschließenden Gedanken mit Z. Genauso zufällig wäre es, wenn benachbarte Einträge einer philosophischen Enzyklopädie untereinander stets bedeutungsverwandt wären. Zwar mag einen die Sequenz "Trotzkismus, Trugschluß, Trunkenheit", die sich im zehnten Band des "Historischen Wörterbuchs der Philosophie" (Staat - Tyrannis, Schwabe Verlag, Basel, 820 S., DM 420,-) findet, durchaus in tiefes Nachdenken darüber stürzen, ob der bloße Buchstabe nicht doch ein Sinnträger ist. Zwar hat Gershom Scholem aus der Nachbarschaft von "Totalität" und "Totemismus" den Kurzschluß "Das Totum ist das Totem" gezogen. Zwar seien die Einträge "Teufel" und "Text", "Todestrieb" und "Toleranz", "Trägheit" und "Tradition" dem Leser durchaus zur durchlaufenden und vergleichenden Lektüre anempfohlen. Doch am Hauptbefund ändert sich durch solch anregendes Nebeneinander nichts: kein Philosoph liest ein philosophisches Wörterbuch durch. Als einzige Ausnahme darf der philosophische Wörterbuchmacher gelten. Ihm stellt sich das Unternehmen, das für die Autoren der Stichworte wie für ihre Benutzer in lauter nützliche Einzelheiten zerfällt, als ein Ganzes dar. Er kann daher an der alphabetischen Ordnung Sinnqualitäten erkennen, die anderen verborgen bleiben. Den Hinweis auf einige solcher Qualitäten verdankt der philosophisch Interessierte Karlfried Gründer, der für das Historische Wörterbuch seit fünfundzwanzig Jahren als Herausgeber wirkte und dieser Tage auf einer kleinen Feier in Berlin sein Amt aus Altersgründen abgegeben hat. In seinen Vorworten zu den Bänden finden sich stets auch kleine lexikographische Beobachtungen. Im jetzigen zum Beispiel eine, die darauf hinweist, daß zwar Begriffe wie Subkultur und Subversion, nicht aber Subjekt und Substanz in ihre Teile zerlegbar sind. Denn was wären ohne "Sub" ein "jekt" oder eine "stanz"? Bei Gründer liest sich das so: "Die Ballung von Lemmata mit dem gleichen Präfix führt auf die Frage, ob nicht die Verschiedenheit von Komposita mit notwendigem Präfix von solchen Komposita, deren Grundwörter mit oder ohne Präfix existieren können, der Beachtung und Bearbeitung in eigener methodischer Reflexion bedürftig wäre." Dieses Dokument einer Aufmerksamkeit, die sich auf die präfixen Ideen der Philosophie richtet, wird an Hintersinn nur noch durch Gründers Bekenntnis übertroffen, daß die Lücke zwischen Buchstabenordnung und Begriffsgeschichte sich allenfalls durch "Alphabetmogeleien" schließen lasse. Die Philosophie bringe laufend Begriffe hervor, die ihren Anfangsbuchstaben nach in bereits erschienene Bände gehörten. 1972 etwa, als der Band D bis F erschien, war die "Dekonstruktion" noch nicht im Schwange. Deshalb bedient sich der Lexikograph des Tricks, den Begriff nunmehr unter "Textualität" abzuhandeln. So elegant das wirken mag, es hat doch fatale Folgen. In seinem Vorwort zum neunten Band merkt Gründer an, daß diese nachträgliche Einarbeitung des Erkenntnisfortschritts in die späteren Artikel den Eintrag "Zynismus" zum umfangreichsten des ganzen Lexikons machen würde. Das aber war nur ein Scherz des Verwalters aller Alphabetmogeleien. Denn "Zynismus" wurde in einer Art vorausschauender Mogelei bereits 1976 im ersten von Gründer verantworteten Band als "Kynismus" abgehandelt. Sollte es daher tatsächlich zu jener Verdickungskonsequenz des begriffsgeschichtlichen Fortschritts kommen, dann wird sie sich wohl an einem anderen Schlußbegriff zeigen. Hält man sich an ältere Enzyklopädien, so käme am ehesten "Zwitter" in Betracht. Weil das aber dem entschiedenen Geist des Historischen Wörterbuchs nicht entspräche, wünschen wir uns statt dessen einen langen philosophischen Aufräumartikel mit dem einzig dafür angemessenen Stichwort: Zweifel. Wer diesen Artikel durchläse, wäre dann ganz auf dem Stand der Philosophie.
JÜRGEN KAUBE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Alphabet ist eine dem philosophischen Begriff ganz äußerliche Ordnung. Der Geist mag sorgsam von Anfang bis zum Ende lesen müssen, aber die Buchstaben bilden ihm trotzdem keine Stufen zur Wahrheit. Was für ein Zufall wäre es, begännen alle Grundbegriffe mit A und alle abschließenden Gedanken mit Z. Genauso zufällig wäre es, wenn benachbarte Einträge einer philosophischen Enzyklopädie untereinander stets bedeutungsverwandt wären. Zwar mag einen die Sequenz "Trotzkismus, Trugschluß, Trunkenheit", die sich im zehnten Band des "Historischen Wörterbuchs der Philosophie" (Staat - Tyrannis, Schwabe Verlag, Basel, 820 S., DM 420,-) findet, durchaus in tiefes Nachdenken darüber stürzen, ob der bloße Buchstabe nicht doch ein Sinnträger ist. Zwar hat Gershom Scholem aus der Nachbarschaft von "Totalität" und "Totemismus" den Kurzschluß "Das Totum ist das Totem" gezogen. Zwar seien die Einträge "Teufel" und "Text", "Todestrieb" und "Toleranz", "Trägheit" und "Tradition" dem Leser durchaus zur durchlaufenden und vergleichenden Lektüre anempfohlen. Doch am Hauptbefund ändert sich durch solch anregendes Nebeneinander nichts: kein Philosoph liest ein philosophisches Wörterbuch durch. Als einzige Ausnahme darf der philosophische Wörterbuchmacher gelten. Ihm stellt sich das Unternehmen, das für die Autoren der Stichworte wie für ihre Benutzer in lauter nützliche Einzelheiten zerfällt, als ein Ganzes dar. Er kann daher an der alphabetischen Ordnung Sinnqualitäten erkennen, die anderen verborgen bleiben. Den Hinweis auf einige solcher Qualitäten verdankt der philosophisch Interessierte Karlfried Gründer, der für das Historische Wörterbuch seit fünfundzwanzig Jahren als Herausgeber wirkte und dieser Tage auf einer kleinen Feier in Berlin sein Amt aus Altersgründen abgegeben hat. In seinen Vorworten zu den Bänden finden sich stets auch kleine lexikographische Beobachtungen. Im jetzigen zum Beispiel eine, die darauf hinweist, daß zwar Begriffe wie Subkultur und Subversion, nicht aber Subjekt und Substanz in ihre Teile zerlegbar sind. Denn was wären ohne "Sub" ein "jekt" oder eine "stanz"? Bei Gründer liest sich das so: "Die Ballung von Lemmata mit dem gleichen Präfix führt auf die Frage, ob nicht die Verschiedenheit von Komposita mit notwendigem Präfix von solchen Komposita, deren Grundwörter mit oder ohne Präfix existieren können, der Beachtung und Bearbeitung in eigener methodischer Reflexion bedürftig wäre." Dieses Dokument einer Aufmerksamkeit, die sich auf die präfixen Ideen der Philosophie richtet, wird an Hintersinn nur noch durch Gründers Bekenntnis übertroffen, daß die Lücke zwischen Buchstabenordnung und Begriffsgeschichte sich allenfalls durch "Alphabetmogeleien" schließen lasse. Die Philosophie bringe laufend Begriffe hervor, die ihren Anfangsbuchstaben nach in bereits erschienene Bände gehörten. 1972 etwa, als der Band D bis F erschien, war die "Dekonstruktion" noch nicht im Schwange. Deshalb bedient sich der Lexikograph des Tricks, den Begriff nunmehr unter "Textualität" abzuhandeln. So elegant das wirken mag, es hat doch fatale Folgen. In seinem Vorwort zum neunten Band merkt Gründer an, daß diese nachträgliche Einarbeitung des Erkenntnisfortschritts in die späteren Artikel den Eintrag "Zynismus" zum umfangreichsten des ganzen Lexikons machen würde. Das aber war nur ein Scherz des Verwalters aller Alphabetmogeleien. Denn "Zynismus" wurde in einer Art vorausschauender Mogelei bereits 1976 im ersten von Gründer verantworteten Band als "Kynismus" abgehandelt. Sollte es daher tatsächlich zu jener Verdickungskonsequenz des begriffsgeschichtlichen Fortschritts kommen, dann wird sie sich wohl an einem anderen Schlußbegriff zeigen. Hält man sich an ältere Enzyklopädien, so käme am ehesten "Zwitter" in Betracht. Weil das aber dem entschiedenen Geist des Historischen Wörterbuchs nicht entspräche, wünschen wir uns statt dessen einen langen philosophischen Aufräumartikel mit dem einzig dafür angemessenen Stichwort: Zweifel. Wer diesen Artikel durchläse, wäre dann ganz auf dem Stand der Philosophie.
JÜRGEN KAUBE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Johan Schloemann feiert das Erscheinen des zwölften Bandes des Historischen Wörterbuchs der Philosophie, mit dem das Mammutwerk zum Abschluss gebracht wird, wobei noch der Registerband aussteht. Dieser letzte Band schließt mit dem Stichwort "Zynismus", worin sich der Rezensent durchaus einen "ungewollten Kommentar zur Geistesgeschichte seit 1971" - da erschien der erste Band des Lexikons - vorstellen kann. Schloemann lobt, dass man aus diesem Lexikon etwas über die "historische Elastizität" der philosophischen Begriffe lernen kann und zeigt sich deshalb auch von dem Verzicht einer Definition des jeweiligen Begriffs zu Anfang der Einträge überzeugt. Und auch wenn etwa unter dem Stichwort "Zitat" auf Senecas Tadel von der Verwendung von "glänzenden Zitaten" durch "Halbgebildete" hingewiesen wird, lässt sich das Historische Wörterbuch nicht zuletzt auch als "Lieferant glänzender Zitate" durchaus Gewinn bringend nutzen, so der begeisterte Rezensent augenzwinkernd.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH