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Avraham Burg, früherer Parlamentspräsident, Knesset-Sprecher und Leiter der Jewish Agency, spricht aus, was viele in Israel empfinden: Der jüdische Staat ist besessen vom Misstrauen - gegen sich selbst, seine Nachbarn und die Welt um sich herum. Der Holocaust wird als ultimatives Trauma vereinnahmt, um israelisches Unrecht zu legitimieren. Burg kritisiert sein Land als militaristisch, fremdenfeindlich und anfällig für Extremismus. So wird der Weg zu einem Frieden im Nahen Osten immer wieder verbaut. Trotz der großen Bedeutung des Erinnerns an die Opfer ist es Zeit, dass Israelis, Juden und die…mehr

Produktbeschreibung
Avraham Burg, früherer Parlamentspräsident, Knesset-Sprecher und Leiter der Jewish Agency, spricht aus, was viele in Israel empfinden: Der jüdische Staat ist besessen vom Misstrauen - gegen sich selbst, seine Nachbarn und die Welt um sich herum. Der Holocaust wird als ultimatives Trauma vereinnahmt, um israelisches Unrecht zu legitimieren. Burg kritisiert sein Land als militaristisch, fremdenfeindlich und anfällig für Extremismus. So wird der Weg zu einem Frieden im Nahen Osten immer wieder verbaut. Trotz der großen Bedeutung des Erinnerns an die Opfer ist es Zeit, dass Israelis, Juden und die westliche Welt - allen voran Deutschland - das Trauma des Holocaust überwinden und Israel zu einem neuen Selbstverständnis findet, das auf Freiheit und Demokratie beruht.

" Dies ist ein wichtiges Buch, geschrieben von einem mutigen Mann." Tony Judt, Autor von "Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart"

" Ein faszinierendes Buch, das zum Nachdenken anregt. Jeder, der sich um Israels Zukunft sorgt, sollte es lesen." John J. Mearsheimer, Koautor von "Die Israel-Lobby"
Autorenporträt
Avraham Burg wurde 1955 als Sohn eines deutschen Holocaust- Überlebenden in Jerusalem geboren. Sein Vater Josef Burg lebte in Dresden und Berlin, wo er die Ausreise deutscher Juden organisierte, bis er selbst 1939 floh. Nach dem Militärdienst wurde Avraham Burg aktiv in der Friedensbewegung "Peace Now!". Er war Berater von Schimon Peres, Vorsitzender der Jewish Agency und Sprecher der Knesset. In letzter Zeit hat er die Kernthesen des Zionismus öffentlich infrage gestellt und die Politik Israels scharf kritisiert. In »Hitler besiegen« unterstreicht Burg anhand seiner eigenen, sehr bewegenden Familiengeschichte seine außergewöhnliche und leidenschaftliche Vision eines universelleren und menschlicheren Judentums.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2010

Eine Generalabrechnung
Avraham Burgs Kritik am Verhältnis Israels zum Holocaust

Wenn der ehedem jüngste Knesset-Sprecher mit seinem Staat ins Gericht und es um das Verhältnis zum Holocaust geht, wenn er in diesem Zusammenhang von der "Überwindung eines Traumas" spricht und das Israel der Gegenwart mit dem Deutschland der Weimarer Zeit vergleicht, dann kann er damit rechnen, gehört zu werden - in Israel und überall, wo der Schatten des Massenmords an den europäischen Juden gegenwärtig ist. Avraham Burg vermag umso mehr zu provozieren, weil er selbst zu den politisch Mächtigen gehörte, die er nun kritisiert; in gewissen Kreisen hieße er "Renegat". Er beklagt eine "Holocaustblindheit", die zum Verlust von Moral und Werten des Judentums geführt habe. Der Holocaust sei zu einer Strategie worden, auf die im Kampf gegen militante Araber, beim Siedlungsbau und wo auch immer ohne weitere Argumente verwiesen werde. Dem will Burg eine "neue Vision" entgegensetzen - für sein Land. Denn das 2007 erschienene Buch richtet sich an die dortige Gesellschaft, will sie zum Andersdenken auffordern. Die deutsche Ausgabe sollte man als Ausdruck einer innerisraelischen Debatte zum eigenen Selbstverständnis 65 Jahre nach dem Holocaust betrachten.

Burg wurde 1955 in Jerusalem geboren. Sein Vater Josef stammte aus Dresden, floh 1939 nach Palästina und gehörte als Minister der Gründergeneration des jüdischen Staates an. Und so durchzieht Burgs Haltung einer gewissen Überlegenheit der eigenen Persönlichkeit und gelebter Privilegien das Buch. Seine zentrale These, dass Israel den Holocaust als "Entschuldigung und Triebkraft jeglichen Handelns" gewissermaßen missbrauche, flankiert er mit Erinnerungen an seine Eltern, weitschweifenden Überlegungen zum Wesen des Judentums und einer Analyse der Entwicklung seines Landes. Prägend sei noch immer das Gefühl "Die ganze Welt ist gegen uns!", wenngleich sich diese Welt seit 1948 verändert habe, was im jüdischen Staat bewusst ignoriert werde. Das junge Israel brauchte beim Aufbau keine Vielfalt jüdischer Herkünfte, sondern eine kampfbereite Einheit von Israelis. Man entwickelte "Muskeln, aber keine Seele".

Burg ist nicht der Erste, der im Prozess gegen Adolf Eichmann (1961) ein "Initiationsritual" sieht, in dem Israel sich als Opfer bestätigte; er begreift Eichmanns Tod als Hinrichtung des alten Deutschland. Denn es verhandelte damals nicht der Staat Israel gegen die Person Eichmann, sondern das Volk Israel gegen "die Nazis". Mit seiner Erhängung übernahm das Land den Holocaust als alleiniges "Eigentum"; man richtete sich auf einem "Auschwitzplaneten" ein. Die Schoah durchdringe heutzutage alles: "Israel erklärte sich zum Erben der Opfer, zu ihrem alleinigen offiziellen Vertreter in der Welt und ernannte sich zum Sprecher der ermordeten Millionen. Wir bürgerten sechs Millionen Tote ein." Die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem sei integraler "Teil des Rituals dieser neuen israelischen Religion". Der Massenmord sei das sinnstiftende Element und bestimme das Nationalbewusstsein. Derart aus dem historischen Kontext gerissen, diene der Holocaust als "Entschuldigung und Triebkraft jeglichen Handelns". Denn, so die herrschende Staatsmeinung, hinter jeder Gefahr lauere ein neuer Holocaust, den es präventiv zu bekämpfen gelte. Dieses Vermächtnis der Unsicherheit sei "typisch für Traumaopfer". Doch den Deutschen wurde, nicht zuletzt wegen der geflossenen Gelder, verziehen; den Hass übertrug das Land auf einen neuen Feind, die Araber. Selbst israelische Araber würden als minderwertig wahrgenommen.

Burg fordert einen Neubeginn: Man dürfe nicht auf ewig "Geisel der Erinnerung" sein. Es bedürfe endlich der "Anerkennung des Leids und Übernahme der Verantwortung für das Elend der palästinensischen Flüchtlinge". Und gerade wegen der einzigartig-schrecklichen Erfahrung sei der Holocaust nicht allein jüdisches Vermächtnis, sondern eines der gesamten Menschheit, aus dem allerdings insbesondere für Israel eine entsprechende Verantwortung für Gegenwart und Zukunft erwachse. Burg beklagt den Egoismus, dass die gezogene Lehre lediglich heiße: Es dürfe nie wieder den Juden solch Leid zugefügt werden.

Viele Argumente in Burgs Buch sind zweifelsohne bedenkenswert, über Israel hinaus. Doch die Markigkeit seiner Worte bleibt oft plakativ. Sie klingen nicht selten nach der Gekränktheit einer enttäuschten Liebe. Aber "Hitler besiegen" ist auch ein beredtes Zeugnis für das - bei aller etwaigen Kritikwürdigkeit - in Israel Erreichte: die freie Meinungsäußerung, die allein der jüdische Staat als einzige Demokratie in der gesamten Region uneingeschränkt gewährleistet. Das ist dem Autor in seinem Furor keine Zeile wert, wohl weil es für ihn als Israeli schlicht selbstverständlich ist.

UWE NEUMÄRKER

Avraham Burg: Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss. Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 2009. 280 S., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Dies ist "eines der wichtigsten Bücher des Jahres", erklärt Rezensent Arno Widmann. Avraham Burg lege dar, dass die "Fixierung" Israels auf den Holocaust das Land vernichtet, weil es jede Bedrohung von außen als "Reinkarnation" des nationalsozialistischen Antisemitismus begreift und militärisch bekämpft. Ohne mit den Nachbarstaaten und den Palästinensern Frieden zu schließen ist aber für Burg der Staat Israel dem Untergang geweiht, erklärt Widmann. Auch die "Einzigartigkeit der Shoa" stellt der Autor hier in Frage, denn er sieht in dieser Überzeugung die Gefahr, dass sie blind macht für die Leiden anderer, so der Rezensent nachdenklich. In Israel hat man "Hitler besiegen" dem 1955 geborenen Autor, Sohn eines deutschen Holocaustüberlebenden, selbst früher Berater Shimon Perez', Sprecher der Knesset und Vorsitzender der Jewish Agency, bevor er sich aus allen Ämtern zurückzog, gewaltig übel genommen und ihn als Landesfeind angeprangert, erzählt Widmann. Er liest das Buch als tieftraurige Bilanz eines "Zionisten, der keiner mehr sein will", als "bitteren Abschied" von einem Selbstverständnis, das Burg in seinen Ämtern selbst jahrelang mitgetragen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein Land im Schatten des Holocaust
"Avraham Burg ist der rhetorische Scharfrichter der israelischen Gegenwart." (Süddeutsche Zeitung, 12.09.2009)

Das Unheil lähmt
"Mit viel Verve wehrt sich hier erstmals ein prominenter Nachgeborener gegen die langen Schatten von Auschwitz." (Rheinischer Merkur, 17.09.2009)

Starker Tobak
"Das Hannah Arendt gewidmete Buch ist Vieles in einem: eine Liebeserklärung an Burgs Land, eine Abrechnung mit dessen Politik und eine Mahnung an das Judentum, seine Menschlichkeit nicht zu verlieren." (Der Freitag, 18.09.2009)

Seele statt Muskeln
"Dieses Buch ist eine Bombe. Eine geistige Bombe, die das Selbstverständnis des jüdischen Staates und der israelischen Identität in der Luft zerfetzt. Radikal, gnadenlos und polemisch." (Der Tagesspiegel, 21.09.2009)

Sich vom Holocaust lösen
"Eines der wichtigsten Bücher dieser Jahre." (Frankfurter Rundschau, 07.10.2009)

Im Mantel des Propheten
"Dieser ... stets packende Band ist im wahrsten Sinne des Wortes ein epochales Ereignis. Artikuliert doch dieses Buch nicht mehr und nicht weniger als den inneren Zerfall des zionistischen Bewusstseins." Micha Brumlik (Neue Zürcher Zeitung, 10.10.2009)

Wem gehört der Holocaust?
"Ein fulminanter Text ... Ein solches Buch ... darf man ein Ereignis nennen." (Kommune, 01.12.2009)

Eine Generalabrechnung
"'Hitler besiegen' ist auch ein beredtes Zeugnis für das in Israel Erreichte: die freie Meinungsäußerung, die allein der jüdische Staat als einzige Demokratie in der gesamten Region uneingeschränkt gewährleistet." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.04.2010)

Heilige Dogmen
"Ein herausragendes Buch." (Das Parlament, 10.05.2010)
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