Der angesehene Publizist und Zeithistoriker Rafael Seligmann fragt in seiner brilliant geschriebenen Hitler-Biografie nach der Ursache für die bislang unverständliche Loyalität der Deutschen zu Adolf Hitler. Seine Antwort: Hitler und die Deutschen wurden von den gleichen Ängsten vor der Moderne geplagt. Daher gelang es Hitler, sich als einzig legitimer und glaubwürdiger Vertreter des deutschen Volkes zu präsentieren. Er griff dabei den traditionellen Antisemitismus auf und radikalisierte ihn im Denken wie im Handeln. So wurde Hitler zum Führer der Deutschen in einem Kreuzzug gegen Vernunft und Menschlichkeit.
Der bekannteste Publizist und promovierte Historiker Rafael Seligmann legt eine innovative politische Biografie Adolf Hitlers vor, die der Frage nachgeht, warum die Deutschen ihrem "Führer" bis zum bitteren Ende gefolgt sind. Er seziert das von Liebe und Angst bestimmte Wechselspiel zwischen Hitler und den Deutschen und kommt so zu neuen, provokanten Erkenntnissen.
Seligmann zeigt, dass Hitler die Angst der Deutschen vor der Moderne erkannte und das deutsche Bürgertum gewann, indem der die Juden zum Sündenbock für sein eigenes wirtschaftliches, politisches und intelektuelles Versagen stempelte. Mit dem Hinweis auf emotionale Faktoren wie Liebe und Angst als machtsichernde Elemente trifft der Autor eine Lücke in der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus. Ganz in der Tradition von Sebastian Haffners Anmerkungen zu Hitler spricht Seligmanns brillant geschriebenes Buch vor allem neugierige jüngere Leser an, die von der Fachliteratur zu Hitler nicht erreicht werden.
Der bekannteste Publizist und promovierte Historiker Rafael Seligmann legt eine innovative politische Biografie Adolf Hitlers vor, die der Frage nachgeht, warum die Deutschen ihrem "Führer" bis zum bitteren Ende gefolgt sind. Er seziert das von Liebe und Angst bestimmte Wechselspiel zwischen Hitler und den Deutschen und kommt so zu neuen, provokanten Erkenntnissen.
Seligmann zeigt, dass Hitler die Angst der Deutschen vor der Moderne erkannte und das deutsche Bürgertum gewann, indem der die Juden zum Sündenbock für sein eigenes wirtschaftliches, politisches und intelektuelles Versagen stempelte. Mit dem Hinweis auf emotionale Faktoren wie Liebe und Angst als machtsichernde Elemente trifft der Autor eine Lücke in der wissenschaftlichen Erforschung des Nationalsozialismus. Ganz in der Tradition von Sebastian Haffners Anmerkungen zu Hitler spricht Seligmanns brillant geschriebenes Buch vor allem neugierige jüngere Leser an, die von der Fachliteratur zu Hitler nicht erreicht werden.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Schon bekannt und dann auch noch zu undifferenziert - diese Kritik muss sich Rafael Seligmann von Rezensent Klaus Hildebrand gefallen lassen. Das neue Buch, in dem Seligmann der Frage nachgeht, warum die Deutschen Hitler derart treu gefolgt sind, liefere dem Leser keine neuen Erkenntnisse. Vor allem die These, dass die "Angst vor der Moderne" die Kraft war, die die Menschen in den Bann Hitlers zog, sei zwar zutreffend, aber "bekannt" und in "zahlreichen Publikationen differenzierter und überzeugender" abgehandelt. Außerdem könne man durchaus Zweifel an der "Zuverlässigkeit" der Darstellung Seligmanns hegen, bemängelt der Rezensent. So sei die Behauptung, dass Hitler Italien im Abessinienkrieg vorbehaltlos unterstützt habe, "zumindest fraglich". Andere Themenkomplexe, wie die Problematik der deutschen England- und Russlandpolitik habe der Autor ungerechtfertigter Weise ganz weggelassen. "Weit hinter dem Forschungsstand zurückgeblieben", resümiert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2004Der Blankowechsel
Rafael Seligmann über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler
Rafael Seligmann: Hitler. Die Deutschen und ihr Führer. Ullstein Verlag, München 2004. 336 Seiten, 22,- [Euro].
Der Klappentext verspricht eine "innovative Hitler-Biographie". Die Erwartung steigt, wenn man in der Einleitung lernt: "Die Deutschen fühlten sich und waren tatsächlich durch die Moderne bedroht - da sie sich weitgehend den Prinzipien der nachvollziehbaren Vernunft verschlossen." Dieser Angst der Deutschen habe "Hitler und seine Bewegung eine authentische Stimme verliehen". Mehr noch: Hitler "führte sein Volk in den Befreiungskrieg gegen die Juden". Das alles bleibt Ankündigung. Von den deutschen Defiziten hinsichtlich der Moderne ist fortan nicht mehr die Rede, sondern es geht um die "Hingabe der Deutschen an ihren Führer".
Das Vorgehen von Rafael Seligmann wirkt simpel. Er bietet einen biographischen Abriß, verbunden mit Betrachtungen zur deutschen Politik, gelegentlich mit außenpolitischen Exkursen gewürzt, und den Verlauf des Zweiten Weltkrieges bis zur "Endlösung". In die Erzählung werden jeweils Ausführungen über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler eingepaßt. Ob dieses aber überhaupt befriedigend zu bestimmen ist, muß angesichts der vorhandenen Quellen zweifelhaft bleiben. Was der Autor jedoch anbietet, kann nicht befriedigen, läuft es doch auf bloßes Psychologisieren bei erheblich gestörten Bezügen zur historischen Realität hinaus.
Hitlers Eintritt in die Politik 1919 erscheint bereits eigenartig verschwommen. Seine Aktivitäten im Jahre 1923 unter der Überschrift "Hochverrat als Gaudi" abzuhandeln zeigt das Unverständnis über das Ausmaß der Krise von 1923. Die Weimarer Republik wird als "sozialliberale und humanistische Demokratie" vorgestellt, was sie mit Sicherheit nicht gewesen ist. Dafür werden ihre führenden Politiker um so negativer beleuchtet. Friedrich Ebert sei "ein Mann von begrenztem politischen Horizont" gewesen, Heinrich Brüning "verwaltete phantasielos wie ein Subalternbeamter". Kurt von Schleicher war lediglich ein "intriganter Strippenzieher". Hitlers stupende Erfolge als Redner seit 1930 verdankte er, wie es die Quellen überzeugend vermitteln, vor allem der Tatsache, daß er keine antisemitische Propaganda betrieb, sondern stets an die nationale Geschlossenheit appellierte. Seligmann sieht dagegen bei Hitler die Verkündung einer anderen Botschaft: "Wir Deutschen sind das Opfer von Franzosen, Kommunisten, Kapitalisten. Das Panikorchester der Verschwörung wird aus dem Dunkeln von Juden dirigiert". Hätte Hitler tatsächlich solch langatmiges Zeug gepredigt, wäre den Deutschen mit Sicherheit das "Dritte Reich" erspart geblieben.
Der "Röhm-Putsch" von 1934 wird ebenso schief und fehlerhaft dargestellt wie die Rheinlandbesetzung von 1936. Auch der Ablauf der "Reichskristallnacht" 1938 ist falsch akzentuiert. Es verdient aber hervorgerufen zu werden, daß Seligmann gegenüber neuesten Forschungsergebnissen kritisch ist. "Dem Führer entgegenarbeiten", das von Ian Kershaw eingeführte Schlüsselwort für die Einstellung der Deutschen gegenüber ihrem Führer, findet nicht seine Billigung. Er qualifiziert die Phrase ab als "wenig aussagekräftig und unsinnig obendrein". Dafür ist er aber auf das von Kershaw wieder aufgewärmte Märchen, Erich Ludendorff habe den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg 1933 eindringlich vor Hitler gewarnt, hereingefallen.
Was er über die Deutschen und Hitler mitteilt, ist oft fragwürdig. So seien schon 1919 "Hitlers antisemitische Verschwörungsideen und seine emotionalen Tiraden nahezu kongruent mit der deutschen Befindlichkeit nach dem verlorenen Krieg" gewesen. Und das nach dem Linksruck, den man Revolution genannt hat? Warum erwies sich wiederum Gregor Strasser Ende 1932 zur Opposition gegen Hitler unfähig? Ganz einfach, weil "Hitlers Weltbild von der Mehrheit der Deutschen geteilt" wurde. Bei so viel behaupteter Einigkeit überrascht es, daß bei den März-Wahlen 1933 festgestellt wird, daß "der Durchbruch in die Arbeiterschaft, ins katholische Wählerpotential wie in breite Schichten des Bildungsbürgertums der NSDAP" verwehrt geblieben sei.
Richtig ist die Feststellung, daß die Deutschen den Krieg nicht gewollt hatten. Aber die Schlußfolgerungen Seligmanns überzeugen nicht. Er argumentiert, "die Treue zu ihrem Führer . . . war größer als ihre Angst vor dem Krieg". Woher weiß er das? Dann aber hebt er ab, wenn er behauptet: "Die Deutschen gewährten Hitler einen Blankowechsel zur Revision ihrer demütigenden Niederlage." Es kann daher nicht wundernehmen, daß die Deutschen, ganz gleich ob sie als Landser an der Front standen oder in der Heimat dienten, auch noch nach der Wende des Krieges 1942 eine "ungebrochene Kampfmoral" zeigten.
Das Buch schließt mit dem "Völkermord", der Judenvernichtung. Wer aber erwartet, daß auch hier volle Übereinstimmung behauptet wird, der irrt sich. An der Federführung der Deutschen am Völkermord läßt er keinen Zweifel, betont aber, die Durchführung sei auch dadurch bestimmt worden, daß es in Osteuropa einen "mörderischen Antisemitismus" gab, der sich auch ohne "die Ermutigung und den Befehl der Deutschen vielfach Bahn brach". Seligmann zeigt Verständnis für die Judenältesten in Polen in ihrer entsetzlichen Zwangslage, die seit Hannah Arendts arroganter Polemik geächtet sind. Hinsichtlich der Deutschen trifft er eine seltsame Unterscheidung. Er stellt fest, daß es "kaum spontane Judenpogrome" in Deutschland gegeben habe", "judenfeindliche Gewaltakte wie die beiden Novembernächte 1938 von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt" wurden. Das ist die eine Seite. Aber "sobald die Deutschen Uniform trugen oder unter Befehl standen, beteiligten sie sich willig am Völkermord". Wie paßt das zusammen? Da wird die Problematik von Befehl und Gehorsam, vom Verhalten unter einer brutalen Diktatur, deren Führung der Judenvernichtung höchste Dringlichkeit zuwies, nicht zur Kenntnis genommen. Schade eigentlich, denn hier müßte die Differenzierung einsetzen.
HENNING KÖHLER
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Rafael Seligmann über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler
Rafael Seligmann: Hitler. Die Deutschen und ihr Führer. Ullstein Verlag, München 2004. 336 Seiten, 22,- [Euro].
Der Klappentext verspricht eine "innovative Hitler-Biographie". Die Erwartung steigt, wenn man in der Einleitung lernt: "Die Deutschen fühlten sich und waren tatsächlich durch die Moderne bedroht - da sie sich weitgehend den Prinzipien der nachvollziehbaren Vernunft verschlossen." Dieser Angst der Deutschen habe "Hitler und seine Bewegung eine authentische Stimme verliehen". Mehr noch: Hitler "führte sein Volk in den Befreiungskrieg gegen die Juden". Das alles bleibt Ankündigung. Von den deutschen Defiziten hinsichtlich der Moderne ist fortan nicht mehr die Rede, sondern es geht um die "Hingabe der Deutschen an ihren Führer".
Das Vorgehen von Rafael Seligmann wirkt simpel. Er bietet einen biographischen Abriß, verbunden mit Betrachtungen zur deutschen Politik, gelegentlich mit außenpolitischen Exkursen gewürzt, und den Verlauf des Zweiten Weltkrieges bis zur "Endlösung". In die Erzählung werden jeweils Ausführungen über das Verhältnis der Deutschen zu Hitler eingepaßt. Ob dieses aber überhaupt befriedigend zu bestimmen ist, muß angesichts der vorhandenen Quellen zweifelhaft bleiben. Was der Autor jedoch anbietet, kann nicht befriedigen, läuft es doch auf bloßes Psychologisieren bei erheblich gestörten Bezügen zur historischen Realität hinaus.
Hitlers Eintritt in die Politik 1919 erscheint bereits eigenartig verschwommen. Seine Aktivitäten im Jahre 1923 unter der Überschrift "Hochverrat als Gaudi" abzuhandeln zeigt das Unverständnis über das Ausmaß der Krise von 1923. Die Weimarer Republik wird als "sozialliberale und humanistische Demokratie" vorgestellt, was sie mit Sicherheit nicht gewesen ist. Dafür werden ihre führenden Politiker um so negativer beleuchtet. Friedrich Ebert sei "ein Mann von begrenztem politischen Horizont" gewesen, Heinrich Brüning "verwaltete phantasielos wie ein Subalternbeamter". Kurt von Schleicher war lediglich ein "intriganter Strippenzieher". Hitlers stupende Erfolge als Redner seit 1930 verdankte er, wie es die Quellen überzeugend vermitteln, vor allem der Tatsache, daß er keine antisemitische Propaganda betrieb, sondern stets an die nationale Geschlossenheit appellierte. Seligmann sieht dagegen bei Hitler die Verkündung einer anderen Botschaft: "Wir Deutschen sind das Opfer von Franzosen, Kommunisten, Kapitalisten. Das Panikorchester der Verschwörung wird aus dem Dunkeln von Juden dirigiert". Hätte Hitler tatsächlich solch langatmiges Zeug gepredigt, wäre den Deutschen mit Sicherheit das "Dritte Reich" erspart geblieben.
Der "Röhm-Putsch" von 1934 wird ebenso schief und fehlerhaft dargestellt wie die Rheinlandbesetzung von 1936. Auch der Ablauf der "Reichskristallnacht" 1938 ist falsch akzentuiert. Es verdient aber hervorgerufen zu werden, daß Seligmann gegenüber neuesten Forschungsergebnissen kritisch ist. "Dem Führer entgegenarbeiten", das von Ian Kershaw eingeführte Schlüsselwort für die Einstellung der Deutschen gegenüber ihrem Führer, findet nicht seine Billigung. Er qualifiziert die Phrase ab als "wenig aussagekräftig und unsinnig obendrein". Dafür ist er aber auf das von Kershaw wieder aufgewärmte Märchen, Erich Ludendorff habe den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg 1933 eindringlich vor Hitler gewarnt, hereingefallen.
Was er über die Deutschen und Hitler mitteilt, ist oft fragwürdig. So seien schon 1919 "Hitlers antisemitische Verschwörungsideen und seine emotionalen Tiraden nahezu kongruent mit der deutschen Befindlichkeit nach dem verlorenen Krieg" gewesen. Und das nach dem Linksruck, den man Revolution genannt hat? Warum erwies sich wiederum Gregor Strasser Ende 1932 zur Opposition gegen Hitler unfähig? Ganz einfach, weil "Hitlers Weltbild von der Mehrheit der Deutschen geteilt" wurde. Bei so viel behaupteter Einigkeit überrascht es, daß bei den März-Wahlen 1933 festgestellt wird, daß "der Durchbruch in die Arbeiterschaft, ins katholische Wählerpotential wie in breite Schichten des Bildungsbürgertums der NSDAP" verwehrt geblieben sei.
Richtig ist die Feststellung, daß die Deutschen den Krieg nicht gewollt hatten. Aber die Schlußfolgerungen Seligmanns überzeugen nicht. Er argumentiert, "die Treue zu ihrem Führer . . . war größer als ihre Angst vor dem Krieg". Woher weiß er das? Dann aber hebt er ab, wenn er behauptet: "Die Deutschen gewährten Hitler einen Blankowechsel zur Revision ihrer demütigenden Niederlage." Es kann daher nicht wundernehmen, daß die Deutschen, ganz gleich ob sie als Landser an der Front standen oder in der Heimat dienten, auch noch nach der Wende des Krieges 1942 eine "ungebrochene Kampfmoral" zeigten.
Das Buch schließt mit dem "Völkermord", der Judenvernichtung. Wer aber erwartet, daß auch hier volle Übereinstimmung behauptet wird, der irrt sich. An der Federführung der Deutschen am Völkermord läßt er keinen Zweifel, betont aber, die Durchführung sei auch dadurch bestimmt worden, daß es in Osteuropa einen "mörderischen Antisemitismus" gab, der sich auch ohne "die Ermutigung und den Befehl der Deutschen vielfach Bahn brach". Seligmann zeigt Verständnis für die Judenältesten in Polen in ihrer entsetzlichen Zwangslage, die seit Hannah Arendts arroganter Polemik geächtet sind. Hinsichtlich der Deutschen trifft er eine seltsame Unterscheidung. Er stellt fest, daß es "kaum spontane Judenpogrome" in Deutschland gegeben habe", "judenfeindliche Gewaltakte wie die beiden Novembernächte 1938 von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt" wurden. Das ist die eine Seite. Aber "sobald die Deutschen Uniform trugen oder unter Befehl standen, beteiligten sie sich willig am Völkermord". Wie paßt das zusammen? Da wird die Problematik von Befehl und Gehorsam, vom Verhalten unter einer brutalen Diktatur, deren Führung der Judenvernichtung höchste Dringlichkeit zuwies, nicht zur Kenntnis genommen. Schade eigentlich, denn hier müßte die Differenzierung einsetzen.
HENNING KÖHLER
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"Rafael Seligmann ist aufklärerisch, verdammt aufklärerisch sogar." (DIE ZEIT)