Hitlerjunge Callenberg – ein ungewöhnlicher Roman
Es ist weniger die an sich schon sehr ungewöhnliche Geschichte, die mich in ihren Bann schlug, als vielmehr die Sprachkunst des Romanciers. Wann immer in dem Buch der NS-Zeitgeist agiert oder zu Wort kommt, wird die Sprache kurzatmig, abgehackt,
gehetzt. Aus der reichhaltigen deutschen Sprache wird ein Kasernenhofton. Ich habe mich beim gespannten…mehrHitlerjunge Callenberg – ein ungewöhnlicher Roman
Es ist weniger die an sich schon sehr ungewöhnliche Geschichte, die mich in ihren Bann schlug, als vielmehr die Sprachkunst des Romanciers. Wann immer in dem Buch der NS-Zeitgeist agiert oder zu Wort kommt, wird die Sprache kurzatmig, abgehackt, gehetzt. Aus der reichhaltigen deutschen Sprache wird ein Kasernenhofton. Ich habe mich beim gespannten Lesen dabei erwischt, dass ich fast gehetzt durch den Text geeilt bin. Dem gegenüber steht ein sehr prosaischer Sprachstil. Dessen bedient sich Rigo Denu-Akasha immer dann, wenn es im Roman privat wird, wenn die Szenerie in der Schweiz spielt oder große Gefühle im Spiel sind. Die sprachlichen Reize machen den „Hitlerjungen Callenberg“ zu einem Roman, den man erst aus der Hand legen möchte, wenn man die kleinformatigen 216 Seiten in sich aufgesogen hat.
Daran hat selbstverständlich die Story selbst ihren Anteil. Frank Callenberg, aufgewachsen in einem gutbürgerlichen Künstlerhaushalt, ist ein Arier von echtem Schrot und Korn, der auf die Lügen der Nazis von einem besseren und friedfertigen Deutschland hereinfällt. Sein großartiges rhetorisches Talent, dass er ganz in die Sache des neuen Deutschland stellt, führt ihn direkt auf den Obersalzberg und zu Hitler. Der sieht in dem jungen Mann so etwas wie die Reinkarnation eines Jugendfreundes und es entsteht ein ganz besonders Verhältnis zwischen beiden. Das gipfelt darin, dass Hitler dem Jungen ein Papier ausstellt, dass diesen unter den persönlichen Schutz des Diktators stellt.
Doch es kommt, wie es zumeist in Diktaturen nicht kommt: Callenberg sieht, was um ihn herum passiert. Er verschließt die Augen nicht, folgt seinem Gewissen. Hier bekommt der Roman Schwejksche Dimensionen, auch wenn mir immer wieder das Lachen im Halse stecken blieb. Wie Callenberg seinen Freibrief von Hitler einsetzt, wird hier jedoch nicht verraten.
Unbehagen bereiten Romanstellen, in denen Callenberg Hitler nicht als das Monster schildert, als das wir politisch korrekte Menschen ihn sehen (wollen). Für Rigo Denu-Akasha bleibt er ein Mensch mit verschiedenen Gesichtern, der beispielsweise gegenüber seinem Minister Speer äußert: „Ich wurde nicht als Antisemit geboren. Auch in meiner Jugend war das kein Thema für mich. Erst als ich in den damals latenten Sog weltweiten Antisemitismus gelangte, änderte sich da etwas, besonders als ich Kontakt zu Henry Ford knüpfte, den ich in der amerikanischen Presse als meine Inspiration bezeichnete.“ Überhaupt ist Hitler für Rigo Denu-Akasha nicht die Quelle allem Übels. So lässt er Callenberg einmal sagen: „Ja, Papa, und das schlimmste ist, dass hinter allem stets Geschäftsleute agieren, ja ich glaube, dass Kapital wird eines Tages die Politikerkaste ganz ablösen.“.
Der Roman ist im Schweitzerhaus-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich. (Helmut Harff)