Das Buch untersucht einen wenig beachteten Aspekt des Zweiten Weltkriegs. Die historische Literatur hatte der Wehrmacht für den Krieg gegen Frankreich im Allgemeinen ein korrektes Verhalten bescheinigt, das in scharfem Kontrast zur deutschen Kriegführung im Osten stehe. Aufgrund der Archivquellen, die Raffael Scheck erschlossen hat, ist dieses Bild nicht länger aufrechtzuerhalten. Seine Studie belegt detailliert, dass die Wehrmacht im Mai und Juni 1940 Massaker an schwarzen Soldaten und Kriegsgefangenen verübte, die in der französischen Armee gekämpft hatten, und zeigt auf, wie weit die Nazifizierung der Truppe bereits zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten war. Mehrere Tausend schwarze Gefangene wurden aus rassistischen Gründen während des Feldzugs ermordet und eine unbestimmte Zahl von Schwarzen wurde erschossen, ohne Gelegenheit zu bekommen, sich zu ergeben. Den 'sauberen Westfeldzug' hat es nie gegeben. Auch die letzte Legende der Wehrmacht ist damit widerlegt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2009Propaganda
Kolonialsoldaten 1940
Während des "Westfeldzuges" im Frühjahr 1940 entsprach lediglich die Behandlung weißer französischer und britischer Kriegsgefangener durch die deutschen Truppen - von Ausnahmen abgesehen - den Regeln der Genfer Konvention. Gegenüber den farbigen Soldaten, die aus allen französischen Kolonien nach Frankreich geholt worden waren, und besonders gegenüber den Tirailleurs Sénégalais kam es hingegen zu brutalen Ermordungen. Autor Scheck schätzt, gestützt auf umfangreiches Aktenmaterial, dass etwa 3000 schwarze Soldaten aus Afrika von deutschen Soldaten ermordet wurden. Einen expliziten Befehl zur Liquidierung schwarzer Kriegsgefangener gab es nicht. Als Erklärung für diese Massaker lässt sich zum einen die bereits seit dem Ersten Weltkrieg sowie in der folgenden Besatzungszeit erfolgte Stigmatisierung schwarzer Kämpfer im öffentlichen Diskurs in Deutschland heranziehen. Zum anderen wird die bereits im vorausgegangenen Krieg gegen Polen erfolgte Entmenschlichung durch Beteiligung von Teilen der Wehrmacht an systematischen Morden ins Feld geführt. Zudem neigten wohl stark ideologisch geprägte Einheiten wie die SS-Division Totenkopf und das Infanterieregiment Großdeutschland eher zu Gewalttaten gegen schwarze Kriegsgefangene in Frankreich.
Hinzu trat seit Frühjahr 1940 die Propagandahetze gegen französische Kolonialsoldaten, "die grausamen schwarzen Bestien Frankreichs", die von Bäumen auf ahnungslose deutsche Soldaten herabsprängen, "um ihnen Hände und Köpfe abzuschneiden" - wie der "Völkische Beobachter" schrieb. Nun benutzten die Tirailleurs Sénégalais im Nahkampf zwar traditionell das Coupe-Coupe, ein 40 cm langes Messer; bewusst herbeigeführte Verstümmelungen blieben jedoch selten. Offensichtlich schafften es Ideologie und Propaganda, diese Kolonialsoldaten als illegitime Kämpfer darzustellen, die nicht unter dem Schutz der Genfer Konvention ständen. Weder in Frankreich noch in Deutschland fanden diese Kriegsverbrechen nach 1945 ein gerichtliches Nachspiel.
REINER POMMERIN
Raffael Scheck: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten. Verlag Assoziation, Berlin 2009. 196 S., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kolonialsoldaten 1940
Während des "Westfeldzuges" im Frühjahr 1940 entsprach lediglich die Behandlung weißer französischer und britischer Kriegsgefangener durch die deutschen Truppen - von Ausnahmen abgesehen - den Regeln der Genfer Konvention. Gegenüber den farbigen Soldaten, die aus allen französischen Kolonien nach Frankreich geholt worden waren, und besonders gegenüber den Tirailleurs Sénégalais kam es hingegen zu brutalen Ermordungen. Autor Scheck schätzt, gestützt auf umfangreiches Aktenmaterial, dass etwa 3000 schwarze Soldaten aus Afrika von deutschen Soldaten ermordet wurden. Einen expliziten Befehl zur Liquidierung schwarzer Kriegsgefangener gab es nicht. Als Erklärung für diese Massaker lässt sich zum einen die bereits seit dem Ersten Weltkrieg sowie in der folgenden Besatzungszeit erfolgte Stigmatisierung schwarzer Kämpfer im öffentlichen Diskurs in Deutschland heranziehen. Zum anderen wird die bereits im vorausgegangenen Krieg gegen Polen erfolgte Entmenschlichung durch Beteiligung von Teilen der Wehrmacht an systematischen Morden ins Feld geführt. Zudem neigten wohl stark ideologisch geprägte Einheiten wie die SS-Division Totenkopf und das Infanterieregiment Großdeutschland eher zu Gewalttaten gegen schwarze Kriegsgefangene in Frankreich.
Hinzu trat seit Frühjahr 1940 die Propagandahetze gegen französische Kolonialsoldaten, "die grausamen schwarzen Bestien Frankreichs", die von Bäumen auf ahnungslose deutsche Soldaten herabsprängen, "um ihnen Hände und Köpfe abzuschneiden" - wie der "Völkische Beobachter" schrieb. Nun benutzten die Tirailleurs Sénégalais im Nahkampf zwar traditionell das Coupe-Coupe, ein 40 cm langes Messer; bewusst herbeigeführte Verstümmelungen blieben jedoch selten. Offensichtlich schafften es Ideologie und Propaganda, diese Kolonialsoldaten als illegitime Kämpfer darzustellen, die nicht unter dem Schutz der Genfer Konvention ständen. Weder in Frankreich noch in Deutschland fanden diese Kriegsverbrechen nach 1945 ein gerichtliches Nachspiel.
REINER POMMERIN
Raffael Scheck: Hitlers afrikanische Opfer. Die Massaker der Wehrmacht an schwarzen französischen Soldaten. Verlag Assoziation, Berlin 2009. 196 S., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Reiner Pommerin bespricht knapp und nüchtern "Hitlers afrikanische Opfer", Raffael Schecks Buch über die klar gegen die Genfer Konvention verstoßende Ermordung schwarzer Soldaten während des Zweiten Weltkriegs durch die Wehrmacht. Der sich auf, wie der Rezensent betont, umfangreiche Akten stützende Autor führt darin nicht nur die Gründe auf, warum schwarze Soldaten besonders brutal behandelt wurden. Pommerin hat der Arbeit auch entnommen, dass diese Massaker nach dem Ende des Krieges nicht gerichtlich verfolgt wurden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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