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Sie waren jung und sie waren ehrgeizig. Den deutschen Truppen, die in Polen, in die Ukraine und in Weißrussland einmarschierten, folgten Hunderttausende von Frauen. Krankenschwestern waren dabei, Bürokräfte, aber auch die Ehefrauen von SS-Männern. Vielen von ihnen war eine Unterstützung im Hintergrund nicht genug. Sie griffen selbst zur Waffe, folterten und töteten Unschuldige. Nach dem Krieg wurden diese Taten verschwiegen und verdrängt. Wendy Lowers Buch nimmt die unterschiedlichen Rollen von Frauen während des Genozids in den Blick: Sie zeigt sie als Zeuginnen, Komplizinnen und Täterinnen.…mehr

Produktbeschreibung
Sie waren jung und sie waren ehrgeizig. Den deutschen Truppen, die in Polen, in die Ukraine und in Weißrussland einmarschierten, folgten Hunderttausende von Frauen. Krankenschwestern waren dabei, Bürokräfte, aber auch die Ehefrauen von SS-Männern. Vielen von ihnen war eine Unterstützung im Hintergrund nicht genug. Sie griffen selbst zur Waffe, folterten und töteten Unschuldige. Nach dem Krieg wurden diese Taten verschwiegen und verdrängt. Wendy Lowers Buch nimmt die unterschiedlichen Rollen von Frauen während des Genozids in den Blick: Sie zeigt sie als Zeuginnen, Komplizinnen und Täterinnen. Und sie erklärt, wie in einem Klima enthemmter Gewalt alle zivilisatorischen Tabus fallen.
Autorenporträt
Wendy Lower ist John K. Roth Professor für Geschichte am Claremont McKenna College und Direktorin des dortigen Zentrums für Menschenrechte. Zuvor war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der LMU München und am U.S. Holocaust Memorial Museum. "Hitlers Helferinnen" stand auf der Shortlist für den National Book Award 2013.

Andreas Wirthensohn, geboren 1967, lebt als freier Lektor, Übersetzer, Literaturkritiker und Hörfunkautor in München. Er übersetzte u.a. Bücher von Eva Illouz, Neil MacGregor, Eric Hobsbawm, Timothy Snyder und Yuval Harari.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Dass die mit diesem Buch zutage tretenden Fakten erst der Anfang sein könnten, da die Historikerin Wendy Lower sich nur auf ukrainische beziehungsweise amerikanische Archivfunde stützt, sorgt bei der Rezensentin für ungute Gefühle. Sie weiß jetzt: Die Vorstellung von weiblicher Unschuld im Dritten Reich ist nicht länger haltbar, der Völkermord war durchaus auch Frauensache. Was die Autorin indes aus erstmals ausgewerteten, von der Roten Armee konfiszierten Briefen, Listen, Berichten, Fotos und Verhörprotokollen sowie amerikanischen Archiven ans Licht fördert, verschlägt der Rezensentin den Atem. Die von Lower stellvertretend geschilderten Geschichten "ganz normaler Frauen", die die Gelegenheit nutzten um kaltblütig zu morden, liest sie mit Grauen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2015

Unersättliche Sekretärinnen?
Frauen und NS-Verbrechen

Wendy Lowers Studie erschien in Amerika unter dem Titel "Hitler's Furies". In der deutschen Ausgabe heißt es weniger reißerisch "Hitlers Helferinnen", wobei der Originaltitel der Tendenz des Buches eher entspricht. Bei allem Bemühen, ausgewogen zu analysieren, schimmert eine Sichtweise durch, die partiell an Daniel Goldhagens Thesen erinnert. Den deutschen Frauen, die im europäischen Osten nach 1939 agierten, wird in einem großen Ausmaß Komplizen- und Täterschaft am Massenmord unterstellt, die sich aber aufgrund der Quellenlage nur für einzelne - gleichwohl äußerst brutale Beispiele - nachweisen lassen. Dennoch handelt es sich alles in allem um ein sehr lesenswertes, partiell spannendes Buch, das auf enormen Recherchen beruht.

Die Autorin geht der Fragestellung nach, in welchem Maße die große Zahl der Krankenschwestern, Sekretärinnen, Lehrerinnen oder Ehefrauen von NS- und SS-Funktionären in den besetzten osteuropäischen Ländern den Holocaust unterstützten oder gar selbst mordeten. Für insgesamt 13 Frauen, zu denen sehr gutes Quellenmaterial vorliegt, untersucht sie zunächst deren ideologische Prägung oder vielmehr die Versuche ihrer Indoktrination vor dem Zweiten Weltkrieg, danach ihr Verhalten vor allem im besetzten Polen, der Ukraine und Russland sowie ihren Werdegang nach 1945. Die Autorin unterscheidet zwischen Augenzeuginnen, Komplizinnen und Mörderinnen.

Die erste Gruppe, zu denen etwa die Jurastudentin Annette Schücking gehörte, äußerte sich entsetzt, als sie sah, dass jüdische Frauen und Kinder abtransportiert wurden. Lower wirft ihr wie auch anderen Augenzeuginnen vor, dass sie dennoch ein "normales" Leben mit Picknick und Kino führte. Dass ein öffentlicher Protest das eigene Leben gefährdet hätte, wird nur einmal erwähnt. Als Komplizinnen werden besonders Sekretärinnen vorgestellt, die durch Bürotätigkeit von den Massendeportationen wussten und sich, das wird wiederholt insinuiert, mit "unersättlicher Gier" an jüdischem Eigentum, etwa Schmuck oder Pelzen, vergriffen hätten. Für die dritte Gruppe werden einige Beispiele angeführt, wo Frauen von hohen NS-Funktionären zu Peitsche, Pistole und Gewehr griffen und sadistische oder zumindest grausame Hinrichtungen durchführten.

Aufschlussreich sind die Kapitel über die Nachkriegszeit. Nur in der DDR wurde eine Täterin mit ihrem Mann gemeinsam verurteilt und saß eine lange Haftstrafe ab. Die Prozesse gegen andere Frauen endeten mit Freispruch mangels Beweislage. Die Richter trauten ihnen die Gewaltorgien nicht zu, sondern hingen dem Stereotyp nach, dass Frauen mehr Mitleid, Emotionen und Wärme gegenüber den Mitmenschen zeigen. Doch auch Lower arbeitet mit diesem Stereotyp. Dass Frauen sich - ebenso wie Männer - während des "Dritten Reichs" hunderttausendfach als Krankenschwestern und Sekretärinnen sowie auch als KZ-Aufseherinnen durch Wegsehen, Zustimmung und aktiven Dienst schuldig machten und den Holocaust ermöglichten, ist hinlänglich bekannt. Aufgrund ihrer Funktionen waren sie nicht an den Mordaktionen durch SS, Reichswehr und Polizeieinheiten beteiligt, so dass physische Gewalt gegenüber Opfern doch eher die Ausnahme blieb.

Problematisch sind Behauptungen, die ein Ausmaß der Verstrickung andeuten, das nicht zu belegen ist. So wurden laut Lower alle Deutschen durch die territorialen Eroberungen der Nationalsozialisten im Osten mobilisiert. Hitlers Helferinnen werden als eifrige Verwalterinnen, Räuberinnen, Peinigerinnen und Mörderinnen in den "Bloodlands" präsentiert. Sie hätten beispiellose Macht über die "Untermenschen" ausgeübt. So wird suggeriert, dass es den Nationalsozialisten gelungen sei, in die Tiefenschichten der kollektiven Mentalität vorgedrungen zu sein, und dass sie aus deutschen Frauen willfährige Helferinnen gemacht hätten.

Natürlich gab es fanatische Anhängerinnen des Regimes, weitverbreiteten Antisemitismus und brutale Morde auch von Frauen, aber das Ausmaß wird sich nie beweisen lassen. Wenn Lower vor allem mit 13 Biographien arbeitet, unter denen sich fünf Beispiele für extreme Gewalttätigkeit befinden, stützt sie damit natürlich ihre These. Immer wieder arbeitet sie auch mit Ondits, die auf Zeugenaussagen von überlebenden Opfern beruhen. Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, dass nicht zahllose Deutsche unter den Bedingungen einer Diktatur grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, aber Lower überspitzt, und das ist schade, denn ihre Recherchen würden, emotionsloser präsentiert, absolut und sogar noch stärker überzeugen. Schließlich noch ein kleiner Hinweis: Das Saarland wurde nicht 1935 annektiert, sondern die Saarländer votierten vielmehr mit über 90 Prozent für die Heimkehr ins "Reich" - und das hieß für Hitler-Deutschland.

GABRIELE B. CLEMENS

Wendy Lower: Hitlers Helferinnen. Deutsche Frauen im Holocaust. Carl Hanser Verlag, München 2014. 336 S., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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" Ein sehr lesenswertes, partiell spannendes Buch, das auf enormen Recherchen beruht." Gabriele B. Clemens, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.15

"Das Buch ist eine gut recherchierte und interessante Abhandlung, die nicht nur auf einer breiten Quellenlage beruht, sondern auch flüssig zu lesen ist. Und Lower stellt noch einmal klar, dass Gewalt in Hitlers Deutschland keine Anomalie, sondern vielmehr die Regel war - für Männer, aber eben auch für Frauen." Anna-Lena Sieber, Süddeutsche Zeitung, 22.09.14

"Ein ebenso überfälliges wie erschütterndes Buch. Wer den Holocaust verstehen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei!" Mirko Smiljanic, Deutschlandfunk, 18.08.14

"Wendy Lower leistet einen wichtigen Beitrag... Wie groß die Zahl und wie gross die Schuld der Mittäterinnen war, und was dies für die nachfolgenden Generationen zu bedeuten hat, dürfte jetzt neu diskutiert werden." Sabine Bitter, SRF, 06.11.14