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Am 1. Januar 1933 sah es ganz danach aus, als wäre Hitlers politische Karriere endgültig gescheitert, da sich viele Wähler von ihm abgewandt hatten. "Der gewaltige nationalsozialistische Angriff auf den demokratischen Staat schien abgeschlagen" hieß es in der "Frankfurter Zeitung". Nur dreißig Tage später wurde Hitler Reichskanzler. Wie konnte das geschehen? Henry A. Turner, Professor für Geschichte an der Yale Universität, analysiert hier detailliert eine Episode der deutschen Geschichte, die den Lauf des 20. Jahrhunderts entscheidend verändert hat.

Produktbeschreibung
Am 1. Januar 1933 sah es ganz danach aus, als wäre Hitlers politische Karriere endgültig gescheitert, da sich viele Wähler von ihm abgewandt hatten. "Der gewaltige nationalsozialistische Angriff auf den demokratischen Staat schien abgeschlagen" hieß es in der "Frankfurter Zeitung". Nur dreißig Tage später wurde Hitler Reichskanzler. Wie konnte das geschehen? Henry A. Turner, Professor für Geschichte an der Yale Universität, analysiert hier detailliert eine Episode der deutschen Geschichte, die den Lauf des 20. Jahrhunderts entscheidend verändert hat.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.1997

Kabale und Intrige
Hitlers Weg zur Kanzlerschaft in mikrologischer Betrachtung

Henry A. Turner, Jr.: Hitlers Weg zur Macht. Der Januar 1933. Aus dem Amerikanischen von Enrico Heinemann und Thomas Pfeiffer. Luchterhand Literaturverlag, München 1996. 304 Seiten, 42,- Mark.

Kaum ein Gegenstand deutscher Zeitgeschichte dürfte mehr Interesse auf sich gezogen haben als das zum 30. Januar 1933 führende Geschehen. Ebenso dürfte kaum ein historischer Gegenstand kontroverser interpretiert worden sein als jene Umstände, die zur Machtübertragung auf Hitler führten. Der Grund liegt auf der Hand: Das Datum ragt, einer negativen Ikone gleich, aus dem Fluß der Geschichte - als Bebilderung dessen, was mit dem Wort vom Sonderweg deutscher Geschichte belegt wird.

Henry Turner wirft die Frage auf, ob es so kommen mußte, wie es gekommen ist. Ist ein derartiger Zugriff auf die Vergangenheit erlaubt? Ist es sinnvoll, neben der Wirklichkeit Möglichkeiten mitzubedenken? In Turners spannend gehaltener und genauer Beschreibung der Umstände, die zur Machtübertragung auf Hitler führten, erscheint als eine solche, unverwirklichte Möglichkeit eine Militärdiktatur.

Keine Wunschvorstellung, aber immerhin ein Regime, dem kaum die später von den Nazis verübten Großverbrechen zuzutrauen gewesen wären. Freilich - eine solche Perspektive verstößt gegen die von der Gründungsphase der alten Bundesrepublik ausgehende, demokratietheoretisch geleitete Sicht auf die Endzeit der Weimarer Republik. Damals galt es, den Niedergang der demokratisch-parlamentarischen Institutionen in den Mittelpunkt zu rücken. Weimar wurde zum Lehrstück. Tatsächlich gingen Selbstblockade und Selbstzerstörung der republikanischen Institutionen Weimars der Kanzlerschaft Hitlers voraus. Doch es kamen weitere Umstände hinzu, die durch eine Handvoll im Zentrum der Macht wirkender Personen bestimmt wurden. Von ihren Vorlieben, Abneigungen, Launen und Ränken hing zwar nicht mehr das Schicksal Weimars ab - die Republik schien ohnehin verloren. Aber ob die Macht gerade an Hitler ausgeliefert werden sollte, war längst nicht ausgemacht.

Die Entwicklung deutscher Politik in den Monaten Dezember 1932 und Januar 1933 weist in alle möglichen Richtungen, nur nicht in die einer Kanzlerschaft Hitlers. Zum Jahresende 1932 war die Welle des Zuspruchs, dessen sich die NSDAP seit einigen wenigen Jahren erfreute, deutlich abgeflaut. Die für die Nazis enttäuschend verlaufenen Novemberwahlen ließen in der Partei Protest gegen die von Hitler eingeschlagene Linie des Alles oder Nichts vernehmen. Seine Strategie, ausschließlich die Kanzlerschaft anzustreben und eine bloße Regierungsbeteiligung der NSDAP auszuschlagen, war erfolglos geblieben. Der Partei fehlte jede Kraft, sich in kostspielige Wahlkämpfe zu stürzen. Die Parteikasse war leer. Niedergeschlagenheit machte sich breit. In dieser Phase wurde Hitler von Papen in Stellung gebracht: als Joker in einem Intrigenspiel gegen seinen Intimfeind Schleicher. Es war, wie man weiß und bei Turner bis in die kleinsten Einzelheiten meisterhaft erzählt findet, eine Schmierengeschichte mit tragischem Ausgang.

Dennoch dürfte eine solche Darstellung Widerspruch herausfordern. Manchen mag es enttäuschen, daß "vormoderne" Formen von Kabale und Intrige das Schicksal Deutschlands an einer derart dramatischen Weggabelung entschieden haben sollen. Die Perspektive der Nahsicht auf handelnde Personen und konkrete Umstände macht aber die Erforschung von strukturellen Bedingungen keineswegs überflüssig. Nur ist das eine andere Ebene der Geschichtsdeutung und Geschichtsschreibung.

Grundfalsch wäre es, eins gegen das andere auszuspielen. Daß Papen einerseits Hindenburg eine spätere Beteiligung des Zentrums an einer vom Reichspräsidenten gewünschten, parlamentarisch gestützten Koalitionsregierung vortäuschte, indem er ein Zentralressort unbesetzt ließ, und andererseits Hitler ein Präsidialkabinett in Aussicht stellte, mag ein strukturell orientierte Geschichtsdeutung wenig beeindrucken. Doch es ist nun einmal so, daß dieses Manöver gelang und folgenschwere Wirkungen hatte. Das führt von der mikrologisch gehaltenen Geschichtserzählung ins weite Feld umfassender historischer Befunde. DAN DINER

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