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Rosalies Mutter arbeitet in der Kaufhalle am Imbissstand, hat früher mit Autos gehandelt und weiß, was man drehen kann und was man besser lassen muss. Sie wird bald sechzig und Faisals Frau. Rosalie lernt den neuen Geliebten ihrer Mutter beim Schweinebraten auf dem Balkon über der Schnellstraße kennen: Faisal, der den Islam predigt, illegal in Deutschland ist, einen kleinen Überbiss und eine große Familie hat. Dann bekommt Rosalie einen dicken Bauch, aber nicht von ihrem Geliebten, dem Finanzhai. Jule lernt Gunnar kennen, als ihr Wagen bei den Schären von Västervik liegen bleibt. Jule geht mit…mehr

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Produktbeschreibung
Rosalies Mutter arbeitet in der Kaufhalle am Imbissstand, hat früher mit Autos gehandelt und weiß, was man drehen kann und was man besser lassen muss. Sie wird bald sechzig und Faisals Frau. Rosalie lernt den neuen Geliebten ihrer Mutter beim Schweinebraten auf dem Balkon über der Schnellstraße kennen: Faisal, der den Islam predigt, illegal in Deutschland ist, einen kleinen Überbiss und eine große Familie hat. Dann bekommt Rosalie einen dicken Bauch, aber nicht von ihrem Geliebten, dem Finanzhai.
Jule lernt Gunnar kennen, als ihr Wagen bei den Schären von Västervik liegen bleibt. Jule geht mit Gunnar angeln, sie haben Sex hinter einem Busch, und es riecht und klebt wie Erdbeereis. Gunnar, der eine Frau mit leicht vorgeschobenen Entenlippen und ein flachsblondes Kind hat, schreibt bei einem großen schwedischen Möbelkonzern Bauanleitungen: "Insert B into A. Use C as a handle." Aber Jules Mittsommer dauert nicht ewig.
So und anders sind die Geschichten von Maike Wetzel; i mmer ist es die Liebe oder so etwas. Ihre Figuren begegnen sich, hier und dort, haben sich, wollen sich, wollen sich nicht, wollen ein bißchen, kürzer, länger, einfach oder kompliziert. Es ist Spiel und doch ganz ernst. Geschichten, die am Anfang nicht anfangen und am Ende nicht aufhören, rastlos durch die Gegend streifen, beiläufig dem Leben folgen. Ungerührt komisch, mit lustiger Verzweiflung, manchmal hart und rauh, manchmal melancholisch.
Autorenporträt
Maike Wetzel, geboren 1974, Studium an der Filmhochschule in München, Regie-Führung und Drehbücher zu mehreren Kurzfilmen und Reportagen. 2000 Veröffentlichung eines Erzählungsband, der mehrfach ausgezeichnet wurde. Die Autorin lebt und arbeitet als freie Journalistin und Schriftstellerin in Berlin und München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2000

Kleine Welt, große Energien
Von der Leere blauer Müllsäcke: Die Erzählerin Maike Wetzel

Maike Wetzel ist eine Autorin, die Neidern viel Angriffsfläche bietet. 1974 geboren, wurde sie 1997 die jüngste Preisträgerin des Bettina-von-Arnim-Preises. Sie war Stipendiatin beim Klagenfurter Literaturkreis und erhielt eine Reihe literarischer Förderpreise und Auszeichnungen. Bereits nach ihrem ersten Erzählband wird sie von manchen mit Judith Hermann verglichen.

Maike Wetzels Kurzgeschichten-Sammlung "Hochzeiten" bezieht große Energie daraus, dass sie von kleinen Welten handelt. Es geht um junge Leute in der Kneipe, den neuen Freund der Mutter, die Schwester, Wohngemeinschaften oder Möbel, die "Billy" und "Ivar" heißen. Die Dreiecksbeziehung in "Einmal Schweden" etwa ist genauso unauffällig und zweckmäßig wie die Abhol-Kommoden, für die Gunnar, der Protagonist, die Bau-Anleitungen schreibt: "Insert B into A. Use C as a handle". Nichts Bedeutungsvolles haftet seiner Affäre mit Jule im Schweden-Urlaub an, nur der Sex "roch und klebte wie Erdbeereis". Gunnar ist verheiratet mit Astrid, Jule schlaksig und ohne Job. Bald bricht die kurze Beziehung auch wieder auseinander wie die Bretter eines Abhol-Bettes, sobald man die Schrauben herausgezogen hat. "Sie wollte ein anderes Spiel vorschlagen, aber ihr fiel keines mehr ein." Das Leben ist ein ruhiger Fluss, die Liebe ein Gesellschaftsspiel für drei Personen, das in der beigepackten Anleitung viel aufregender geklungen hat.

Auch in der Erzählung "Der König" geht es um den Alltag von nebenan. Protagonist ist der Nachbar, von jenem archaisch-onkelhaften Typus, wie er wohl bei den meisten in irgendwelchen Filtern von Kindheitserinnerungen hängen geblieben ist. Der König, wie ihn die Erzählerin und ihre Schwester nennen, ist U-Bahn-Führer und liebt seinen Swimming-Pool. Im Garten pflegt er die Blumen, nachts trinkt er. Er lädt gerne Kinder zu sich ein, um ihnen den Garten und den Keller zu zeigen. Eines Tages ist die Schwester verschwunden.

Zart, aber unerbittlich kratzt Maike Wetzel jedem Idyll Schicht für Schicht den Lack ab. Jede intakte Welt leuchtet sie so lange an, bis die komplizierten Muster und Gebrauchsanweisungen zum Vorschein kommen, die ihr zugrunde liegen. "Faisal hatte einen Überbiss und eine große Familie, die er verlassen hatte, um hier im Norden Geschäfte zu machen", sagt eine Rosalie über den neuen Geliebten der Mutter.

Nichts Deutendes liegt in Wetzels Sprache, keine narrativen Schnörkel, keine Langatmigkeit, die das Erzähltempo gefährden könnte. Über dem Mädchen, das zur Love Parade nach Berlin fährt und im Ecstasy-Rausch von einem Club in den nächsten wankt, ist "die Leere schon wie ein blauer Müllsack". Sie weiß: "Um mich umzubringen, muss ich auf die Fahrbahn rennen." Eine andere Erzählerin sagt: "Meine Jugend klebt an mir wie Honig." Da fällt kein Wort zu viel. Wetzels Welt ist alles, was der Halbsatz ist. Aber diese Sätze sind wie kleine Widerhaken: Irgendwann sind es so viele, dass sich jede Welt damit aus den Angeln heben lässt.

VERENA MAYER

Maike Wetzel liest heute Abend, 20 Uhr, in der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg, sowie am 13. April um 20 Uhr in der Buchhandlung Herschel, Anklamer Straße 38, Mitte.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Autorin, "Jahrgang 1974", gehöre zu jener jungen Schriftstellerriege, "die Kritiker und andere Leser fortgeschrittenen Alters zu Jugendforschern und Generationsethnologen hat werden lassen", meint Hubert Spiegel. Freilich muß er vorher auch erst mal das Vokabular auffahren, das einen heutzutage als voll integriert in zeitgenössische Diskurse ausweist. Wetzels Buch findet er dann aber gar nicht schlecht. Die Autorin könne nämlich "ohne viele Worte zu verlieren" Situationen und Charaktere umreißen und Atmosphäre herstellen. Besonders die Erzählung "Nachsaison" gefällt ihm sehr. Am Ende kehrt das Misstrauen zurück. Bücher dieser Generation lese man eigentlich nicht, sondern halte sie eher gegen das Licht: in der Hoffnung, ein Stück Lebensgefühl darin eingeschlossen zu finden. Und auch - ein Stück Jugend. Als könne ein Buch etwas für seine Leser.

© Perlentaucher Medien GmbH