Lift-Talk und Flur-Funk: Nach ihren Chefs nimmt die Bestsellerautorin und Chefsekretärin Katharina Münk nun die ganze Firma ins Visier. In den Wievielten möchten Sie? - Für viele beginnt der Tag mit dieser Frage, und dann wird man ausgebremst, angerempelt, ausgefragt, angeschwiegen - über alle Abteilungsebenen hinweg. Im vollbesetzten Fahrstuhl kann man so viele Fehler machen, eine gute Figur oder einen schlechten Eindruck. Unausweichlich und gnadenlos. Man sieht und erfährt Dinge, von denen man gar nichts wissen wollte: "Frau Münk, ich hab' da was gehört!" Blank polierter Edelstahl, gnadenlos grelles Oberlicht, ein Geruchs-Bouquet aus zu viel Aftershave und Parfums, die nicht so riechen wie sie heißen. Hier hat das Humankapital Gesichter, dicke Bäuche und spitze Absätze. Und hier muss auch der auf Abstand bedachte Penthouse Director durch. Katharina Münks scharfe Beobachtungen führen aus der Chefetage mitten in die pralle Firmenwelt. In den Aufzügen, auf den Fluren und an den Kopierern der Bürohochhäuser tun sich so manche Abgründe auf. Hier finden sich nicht nur Sekretärinnen wieder ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2007Der Feind in meinem Büro
Bücher über Kollegen und Chefs sind die Mode der Saison
VON BETTINA WEIGUNY
Buchautoren haben ein neues Lieblingsthema: den Irrwitz am Arbeitsplatz. In zahlreichen Büchern liefern sich frustrierte Mitarbeiter und neurotische Chefs ein skurriles Gefecht. Sie mobben, lügen und sabotieren. Sie winseln, schwindeln und heucheln. Jeder intrigiert gegen jeden. Oben gegen unten, unten gegen oben.
Wer je gehofft hat, das Büro sei ein netter Ort der Betriebsamkeit, den belehrt die Lektüre eines Besseren: Büro heißt Kampf um Anerkennung und Macht. Und diesem Kampf widmen sich die Autoren auf unterschiedliche Weise - mit humorvoller Analyse, psychologischer Sektion oder hinterhältiger Phantasie.
Spätestens seit eine Chefsekretärin unter dem Pseudonym Katharina Münk im vergangenen Herbst in ihrem Bestseller "Und morgen bringe ich ihn um" ausgepackt hat, was für Ungeheuerlichkeiten sie in den Führungsetagen erlebt hat, sind die Bürotitel sichere Verkaufsschlager. Einer nach dem anderen erklimmt die Spitze der Bestsellerlisten.
Die Führungskräfte sind die Zielscheibe. Bücher wie "Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?" von Margit Schönberger und Susanne Reinkers Bestseller "Rache am Chef" sind geschrieben aus dem Blickwinkel frustrierter Mitarbeiter. Susanne Reinker beziffert in ihrer sozioökonomischen Betrachtung den Schaden, den die "Katastrophenchefs" anrichten. Mehr als 200 Milliarden Euro, so schreibt sie, werden jedes Jahr in deutschen Betrieben vernichtet durch Unproduktivität, mangelnde Loyalität der Mitarbeiter, Arbeit-nach-Vorschrift-Mentalität, Diebstahl oder gezielte Sabotage, durch Verbreitung von Viren oder Spam-Mails. So nämlich rächen sich die einfachen Angestellten an ihren unfähigen, neurotischen Chefs.
Der Buchtrend kommt, mal wieder, aus Amerika, wo sich renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen seit Jahren den Büroalltag vorgeknöpft haben. So hat "Der Arschloch-Faktor" des Management-Professors Robert Sutton nicht nur wegen des provokanten Titels für Aufsehen gesorgt. Der Verkaufsschlager ist eine Abrechnung mit den Vorstands-Egomanen, die effiziente Arbeit verhindern.
Ebenso vernichtend ist das Urteil der beiden Psychologen Paul Babiak und Robert Hare in "Menschenschinder oder Manager": Beinahe jeder zehnte Spitzenmanager in Amerika, so warnen die Psychologen, sei ein Psychopath, der täusche, manipuliere und trickse. Beide Bücher sind in zahlreichen Ländern die Zugpferde der Verlage. "Der Arschloch-Faktor" ist beim Hanser Verlag einer der meistverkauften Titel der vergangenen Jahre.
Jetzt legt der Schweizer Psychologe Gerhard Dammann nach mit "Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage", einer Analyse deutscher Manager. Seiner Meinung nach handelt es sich hierzulande weniger um Psychopathen (den Titel behält er dem Baulöwen Jürgen Schneider vor) als um Narzissten. "Es sind Irre, die anderen permanent beweisen müssen, dass sie unverletzbar und furchtlos sind", erklärt der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen am Bodensee. Deshalb preschen sie mit Tempo 330 über deutsche Autobahnen oder steigen in Kampfjets. Den Guten unter den Narzissten hält der Schweizer zumindest für sehr produktiv. Despotisch, teamunfähig und rücksichtslos seien sie alle, die Nacheiferer von José López, dem legendären und umstrittenen VW-Sanierer.
Inzwischen hat es der Bürowahnsinn sogar in die Literatur geschafft. Die preisgekrönte Schriftstellerin Annette Pehnt erzählt in ihrem neuesten Roman "Mobbing" die entwürdigende Geschichte von Jo, einem Angestellten der Stadtverwaltung, der von seiner Chefin und seinen Kollegen aus dem Job gedrängt wird, und wie daran seine behütete Existenz - samt Frau, Kindern, Reihenhaus und Konzertabo - zerbricht. Was das Thema so beliebt macht, ist leicht ersichtlich: 18 Millionen Menschen betreten tagtäglich ein Büro in Deutschland. Jeder davon sammelt zwangsweise seine eigenen Erfahrungen mit Intrigen, Eitelkeiten oder gezielter Demontage durch die lieben Kollegen. "Der Reiz der Bücher ist das Déjà-vu", sagt Eichborn-Lektorin Waltraud Berz, die die Chefsekretärin Katharina Münk als Autorin entdeckt hat.
Münk legt jetzt ein zweites Buch zum Thema vor. "Höhenflüge und Höllenfahrten. Was eine Chefsekretärin im Fahrstuhl erlebt" skizziert humorvoll die peinlichen Auftritte der Bosse aus der Sicht der Sekretärin, die mit Haut und Haaren im Dienste ihres Chefs steht. Münk beschreibt sie als eine Art Leibeigene ohne Privatleben, die die Arbeit des Vorstandes ebenso reibungslos zu organisieren hat wie das Privatleben von dessen gesamter Familie. Sie erledigt alles - akkurat, stillschweigend und voller Fassungslosigkeit ob all der Indiskretionen, Kindlichkeiten und Selbstgefälligkeiten der hochbezahlten Führungskräfte.
Nicht alle Leser übrigens finden die Bürobücher witzig. Katharina Münk ist mehrfach verrissen worden. Eitel sei sie, geschwätzig, selbstverliebt und arrogant. Gar nicht so unähnlich den von ihr geschilderten Despoten.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bücher über Kollegen und Chefs sind die Mode der Saison
VON BETTINA WEIGUNY
Buchautoren haben ein neues Lieblingsthema: den Irrwitz am Arbeitsplatz. In zahlreichen Büchern liefern sich frustrierte Mitarbeiter und neurotische Chefs ein skurriles Gefecht. Sie mobben, lügen und sabotieren. Sie winseln, schwindeln und heucheln. Jeder intrigiert gegen jeden. Oben gegen unten, unten gegen oben.
Wer je gehofft hat, das Büro sei ein netter Ort der Betriebsamkeit, den belehrt die Lektüre eines Besseren: Büro heißt Kampf um Anerkennung und Macht. Und diesem Kampf widmen sich die Autoren auf unterschiedliche Weise - mit humorvoller Analyse, psychologischer Sektion oder hinterhältiger Phantasie.
Spätestens seit eine Chefsekretärin unter dem Pseudonym Katharina Münk im vergangenen Herbst in ihrem Bestseller "Und morgen bringe ich ihn um" ausgepackt hat, was für Ungeheuerlichkeiten sie in den Führungsetagen erlebt hat, sind die Bürotitel sichere Verkaufsschlager. Einer nach dem anderen erklimmt die Spitze der Bestsellerlisten.
Die Führungskräfte sind die Zielscheibe. Bücher wie "Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?" von Margit Schönberger und Susanne Reinkers Bestseller "Rache am Chef" sind geschrieben aus dem Blickwinkel frustrierter Mitarbeiter. Susanne Reinker beziffert in ihrer sozioökonomischen Betrachtung den Schaden, den die "Katastrophenchefs" anrichten. Mehr als 200 Milliarden Euro, so schreibt sie, werden jedes Jahr in deutschen Betrieben vernichtet durch Unproduktivität, mangelnde Loyalität der Mitarbeiter, Arbeit-nach-Vorschrift-Mentalität, Diebstahl oder gezielte Sabotage, durch Verbreitung von Viren oder Spam-Mails. So nämlich rächen sich die einfachen Angestellten an ihren unfähigen, neurotischen Chefs.
Der Buchtrend kommt, mal wieder, aus Amerika, wo sich renommierte Wirtschaftswissenschaftler und Psychologen seit Jahren den Büroalltag vorgeknöpft haben. So hat "Der Arschloch-Faktor" des Management-Professors Robert Sutton nicht nur wegen des provokanten Titels für Aufsehen gesorgt. Der Verkaufsschlager ist eine Abrechnung mit den Vorstands-Egomanen, die effiziente Arbeit verhindern.
Ebenso vernichtend ist das Urteil der beiden Psychologen Paul Babiak und Robert Hare in "Menschenschinder oder Manager": Beinahe jeder zehnte Spitzenmanager in Amerika, so warnen die Psychologen, sei ein Psychopath, der täusche, manipuliere und trickse. Beide Bücher sind in zahlreichen Ländern die Zugpferde der Verlage. "Der Arschloch-Faktor" ist beim Hanser Verlag einer der meistverkauften Titel der vergangenen Jahre.
Jetzt legt der Schweizer Psychologe Gerhard Dammann nach mit "Narzissten, Egomanen, Psychopathen in der Führungsetage", einer Analyse deutscher Manager. Seiner Meinung nach handelt es sich hierzulande weniger um Psychopathen (den Titel behält er dem Baulöwen Jürgen Schneider vor) als um Narzissten. "Es sind Irre, die anderen permanent beweisen müssen, dass sie unverletzbar und furchtlos sind", erklärt der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen am Bodensee. Deshalb preschen sie mit Tempo 330 über deutsche Autobahnen oder steigen in Kampfjets. Den Guten unter den Narzissten hält der Schweizer zumindest für sehr produktiv. Despotisch, teamunfähig und rücksichtslos seien sie alle, die Nacheiferer von José López, dem legendären und umstrittenen VW-Sanierer.
Inzwischen hat es der Bürowahnsinn sogar in die Literatur geschafft. Die preisgekrönte Schriftstellerin Annette Pehnt erzählt in ihrem neuesten Roman "Mobbing" die entwürdigende Geschichte von Jo, einem Angestellten der Stadtverwaltung, der von seiner Chefin und seinen Kollegen aus dem Job gedrängt wird, und wie daran seine behütete Existenz - samt Frau, Kindern, Reihenhaus und Konzertabo - zerbricht. Was das Thema so beliebt macht, ist leicht ersichtlich: 18 Millionen Menschen betreten tagtäglich ein Büro in Deutschland. Jeder davon sammelt zwangsweise seine eigenen Erfahrungen mit Intrigen, Eitelkeiten oder gezielter Demontage durch die lieben Kollegen. "Der Reiz der Bücher ist das Déjà-vu", sagt Eichborn-Lektorin Waltraud Berz, die die Chefsekretärin Katharina Münk als Autorin entdeckt hat.
Münk legt jetzt ein zweites Buch zum Thema vor. "Höhenflüge und Höllenfahrten. Was eine Chefsekretärin im Fahrstuhl erlebt" skizziert humorvoll die peinlichen Auftritte der Bosse aus der Sicht der Sekretärin, die mit Haut und Haaren im Dienste ihres Chefs steht. Münk beschreibt sie als eine Art Leibeigene ohne Privatleben, die die Arbeit des Vorstandes ebenso reibungslos zu organisieren hat wie das Privatleben von dessen gesamter Familie. Sie erledigt alles - akkurat, stillschweigend und voller Fassungslosigkeit ob all der Indiskretionen, Kindlichkeiten und Selbstgefälligkeiten der hochbezahlten Führungskräfte.
Nicht alle Leser übrigens finden die Bürobücher witzig. Katharina Münk ist mehrfach verrissen worden. Eitel sei sie, geschwätzig, selbstverliebt und arrogant. Gar nicht so unähnlich den von ihr geschilderten Despoten.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Restlos klar wird in dieser Rezension nicht, warum Melanie Mühl dieses Buch der unter dem Pseudonym Katharina Münk bestsellernden Vorstandssekretärin gerne gelesen hat. Die Furcht vor einer peinlichen Liftsituation, die die Rezensentin künftig lieber die Treppe nehmen lässt, wird es kaum sein. Wenn wir Mühl glauben, ist das jedoch ein wesentlicher Effekt, den die hier aufgezeichneten Erlebnisse der einstigen Chefsekretärin im Fahrstuhl auf sie ausgeübt haben. Gelernt hat sie nämlich dies: Im Lift erscheinen die "sozialen Regeln" des Mit- und Gegeneinanders einer x-beliebigen Firma wie unter dem Vergrößerungsglas.
© Perlentaucher Medien GmbH
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