Wojciech Kuczok arbeitet seit Jahren als Filmkritiker, an der Verfilmung seines preisgekrönten Erfolgsromans Dreckskerl war er als Kameramann und Drehbuchautor beteiligt. Nun widmet er sich in fünfzehn Essays Filmen, die an Tabus rühren und die Schwelle des Erträglichen überschreiten. Von Pasolini bis Haneke, von Lars von Trier bis Greenaway folgt er der Spur des Bösen in den Bildern. Im anarchischen Impuls eines Pasolini oder Noé, in der antimoralischen Geste sieht er einen Akt der künstlerischen Souveränität, die sich einzig dem Willen zur Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlt. Leidenschaftlich verdichtet Kuczok das Nachdenken über die Höllenfahrten im Kino zu Parabeln über elementare Themen wie Liebe, Sexualität und Tod.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2008Höllisch
Die Hölle sind nicht nur die anderen, wie noch bei Jean-Paul Sartre. Für den polnischen Filmkritiker Wojciech Kuczok ist das Kino der Ort, an dem sich die Hölle der modernen Gesellschaft zu konzentrischen Kreisen des Bösen zusammenschließt. Kuczok ist auf der Suche nach Filmen, die weh tun. Seine Verachtung gilt der Trivialisierung im zeitgenössischen Unterhaltungskino, die sich nur nach den "Gründen des Marktes" richtet. Das Popkino, so legt der Autor dar, flieht vor einer existentiellen Bearbeitung von Themen wie Schmerz und Tod. Es fährt einen "höllischen Ideenreichtum" auf, um "die Massen einer kollektiven Hypnose" zu unterziehen. Aber für Kuczok gibt es auch noch das wahre Kino, das er ein Kino der Berührung nennt, in dem alle Abscheulichkeiten des Lebens gezeigt werden. Die Hölle offenbart sich demnach in Béla Tarrs "Familiennest" als ein familiäres Fiasko oder im eklektizistisch-akustischen Moloch von Peter Greenaways "Bettlektüre". Hier quält das Kino, stößt ab und greift ein. Man täusche sich nicht: Kuczok ist kein Hassender, sondern ein Hoffender. Indem er die Hölle ausmalt, beschwört er einen Himmel auf Erden. (Wojciech Kuczok: "Höllisches Kino". Über Pasolini und andere. Aus dem Polnischen von Gabriele Leupold und Dorota Stroinska. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 138 S., br., 9,- [Euro].) mith
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Die Hölle sind nicht nur die anderen, wie noch bei Jean-Paul Sartre. Für den polnischen Filmkritiker Wojciech Kuczok ist das Kino der Ort, an dem sich die Hölle der modernen Gesellschaft zu konzentrischen Kreisen des Bösen zusammenschließt. Kuczok ist auf der Suche nach Filmen, die weh tun. Seine Verachtung gilt der Trivialisierung im zeitgenössischen Unterhaltungskino, die sich nur nach den "Gründen des Marktes" richtet. Das Popkino, so legt der Autor dar, flieht vor einer existentiellen Bearbeitung von Themen wie Schmerz und Tod. Es fährt einen "höllischen Ideenreichtum" auf, um "die Massen einer kollektiven Hypnose" zu unterziehen. Aber für Kuczok gibt es auch noch das wahre Kino, das er ein Kino der Berührung nennt, in dem alle Abscheulichkeiten des Lebens gezeigt werden. Die Hölle offenbart sich demnach in Béla Tarrs "Familiennest" als ein familiäres Fiasko oder im eklektizistisch-akustischen Moloch von Peter Greenaways "Bettlektüre". Hier quält das Kino, stößt ab und greift ein. Man täusche sich nicht: Kuczok ist kein Hassender, sondern ein Hoffender. Indem er die Hölle ausmalt, beschwört er einen Himmel auf Erden. (Wojciech Kuczok: "Höllisches Kino". Über Pasolini und andere. Aus dem Polnischen von Gabriele Leupold und Dorota Stroinska. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 138 S., br., 9,- [Euro].) mith
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