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Ob man mit Pegiden und AfDlern reden kann? Ganz eindeutig: Nein! Man muss!
Frank Richter
Der Theologe Frank Richter war einer der maßgeblichen Akteure der Friedlichen Revolution in der DDR. Auch im wiedervereinigten Deutschland wurde er bekannt als Vermittler zwischen verhärteten Fronten. Seit die PEGIDA -Bewegung 2014 Dresden, Sachsen und Deutschland spaltet, setzt er sich für Gespräche mit der Führung und den Unterstützern der Bewegung ein. Seine Streitschrift vermittelt, dass und wie die Spirale der Eskalation nur durch Kommunikation angehalten werden kann. Das allgemein verbreitete…mehr

Produktbeschreibung
Ob man mit Pegiden und AfDlern reden kann? Ganz eindeutig: Nein! Man muss!

Frank Richter

Der Theologe Frank Richter war einer der maßgeblichen Akteure der Friedlichen Revolution in der DDR. Auch im wiedervereinigten Deutschland wurde er bekannt als Vermittler zwischen verhärteten Fronten. Seit die PEGIDA -Bewegung 2014 Dresden, Sachsen und Deutschland spaltet, setzt er sich für Gespräche mit der Führung und den Unterstützern der Bewegung ein. Seine Streitschrift vermittelt, dass und wie die Spirale der Eskalation nur durch Kommunikation angehalten werden kann. Das allgemein verbreitete Unverständnis, der Gegenseite zuzuhören , tragfähige Kompromisse auszuhandeln und sich am Gemeinwohl zu orientieren, führen deutschlandweit zu neuen Spaltungen.

2017 zog mit der AfD erstmals eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag ein. In Sachsen wurde sie zur stärksten politischen Kraft. Die Folgen davon gehen alle an und sind noch nicht absehbar.
In seiner Streitschrift erklärt Richter das Erstarken der Rechten in den "neuen Bundesländern", indem er eigene Erfahrungen über den Dialog mit den "Wutbürgern" einbringt. Wut kann zur konstruktiven Kraft werden, die von blindem Hass zu unterscheiden ist. Richter zeigt, worauf es ankommt: Konzentriert zuhören. Keine Angst vor Konflikten. Offen für Emotionen. Die Demokratie verteidigen.
Autorenporträt
Richter, Frank§Frank Richter ( 20. April 1960 in Meißen) ist ein deutscher Theologe und seit dem 1. Februar 2017 in der Geschäftsführung der Stiftung Frauenkirche in Dresden. In der Friedlichen Revolution in der DDR wurde er als Gründer der Gruppe der 20 in Dresden bekannt. Auf Vorschlag des sächsischen Kultusministeriums war Richter von 2009 bis Anfang 2017 Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018

Besorgter Bürger
Frank Richters seltsame Streitschrift
Ein kluger Mann, der sich viele Verdienste um die politische Kommunikation erworben hat, geht im September 2017 auf eine Wahlkampfveranstaltung. Zu sehen bekommt er eine „müde und traurig wirkenden Frau“. Er erlebt eine „Antiwahlkampf-Wahlkampfrede“ und am Ende „fühlte ich mich intellektuell beleidigt“. Das alles ist nur als Exkurs geschildert in Frank Richters Streitschrift „Hört endlich zu“. Aber er setzt einen Ton in dem kleinen Büchlein, der doch sehr verwundert. Womöglich liegt die Darbietung dieser Merkel-Episode auch daran, dass Richter einen Monat zuvor aus der CDU ausgetreten war – unter anderem wegen des Mangels an offener Streitkultur. Doch Enttäuschung allein reicht hierfür als Erklärung nicht.
Der Theologe Richter hat sich bundesweit Respekt erworben, als er in der Hochphase von Pegida auf Dialog setzte und als Direktor der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung Menschen mit einander in Kontakt brachte, die sich eigentlich nichts zu sagen hatten. Richter hat recht, wenn er moniert, dass politische Ferndiagnosen aus Berlin („Schande für Deutschland“, „Pack“, „Hass in den Herzen“) das Problem nicht lösen werden, das offensichtlich besteht. Richter hat auch ein gutes Gespür für die ostdeutsche Seele und die Wunden, die nun Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung offenbar werden. Als Gründer der „Gruppe der 20“ in Dresden während der friedlichen Revolution hätte er natürlich lieber eine umfassende und nachhaltige Demokratisierung der Gesellschaft der DDR aus sich heraus präferiert. Doch anstatt das genauer zu analysieren, kommen Sätze wie diese: „Wie eine Furie zog der Neoliberalismus übers Land und hinterließ eine Schneise geistiger Verwüstung.“ Spätestens hier wird es problematisch, weil die Wortwahl – er schreibt auch mehrmals „Anschluss“, wenn er den Beitritt der ehemaligen DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes meint – doch in eine Richtung weist, die die im Munde führen, die man ja eigentlich (zurück)gewinnen will für die demokratische Teilhabgesellschaft.
Das Hauptproblem an dem Buch aber ist, dass Richter gar nicht genau sagt, wer eigentlich wem zuhören soll. Die Problembeschreibung ist dergestalt, dass sie in einigen Teilen auch Anhänger der sogenannten nationalen Opposition goutieren würden. Mehrfach ist vom „Staatsversagen“ die Rede. Parteien wirken auf den Autoren wie „ein Kartell der politischen Meinungs- und Willensbildung“. Die Menschen, um die es geht, werden einmal „besorgte Bürger“ genannt. Nur am Rande ist noch die Rede von Pegida, die AfD kommt selten vor.
Richters Rezept? Eine Diskussion über eine neue gesamtdeutsche Verfassung regt er an. Und dass blockierte Prozesse allseitig akzeptierte Moderatoren brauchen. Frank Richter wird da womöglich nicht mehr dazugehören.
ROBERT PROBST
Frank Richter: Hört endlich zu! Weil Demokratie Auseinandersetzung bedeutet. Ullstein Berlin, 2018. 96 Seiten, 10 Euro. E-Book 9,99 Euro.
Der Autor hat ein Gespür
für die ostdeutsche Seele,
doch die Wortwahl irritiert
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2018

Zuhören statt ignorieren
Der Theologe Frank Richter sieht die Demokratie in Gefahr

Frank Richter zählt zweifellos zu den Experten, wenn es um schwierige Gespräche geht. Als etwa Pegida in Sachsen immer mehr Zulauf gewann, holte er, damals Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Anhänger und Gegner an einen Tisch. Das wäre auch Aufgabe von Politikern gewesen, doch die meisten, egal ob in der Regierung oder Opposition, taten genau das nicht, im Gegenteil: Viele ignorierten die Zehntausende Menschen auf der Straße, andere belehrten und diffamierten sie aus der Ferne. Als Sigmar Gabriel an einem der Dialoge in Dresden als Zuhörer teilnahm, fand hinterher ein Eiertanz statt: Der damalige SPD-Vorsitzende und Vize-Kanzler musste vor seiner Partei erklären, an der Veranstaltung "privat" teilgenommen zu haben. Dabei hatte Gabriel nur getan, was Politiker in solchen Lagen tun sollten: sich informieren und vor allem zuhören.

Genau darum geht es Richter in seinem eben erschienenen Buch. Auf 90 Seiten mit dem plakativen Titel "Hört endlich zu!" schildert der Theologe, warum er die Demokratie in Deutschland in Gefahr sieht und weshalb Gespräch und Dialog ein Weg sein können, dieser Gefahr zu begegnen. Richter hat diese Erfahrung verinnerlicht, seit er als junger Kaplan am 8. Oktober 1989 in Dresden aus einer von der DDR-Volkspolizei eingekesselten Menge oppositioneller Demonstranten heraus das Gespräch mit dem Polizeiführer suchte und so half, eine Eskalation zu verhindern. Auch wenn die Motive der Demonstranten damals andere waren als heute derer, die zu Pegida gehen, ist das für Richter kein Grund, sie "abzukanzeln", wie das etwa die Bundeskanzlerin in ihrer damaligen Neujahrsansprache ("Folgen Sie denen nicht!") getan habe. Das habe die Menschen erst recht zu Pegida getrieben, schreibt Richter. "Die richtigen Leute gerieten in die falschen Hände."

Zugleich konstatiert er heute eine erheblich gestörte Kommunikation auf vielen Ebenen: "Am nachhaltigsten hat mich erschüttert, wie viele Menschen öffentlich davon sprachen, dass Politiker ihnen ja sowieso nicht zuhören und sie in Ämtern und Behörden von oben herab behandelt würden." Das erinnere viele an die DDR.

Man kann aus Richters Buch lernen, woher die Skepsis und bisweilen Ablehnung der heutigen Bundesrepublik im Osten herrührt. Er spricht Tabus an, etwa, dass die friedliche Revolution "nur von einer Minderheit der DDR-Bürger vollzogen" wurde, während die Mehrheit sie "mehr oder weniger über sich ergehen" ließ; noch wichtiger aber scheint zu sein, dass sie in einem, freilich selbstgewählten, "Beitritt" mündete, deshalb "unvollendet" blieb und so eine "tiefgreifende Demokratisierung der Gesellschaft" ausblieb. Bevor die Menschen, die sich gerade selbst ermächtigten, von dieser Selbstermächtigung Gebrauch machen konnten, wurden sie schon wieder von einem anderen, vielfach als fremd wahrgenommenen System und seinen Vertretern regiert.

Allerdings entlässt Richter auch die Bürger nicht aus der Verantwortung, sondern attestiert ihnen ein oft "mangelhaftes Verständnis der Funktionsweise unserer gesellschaftlichen und politischen Ordnung". Streit gelte vielen als schlecht, die konstruktive Rolle der Opposition werde "nicht verstanden, nicht ausgehalten, nicht gewollt". Sich abzuwenden sei jedoch keine Lösung, schreibt Richter. "Wer nicht wählt, wird auch regiert."

Auch er sieht heute manche Parallele zur DDR. War es damals der propagierte "Fortschritt", gegen den man schlechterdings nichts haben konnte, sind es heute "Wachstum" und "Globalisierung", die als unausweichlich gälten und nicht hinterfragt würden. Richter nennt sie "Totschlagargumente, Floskeln, Mythen", gegen die gerade Ostdeutsche genauso allergisch seien wie einem Politikbetrieb gegenüber, der sich "in einem Raumschiff abspielt und Alternativlosigkeiten propagiert".

Hier hätte freilich ein Hinweis gut getan, dass es im Osten bis heute eine DDR-Tradition gibt, für nahezu alles, was schief läuft, "das System" verantwortlich zu machen und zugleich darüber zu klagen, nichts machen zu können. Diese Ausrede aber zählt heute nicht mehr, schon gar nicht in Deutschland, wo man - im Gegensatz etwa zu Frankreich oder den Vereinigten Staaten - keiner Elite angehören muss, um Bundeskanzler oder -präsident zu werden.

Richter empfiehlt der Politik wie den gesellschaftlichen Akteuren, sich den Problemen zu stellen, darüber auf offener Bühne zu diskutieren und zugleich "die Prinzipien unseres demokratischen Gemeinwesens offensiv zu verteidigen". Zugleich wendet er sich gegen vorschnelle Distanzierungen und Sprechverbote. "Glaubhaft kann ich nur demjenigen widersprechen, mit dem ich zuvor ins Gespräch gekommen bin", schreibt er. "Wer von vornherein weiß, mit wem er - aus welchen Gründen auch immer - nicht sprechen kann oder darf, irrt möglicherweise oder verschenkt eine Chance, seiner Auffassung Geltung zu verschaffen." Es gehe darum, sich aufeinander einzulassen, mit Gelassenheit und Geduld, und für den Fall, dass man nicht überzeugen kann, müsse man das: aushalten.

Die AfD etwa, sagt Richter häufig, stelle manche richtige Frage, gebe dann aber entweder keine oder falsche Antworten. Gerade das aber werde im Dialog deutlich. Richter selbst jedenfalls hat sich jetzt entschlossen, seine Erkenntnisse auch praktisch anzuwenden. Im September will er für ein überparteiliches Bündnis als Oberbürgermeister in seiner Geburtsstadt Meißen kandidieren.

STEFAN LOCKE

Frank Richter: Hört endlich zu!, Ullstein Berlin 2018, 95 Seiten, 10 Euro.

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