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In seinem neuen Roman erzählt Peter Härtling von E.T.A. Hoffmann und dessen Bamberger Jahren, als der vielseitig begabte romantische Künstler Julia, das Urbild seiner Kindfrauen, kennenlernte, um ihr zu verfallen. Ein mit hoher Intensität geschriebener, kühn komponierter Roman.
Fünf Jahre verbrachte der Musiker, Komponist, Maler, Schriftsteller und Richter E.T.A. Hoffmann (1776-1822) in Bamberg, als Theaterkapellmeister, Direktionsgehilfe und vieles mehr, ein irrlichternder Geist und Erotiker in mitunter quälenden, provinziell engen Verhältnissen. Umrahmt von der Vor- und Nachgeschichte…mehr

Produktbeschreibung
In seinem neuen Roman erzählt Peter Härtling von E.T.A. Hoffmann und dessen Bamberger Jahren, als der vielseitig begabte romantische Künstler Julia, das Urbild seiner Kindfrauen, kennenlernte, um ihr zu verfallen. Ein mit hoher Intensität geschriebener, kühn komponierter Roman.

Fünf Jahre verbrachte der Musiker, Komponist, Maler, Schriftsteller und Richter E.T.A. Hoffmann (1776-1822) in Bamberg, als Theaterkapellmeister, Direktionsgehilfe und vieles mehr, ein irrlichternder Geist und Erotiker in mitunter quälenden, provinziell engen Verhältnissen. Umrahmt von der Vor- und Nachgeschichte konzentriert sich Peter Härtlings neuer Roman auf diese Bamberger Jahre und vor allem auf Hoffmanns nicht ganz platonische Liebe zu sehr jungen Sängerinnen, auf seine Verfallenheit an die Gesangsschülerin Julia, dem Urbild seiner Kindfrauen, beschreibt aber auch Hoffmanns turbulente Ehe mit seiner polnischen Frau Mischa.

Der kompakte, mit intensiver, flirrender Nervosität erzählteRoman begibt sich ins Innerste von Hoffmanns Begehren, er ist geradezu von einer Erotik zwischen Idealisierung und körperlicher Lust beseelt und zeichnet nach, wie aus den Energieströmen dieser Liebe die explosive Ausdruckskraft des Multigenies Hoffmann erwächst.

Innerhalb der romantischen Periode ist E.T.A. Hoffmann die vielleicht hinreißendste und modernste Figur, und aus diesem Roman springt sie uns buchstäblich entgegen, überkochend vor Begabung, Lust und Erkenntnisraserei.
Autorenporträt
Peter Härtling, geboren 1933 in Chemnitz, gestorben 2017 in Rüsselsheim, arbeitete zunächst als Redakteur bei Zeitungen und Zeitschriften. 1967 wurde er Cheflektor des S. Fischer Verlages in Frankfurt am Main und war dort von 1968 bis 1973 Sprecher der Geschäftsführung. Ab 1974 arbeitete er als freier Schriftsteller. Peter Härtling wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Hessischen Kulturpreis 2014 und dem Elisabeth-Langgässer-Preis 2015. Das gesamte literarische Werk des Autors ist lieferbar im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt erschien sein Roman 'Gedankenspieler' (2018).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2001

Der Kater des Zapplers
Peter Härtling über E. T. A. Hoffmann / Von Wulf Segebrecht

Unsterblich, wie es Mode war, verliebte sich E. T. A. Hoffmann 1812 in Bamberg in seine vierzehnjährige Gesangsschülerin Julia Mark, und unsterblich hat er sie später gemacht, als er sie in die Mädchenfiguren seiner Werke umwandelte. Sie war sein Käthchen (nach Kleists Drama), sein Engelsbild. Bis zur Raserei, zum Wahnsinn, zu Suizidphantasien trieb ihn diese Liebe, und es mußte naturgemäß in Bamberg zum gesellschaftlichen Eklat kommen.

Diese Affäre, oder mit dem Untertitel von Härtlings Roman ein wenig verklärend, aber auch harmloser ausgedrückt, diese "Romanze" steht im Zentrum des Romans. Was war es eigentlich, das den Universalkünstler Hoffmann so hinzog zu dieser Julia? Ein Zeitzeuge fand, daß ihre "etwas über die Gebühr gefüllten und geröteten Wangen eher den Pinsel der niederländischen als der italienischen Schule beschäftigen könnten und daß das Embonpoint des Körpers ebenfalls eher in den Gemälden eines Rubens als eines Raphael anzutreffen sei. Was ihre intellektuelle und sittliche Bildung betrifft, so muß bekannt werden, daß sie keineswegs den poetischen Funken in sich bewahrte, den Hoffmann so oft der Welt verkündete. Seine Liebe zu Julia kann man einen fixen Wahn nennen."

Dieser abschließenden Diagnose würde Härtling wohl zustimmen, keineswegs aber der ihr vorausgehenden Anamnese. Nicht was Hoffmann an Julia tatsächlich zu sehen bekam, betörte ihn, behauptet Härtling, sondern was er in ihr sah und vor allem, was er von ihr hörte. Es war die Stimme Julias, die ihn verzückte und verführte: "Sie hat ihre Stimme gefunden, sagt er sich, ich habe eine Stimme gefunden. - Er liebt sie, die Stimme, das Mädchen. Es ist eine Liebe ohne Anfänge, ohne Vorbereitungen. Sie trübt seinen Verstand, geht über seine Vernunft." Das leuchtet ein. Denn auch im erzählerischen Werk Hoffmanns besitzt die Gesangsstimme zugleich ästhetische und erotische Qualitäten. Man kann das im "Berganza" und in den "Abenteuern der Silvesternacht", in der "Fermate" und im "Kater Murr" nachlesen.

Hoffmanns sinnliche Julia-Wahrnehmung, sein Julia-Erlebnis, erscheint in Härtlings Roman nicht isoliert. Es gibt vor dem Liebeshöhepunkt gleich zwei "Vorspiele" und ebenso zwei "Nachspiele". Damit sind weitere sexuelle Abenteuer Hoffmanns gemeint, aber nicht nur sie. Es geht zugleich um die Voraussetzungen und die Folgen von Hoffmanns Obsessionen, um die Entwicklung seiner exzentrischen Künstlernatur, zu der seine Sexualität genauso gehört wie sein Alkoholismus und sein Wahnsinn, seine Schizophrenie. Die "vielfältige Liebe" ist zugleich eine Sucht zur Vervielfältigung: "Ich denke mir mein Ich durch ein Vervielfältigungsglas."

Vieles "stimmt" in diesem Roman. Aber ein belletristischer Autor kann nicht auf die historische Exaktheit der überlieferten Fakten verpflichtet werden. Ob Hoffmann wirklich mit der im Tagebuch ein paarmal geheimnisvoll erwähnten "La biondina" den Geschlechtsverkehr ausgeübt und sich dabei die französische Krankheit zugezogen hat, mag der Hoffmann-Apologet bezweifeln. So genau will er es vermutlich gar nicht wissen. Doch Härtling nutzt die sexuellen und alkoholischen Extratouren seines Helden zur Darstellung der vielfältigen produktiven Erregbarkeit des Künstlers Hoffmann. Ohne sie wäre Hoffmann nicht Hoffmann. Bei Härtling ist er der "Zappler", ein Unruhegeist, und er ist es als Konversation treibender Spaßvogel ebenso wie als praktizierender Liebhaber und als nervöser Maler, Musiker und Poet.

Wie schon in seinen vorangegangenen Künstlerromanen ("Schubert", "Schumanns Schatten") nähert sich Härtling auch diesmal dem geheimen Zentrum einer Künstlerexistenz an. Mit der "Vielfältigkeit" der Liebe Hoffmanns und der betörenden Stimme Julias macht er dem Leser sinnlich eindrucksvolle, nachvollziehbare und auch partiell neuartige Deutungsangebote. Doch die "Vielfältigkeit" Hoffmanns ließe sich noch um eine weitere Dimension ergänzen. Denn trotz seiner Amouren und Exzesse oder neben ihnen befaßte sich Hoffmann in Bamberg eingehend mit der romantischen Naturphilosophie (Gotthilf Heinrich Schubert, Novalis), studierte ernsthaft medizinische Fachliteratur zu Fragen des Wahnsinns, des Brownianismus und des Magnetismus, beteiligte sich am Bestandsaufbau und an der Katalogisierung der damals umfangreichsten Leihbibliothek Bayerns - kurz: Er kann nicht nur der unkontrollierte Alkoholiker und Libertin, der fiebrige Künstler und leichtsinnige Antibürger gewesen sein. Sorgfalt und Neugier, Arbeitsdisziplin, wissenschaftliches Interesse und die Fähigkeit zu strenger Systematisierung und zwingender Argumentation haben ihn nicht weniger ausgezeichnet als die Merkmale einer ungezügelten Künstlernatur. Daß ein so fantastischer Autor zugleich eine staunenswerte Akkuratesse bei der Erledigung juristischer Angelegenheiten bewies, lobten noch die Vorgesetzten des Kammergerichtsrats in Berlin. Diese gleichsam aufgeklärte Seite seines Wesens kommt in Härtlings Roman zu kurz. Dabei hätte sie die Widersprüchlichkeit und Unerklärlichkeit Hoffmanns eher gesteigert als eingeschränkt.

Rätselhaft freilich bleibt Hoffmann bei Härtling auch ohnedies und trotz aller Trivialitäten, ja er wird im Verlaufe des Romans immer rätselhafter. Unter der Hand des Biographen, der sich und seine Entzifferungsarbeit dem Leser immer wieder in Erinnerung bringt, entwickelt seine Figur Autonomie und Eigendynamik. Die Fiktion überwindet die Dokumentation. Die Annäherung und Enträtselung Hoffmanns erweist sich zunehmend als dessen Verfremdung und Verrätselung. In diesem Sinne hat Härtling die Quellen sorgfältig genutzt. Aber er geht doch deutlich darüber hinaus. Am meisten im Hinblick auf "Mischa", Marianna Thekla Michaelina Rorer-Trzcinski, Hoffmanns Ehefrau. Man weiß nur wenig über sie: Sie war die Tochter eines polnischen Beamten, sprach nur unvollkommen Deutsch und hat sich die Bewunderung der Nachwelt vor allem dadurch erworben, daß sie so tapfer und unbeirrt zu ihrem exzentrischen Mann hielt. Erst Härtling stattet sie mit einem lebensvollen Charakter und einer individuellen Sprache aus. Er zeigt, wie sie voller Besorgnis und Fürsorge, Temperament und Tatkraft mit den Eskapaden, Ekstasen und Exzessen des Künstlers an ihrer Seite zu leben lernt; und er nutzt ihr leicht polnisch geprägtes Idiom kunstvoll dazu aus, um sehr Vieldeutiges ganz schlicht formulieren zu können: "Manchmal wünsche ich mir", sagt sie zu ihrem Hoffmann, "ich könnte dich verhexen, aber das besorgst du selber." Fremd und vertraut zugleich sind sich die Eheleute Hoffmann. Aber den gleichen Satz hätte auch Julia zu ihrem Liebhaber sagen können. Und Härtling zu seiner Figur.

Peter Härtling: "Hoffmann oder Die vielfältige Liebe". Eine Romanze. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001. 252 S., geb., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie schon in seinen vorangegangenen Künstlerromanen, meint Rezensent Wulf Segebrecht, nähert sich Härtling auch diesmal der Künstlerexistenz - diesmal in Gestalt E.T.A. Hoffmanns - an. Doch unter der Hand des Erzählers, der sich und seine Entzifferungsarbeit dem Leser immer wieder in Erinnerung bringe, erweise sich diese Entzifferung zunehmend als Verfremdung und Verrätselung. Das ist wohl nicht immer ein Nachteil des Buches, doch der Rezensent hätte sich an vielen Stellen ein abgerundeteres Bild der härtling'schen Anamnese dieses exzentrischen Künstlers gewünscht. Zum Beispiel eine angemessene Würdigung der beeindruckenden Genauigkeit, mit der Hoffmann seine juristische Arbeit am Berliner Kammergericht erledigte - und mit der er schon die Vorgesetzten erstaunt habe. Diese "gleichsam aufgeklärte Seite" des fantastischen Autors mit den vielen Obsessionen hat dessen Widersprüchlichkeit eher gesteigert als eingeschränkt, findet der Rezensent. Trotzdem scheinen diese Differenzen sich eher an der Auffassung über die Bearbeitung des biografischen Materials festzumachen. Gegen Qualität und Lesbarkeit des Buches scheint es keine Einwände zu geben. Im Gegenteil.

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»[...] eine vergnügliche biografisch-literarische Spurensuche [...]« Markus Schwering Kölner Stadt-Anzeiger