König bestimmt Hofmannsthal als Kulturdichter der Moderne, indem er Interpretation und Wissenschaftsgeschichte verbindet.Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) wollte der Repräsentant einer neuen Kultur sein, die er gegen die bestehenden, eklektisch zerfallenden Werte und Traditionen des Historismus konstruiert. Die Einheit dieser Kultur, für die er Goethe zum Vorbild nimmt, kann er in seinen Werken nicht mehr artistisch schaffen. Er suggeriert sie und muß sein Publikum sowie, in einem weiteren Sinn, die Forschung bezaubern. Hofmannsthal steuert die eigene Rezeption, indem er das Wissen und die Begriffe der Gelehrten seiner Zeit aufgreift. Er knüpft an eine alte Tradition der Verbindung von Dichtung und Wissenschaft an, die er für seine Moderne aktualisiert. Diesen Prozeß, in welchem Hofmannsthal sowohl als Dichter als auch als Philologe agiert - als Medium zwischen seiner Kunst, der Wissenschaft und seinen Lesern - deckt König auf und interpretiert zum ersten Mal kritisch Hofmannsthals »Autophilologie«, ihre Rolle im ästhetisch-kulturellen System seiner Werke und - darauf bezogen - die Hauptlinien der Hofmannsthal-Forschung.Behandelt werden: Hofmannsthals Habilitationsschrift über Victor Hugo; Goethes Rolle in Hofmannsthals Kultur; der Kreis von Gelehrten, den er um sich bildet (Rudolf Borchardt, Konrad Burdach, Walther Brecht, Josef Nadler, Walter Benjamin, Carl Jacob Burckhardt); die Anfänge der Forschung. Im Mittelpunkt steht das dramatische Werk Hofmannsthals: »Elektra«, »Ödipus und die Sphinx«, Dramenfragmente zwischen 1914 und 1927, »Der Turm« und das Opernlibretto »Die Ägyptische Helena«. Zahlreiche unveröffentlichte Quellen werden erstmals publiziert.Link: Arbeitsstelle für die Erforschung der Geschichte der Germanistik im Deutschen Literaturarchiv Marbach
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2002Sein "philologisches Zeug"
Hofmannsthal für Fortgeschrittene: Christoph Königs große Studie
Wenn die Dichter mit ihren Werken unter die Philologen geraten, so ist dies zwar kein Garant ihres Erfolges und nicht einmal dessen Gradmesser, aber es entspricht dem erwartbaren Gang der Dinge. Anders steht die Sache, wenn sich die Autoren aktiv in die Literaturwissenschaft einschalten oder gar selbst auf der Kippe zur Gelehrtenlaufbahn stehen. Dann nämlich droht ihnen das Dilemma des poeta doctus, der Gefahr läuft, "klüger zu sein, als er's nötig hätte", wie Walter Benjamin einmal über Robert Musil bemerkte. Der Künstler möge bilden, nicht reden - die Maxime Goethes gilt in der Ästhetik der Moderne noch immer oder erst recht, denn der Schlüssel zur Professionalisierung heißt Arbeitsteilung.
Um 1900 erst ging aus dem Trend zur philologischen Spezialisierung allmählich die "Literaturwissenschaft" hervor. Genau zu dieser Zeit legte Hugo von Hofmannsthal an der Wiener Universität seine Habilitationsschrift über den französischen Romancier Victor Hugo vor. Mit diesem Schritt mischte sich der Dichter ins Gebiet der Philologen. Kaum jemand hatte das Generationsgefühl der Wiener Jahrhundertwende zwischen Neurasthenie und Kaffeehaus treffender gestaltet als der jugendlich-geniale Hofmannsthal - der freilich Ästhet genug war, seine künftige Existenzsicherung mit einer Karriere in Staatsdiensten zu betreiben. Doch seine im Frühjahr 1901 eingereichte Habilitation scheitert; kurioserweise am wohlgemeinten Vorschlag eines Kommissionsmitgliedes, das allzu weitgesteckte Fachgebiet der Romanistik zu teilen, um dem Kandidaten die sprachgeschichtlichen Anteile zu ersparen. Denn mit moderner Literatur pflegten sich die Philologen erst neuerdings und nur am Rande zu befassen. Im Studiengang der Wiener Romanistik dominierten Themen wie "altportugiesische Lautlehre" oder "historische Grammatik des Italienischen".
An dem "philologischen Zeug" arbeitete Hofmannsthal nach eigenem Bekunden "schwung- und freudlos". Als ihm das Prozedere zu umständlich wird, zieht er im Herbst 1901 sein Habilitationsgesuch zurück - und sich selbst in die Abgeschiedenheit des neuen Wohnsitzes von Rodaun. Er könne "unmöglich" länger eine "innere Doppel-Existenz führen", beschließt der Dichter. Ihm sind unterdessen im Schaffensrausch des vom gelehrten Pflichtprogramm befreiten Sommers einige Dramen-Entwürfe und Gedichte geglückt, die ihn hoffen lassen, auch ohne das Korsett "amtlich-zentralistischer" Formen sein weiteres Aus- und Fortkommen zu finden. Ob nun abgeschafft, ausgelassen oder mit Bravour durchlaufen: Das Ritual der Habilitation ist offenbar der Kreuzweg, an dem sich die Geister scheiden.
Es ist eine doppelte Weichenstellung, die sich Christoph König in seiner Habilitationsschrift über Hofmannsthal und die Philologie vorgenommen hat. Die Entwicklung eines Fachs im Umbruch kreuzte sich mit der Krise eines Dichters, der den zur Last gewordenen Ruhm des frühvollendeten Genies loswerden mußte, aber seine kreative Unbefangenheit nicht verlieren wollte. Daß König die mißlingende "Doppelexistenz" Hofmannsthals als ein strukturelles Anpassungsproblem der noch nicht so modernen Philologie erklären kann, unterstreicht die Produktivität seiner fachgeschichtlichen Perspektive (der Autor leitet die Marbacher Forschungsstelle zur Geschichte der Germanistik). Methodisch ingeniös aber ist Königs Schachzug, die Transformationen dieser Wissenschaft nicht aus der Binnenperspektive des Betriebes darzustellen, sondern anhand der schriftstellerischen Entwicklung des poeta doctus Hugo von Hofmannsthal.
Die engführende Konfrontation von Poet und Philologenzunft wirft erhellende Schlaglichter in beide Richtungen. Wenn es im Jahre 1930 immerhin möglich wird, über Hofmannsthal eine Antrittsvorlesung zu halten (Max Kommerell in Frankfurt), so kann die germanistische Rezeption des Dichters als eine Art Lackmustest auf die Selbstmodernisierung des Faches gelten. Im Gegenzug erklärt König die Wandlungen und Verwerfungen in Hofmannsthals literarischer Produktion als Reaktionen auf jenes Auseinanderbrechen von Bildung und Wissen, das auch die Einheit der Philologie zerstörte. Vehement geht der Verfasser mit einer Sekundärliteratur ins Gericht, die sich von Hofmannsthals "Poesie des Gelingens" bestricken ließ, die Brüche im Werk zu ignorieren oder aufs Biographische zu reduzieren.
Systematisch setzt König die künstlerische Entwicklung Hofmannsthals ins Verhältnis zur Krise der Kultur, die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs manifest wurde. Dabei zeigt sich, daß die spannungsvolle Beziehung des Dichters zur Wissenschaft mit der abgebrochenen Habilitation erst am Anfang stand. Der Vorgang mutet reichlich paradox an: Obwohl Hofmannsthal der zergliedernden Gelehrsamkeit entsagte, holte ihn das Reflexionsdilemma auf ästhetischem Gebiet wieder ein. Wie der Historismus an der Unermeßlichkeit des Vergangenen, so drohte die Kultur am Vielzuviel der Stilrichtungen und Traditionslinien zu ersticken. Goethes "Wissenschaftslehre" blieb normsetzend in ihrem universellen Anspruch, doch die Zeitumstände änderten sich, "wofür Hofmannsthal ein feines Empfinden besitzt". Traditionspflege versteht sich nicht mehr von selbst, sie muß sich ihr Publikum suchen. Der große Goethe, auf den Hofmannsthal sich stets in höchster Emphase bezieht, verkommt darüber zum leeren "Mysterium" und "Stimmungswort".
Was Hofmannsthal geneigt war, als Erbschaft anzutreten, das wird zum Hemmnis, sobald es Werkgestalt annehmen soll. Ausführlich demonstriert König diese Dynamik an dem Trauerspiel "Der Turm", Hofmannsthals Adaption des Calderón-Dramas "Das Leben ein Traum". Je mehr der Dichter seine Bearbeitung an jenen gelehrten Quellen zur Renaissancekultur und zu alttestamentlichen Motiven tränkte, mit welchen ihn der befreundete Germanist Konrad Burdach versorgte, desto disparater geriet die dramaturgische Konstruktion. Hofmannsthals "Klugheit" äußert sich in der letzten Arbeitsphase darin, so König, daß sie das "Auseinanderfallen des Stücks" nicht mehr suggestiv übertüncht, sondern durch den ungebändigten Schlagabtausch einander jagender Komplotte noch rasend "beschleunigt".
Auf die Abstimmung seiner Arbeit mit der Sichtweise von Praktikern wie Max Reinhardt oder Richard Strauss war Hofmannsthal ebenso bedacht wie auf das Urteil gelehrter Freunde und Ratgeber. Auch dies ein Paradox: Nach dem Verzicht auf eigene akademische Meriten gelang es Hofmannsthal, sich mit einem hochkarätigen Kreis von Intellektuellen und Fachgelehrten zu umgeben. Vermittelt über Burdach, über Rudolf Borchardt, Walther Brecht oder Josef Nadler nahm Hofmannsthal Einfluß nicht nur auf die ästhetische Erneuerung der Philologie, sondern mehr noch auf deren künftiges Hofmannsthal-Bild.
Hofmannsthals Arbeit am Nachruhm war erfolgreich gerade darin, diese Bemühungen im Nachbild des Dichters unsichtbar werden zu lassen. Lange habe die Hofmannsthal-Philologie, so Königs Vorwurf, eine sakralisierende Haltung eingenommen; ihr Leitbild war nicht "der arbeitende, sondern der empfangende Autor". Königs Studie hingegen zeigt ihren Akteur, der die Zustimmung des Publikums und der gelehrten Welt zugleich erringen wollte, beim Erzielen von Kompromissen. Den ewigen "Streit zwischen Klugheit und Emphase" schlichtete Hofmannsthal immer wieder anders und stets nur vorläufig. Im Duktus zuweilen spröde, dann wiederum überraschend schnippisch, gibt sich Königs gründlich recherchiertes Buch auch mit diesem wenig spektakulären Fazit resistent gegenüber jeder philologischen Anbiederung an Glanz und Größe.
ALEXANDER HONOLD
Christoph König: "Hofmannsthal". Ein moderner Dichter unter den Philologen. Wallstein Verlag, Göttingen 2001. 504 S., geb., 39,- [Euro].
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Hofmannsthal für Fortgeschrittene: Christoph Königs große Studie
Wenn die Dichter mit ihren Werken unter die Philologen geraten, so ist dies zwar kein Garant ihres Erfolges und nicht einmal dessen Gradmesser, aber es entspricht dem erwartbaren Gang der Dinge. Anders steht die Sache, wenn sich die Autoren aktiv in die Literaturwissenschaft einschalten oder gar selbst auf der Kippe zur Gelehrtenlaufbahn stehen. Dann nämlich droht ihnen das Dilemma des poeta doctus, der Gefahr läuft, "klüger zu sein, als er's nötig hätte", wie Walter Benjamin einmal über Robert Musil bemerkte. Der Künstler möge bilden, nicht reden - die Maxime Goethes gilt in der Ästhetik der Moderne noch immer oder erst recht, denn der Schlüssel zur Professionalisierung heißt Arbeitsteilung.
Um 1900 erst ging aus dem Trend zur philologischen Spezialisierung allmählich die "Literaturwissenschaft" hervor. Genau zu dieser Zeit legte Hugo von Hofmannsthal an der Wiener Universität seine Habilitationsschrift über den französischen Romancier Victor Hugo vor. Mit diesem Schritt mischte sich der Dichter ins Gebiet der Philologen. Kaum jemand hatte das Generationsgefühl der Wiener Jahrhundertwende zwischen Neurasthenie und Kaffeehaus treffender gestaltet als der jugendlich-geniale Hofmannsthal - der freilich Ästhet genug war, seine künftige Existenzsicherung mit einer Karriere in Staatsdiensten zu betreiben. Doch seine im Frühjahr 1901 eingereichte Habilitation scheitert; kurioserweise am wohlgemeinten Vorschlag eines Kommissionsmitgliedes, das allzu weitgesteckte Fachgebiet der Romanistik zu teilen, um dem Kandidaten die sprachgeschichtlichen Anteile zu ersparen. Denn mit moderner Literatur pflegten sich die Philologen erst neuerdings und nur am Rande zu befassen. Im Studiengang der Wiener Romanistik dominierten Themen wie "altportugiesische Lautlehre" oder "historische Grammatik des Italienischen".
An dem "philologischen Zeug" arbeitete Hofmannsthal nach eigenem Bekunden "schwung- und freudlos". Als ihm das Prozedere zu umständlich wird, zieht er im Herbst 1901 sein Habilitationsgesuch zurück - und sich selbst in die Abgeschiedenheit des neuen Wohnsitzes von Rodaun. Er könne "unmöglich" länger eine "innere Doppel-Existenz führen", beschließt der Dichter. Ihm sind unterdessen im Schaffensrausch des vom gelehrten Pflichtprogramm befreiten Sommers einige Dramen-Entwürfe und Gedichte geglückt, die ihn hoffen lassen, auch ohne das Korsett "amtlich-zentralistischer" Formen sein weiteres Aus- und Fortkommen zu finden. Ob nun abgeschafft, ausgelassen oder mit Bravour durchlaufen: Das Ritual der Habilitation ist offenbar der Kreuzweg, an dem sich die Geister scheiden.
Es ist eine doppelte Weichenstellung, die sich Christoph König in seiner Habilitationsschrift über Hofmannsthal und die Philologie vorgenommen hat. Die Entwicklung eines Fachs im Umbruch kreuzte sich mit der Krise eines Dichters, der den zur Last gewordenen Ruhm des frühvollendeten Genies loswerden mußte, aber seine kreative Unbefangenheit nicht verlieren wollte. Daß König die mißlingende "Doppelexistenz" Hofmannsthals als ein strukturelles Anpassungsproblem der noch nicht so modernen Philologie erklären kann, unterstreicht die Produktivität seiner fachgeschichtlichen Perspektive (der Autor leitet die Marbacher Forschungsstelle zur Geschichte der Germanistik). Methodisch ingeniös aber ist Königs Schachzug, die Transformationen dieser Wissenschaft nicht aus der Binnenperspektive des Betriebes darzustellen, sondern anhand der schriftstellerischen Entwicklung des poeta doctus Hugo von Hofmannsthal.
Die engführende Konfrontation von Poet und Philologenzunft wirft erhellende Schlaglichter in beide Richtungen. Wenn es im Jahre 1930 immerhin möglich wird, über Hofmannsthal eine Antrittsvorlesung zu halten (Max Kommerell in Frankfurt), so kann die germanistische Rezeption des Dichters als eine Art Lackmustest auf die Selbstmodernisierung des Faches gelten. Im Gegenzug erklärt König die Wandlungen und Verwerfungen in Hofmannsthals literarischer Produktion als Reaktionen auf jenes Auseinanderbrechen von Bildung und Wissen, das auch die Einheit der Philologie zerstörte. Vehement geht der Verfasser mit einer Sekundärliteratur ins Gericht, die sich von Hofmannsthals "Poesie des Gelingens" bestricken ließ, die Brüche im Werk zu ignorieren oder aufs Biographische zu reduzieren.
Systematisch setzt König die künstlerische Entwicklung Hofmannsthals ins Verhältnis zur Krise der Kultur, die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs manifest wurde. Dabei zeigt sich, daß die spannungsvolle Beziehung des Dichters zur Wissenschaft mit der abgebrochenen Habilitation erst am Anfang stand. Der Vorgang mutet reichlich paradox an: Obwohl Hofmannsthal der zergliedernden Gelehrsamkeit entsagte, holte ihn das Reflexionsdilemma auf ästhetischem Gebiet wieder ein. Wie der Historismus an der Unermeßlichkeit des Vergangenen, so drohte die Kultur am Vielzuviel der Stilrichtungen und Traditionslinien zu ersticken. Goethes "Wissenschaftslehre" blieb normsetzend in ihrem universellen Anspruch, doch die Zeitumstände änderten sich, "wofür Hofmannsthal ein feines Empfinden besitzt". Traditionspflege versteht sich nicht mehr von selbst, sie muß sich ihr Publikum suchen. Der große Goethe, auf den Hofmannsthal sich stets in höchster Emphase bezieht, verkommt darüber zum leeren "Mysterium" und "Stimmungswort".
Was Hofmannsthal geneigt war, als Erbschaft anzutreten, das wird zum Hemmnis, sobald es Werkgestalt annehmen soll. Ausführlich demonstriert König diese Dynamik an dem Trauerspiel "Der Turm", Hofmannsthals Adaption des Calderón-Dramas "Das Leben ein Traum". Je mehr der Dichter seine Bearbeitung an jenen gelehrten Quellen zur Renaissancekultur und zu alttestamentlichen Motiven tränkte, mit welchen ihn der befreundete Germanist Konrad Burdach versorgte, desto disparater geriet die dramaturgische Konstruktion. Hofmannsthals "Klugheit" äußert sich in der letzten Arbeitsphase darin, so König, daß sie das "Auseinanderfallen des Stücks" nicht mehr suggestiv übertüncht, sondern durch den ungebändigten Schlagabtausch einander jagender Komplotte noch rasend "beschleunigt".
Auf die Abstimmung seiner Arbeit mit der Sichtweise von Praktikern wie Max Reinhardt oder Richard Strauss war Hofmannsthal ebenso bedacht wie auf das Urteil gelehrter Freunde und Ratgeber. Auch dies ein Paradox: Nach dem Verzicht auf eigene akademische Meriten gelang es Hofmannsthal, sich mit einem hochkarätigen Kreis von Intellektuellen und Fachgelehrten zu umgeben. Vermittelt über Burdach, über Rudolf Borchardt, Walther Brecht oder Josef Nadler nahm Hofmannsthal Einfluß nicht nur auf die ästhetische Erneuerung der Philologie, sondern mehr noch auf deren künftiges Hofmannsthal-Bild.
Hofmannsthals Arbeit am Nachruhm war erfolgreich gerade darin, diese Bemühungen im Nachbild des Dichters unsichtbar werden zu lassen. Lange habe die Hofmannsthal-Philologie, so Königs Vorwurf, eine sakralisierende Haltung eingenommen; ihr Leitbild war nicht "der arbeitende, sondern der empfangende Autor". Königs Studie hingegen zeigt ihren Akteur, der die Zustimmung des Publikums und der gelehrten Welt zugleich erringen wollte, beim Erzielen von Kompromissen. Den ewigen "Streit zwischen Klugheit und Emphase" schlichtete Hofmannsthal immer wieder anders und stets nur vorläufig. Im Duktus zuweilen spröde, dann wiederum überraschend schnippisch, gibt sich Königs gründlich recherchiertes Buch auch mit diesem wenig spektakulären Fazit resistent gegenüber jeder philologischen Anbiederung an Glanz und Größe.
ALEXANDER HONOLD
Christoph König: "Hofmannsthal". Ein moderner Dichter unter den Philologen. Wallstein Verlag, Göttingen 2001. 504 S., geb., 39,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Franziska Meier ärgert sich über diese Studie. Während König Hofmannsthals Grundgedanken in einer "Aporie" findet, die in Gestalt der "ästhetisch-epistemologischen Norm" "die Wahrheit ist unsagbar" auftrete, erblickt Meier in der von König verkündeten "Aporie" eine "spezifische Problematik" der Moderne, die längst und sehr viel präziser anderswo herausgearbeitet wurde. Sie verweist diesbezüglich auf Hofmannsthals Erfahrung vom Verlust der Selbstverständlichkeit des Lebens und der Einsicht, dass jedes Streben nach Ganzheit zu Fragmentarität verurteilt ist. Um das "Unsagbare" gleichwohl zu sagen, griff Hofmannsthal statt auf die Sprache auf Gesten, Balletteinlagen und Musik zurück, berichtet Meier, in diesem Punkt mit König wieder einer Meinung. Neu an Königs Studie ist für Meier, dass König von der Unsagbarkeit der Wahrheit, vom Zerfall der Werte und der Fragmentarität eine Brücke zur Geschichte der Philologie schlägt, wo er ähnliche Phänomene ausfindig macht. Leider ergeben sich daraus keinerlei neue Einsichten zum poetischen Schaffensprozess bei Hofmannsthal, kritisiert Meier. Sie findet die Studie deshalb "schlicht überflüssig". Auch die "verquere Sprache" des Autors ärgert sie und seine Verstöße "gegen das logische Denken".
© Perlentaucher Medien GmbH
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