Der römische Dichter Ovid schuf zur Zeit des Kaisers Augustus das Epos Metamorphosen mit rund 250 Sagen der griechischen und italischen Mythologie, die um das Motiv der Verwandlungen kreisen. Da Ovid menschliche Aspekte stärker betont als den kultischen Rahmen, wurde sein Werk im Mittelalter zur Grundlage für die bildliche Gestaltung mythologischer Themen. Es wurde übersetzt, mit Kommentaren versehen oder allegorisch ausgelegt. In den ersten Jahrzehnten des Buchdrucks erschienen in bedeutenden verlegerischen Zentren Europas zahlreiche Ausgaben der Metamorphosen.Die vorliegende Arbeit behandelt zwei Holzschnittfolgen, die den Beginn der frühen druckgraphischen Illustrationsfolgen markieren und eine teils jahrhundertelange Nachfolge begründen. Die erste dieser Ausgaben erschien 1497 bei Lucantonio Giunta in Venedig, Ivo Schöffer druckte 1545 die zweite in Mainz. Die Holzschnitte dieser beiden Illustrationsfolgen werden hinsichtlich der zeitgenössischen Umsetzung des mythologischen Inhaltes in das Bild befragt, was unterschiedliche Aspekte beinhaltet: Die Illustrationen konnten nicht auf einen bekannten Formenschatz zurückgreifen, da es für die mythologische Ikonographie keine umfangreiche Tradition gab. Die formalen Anregungen, die aus den unterschiedlichen Bereichen aufgegriffen wurden, stehen in einem ersten Komplex im Zentrum. Im zweiten Teil ist ihr Stellenwert bei der Bildgestaltung gegenüber der Textgrundlage untersucht. Dabei wird deutlich, wie eng die Illustratoren sich an die Ovid-Übersetzungen mit ihren moralisierenden Kommentaren hielten. Außerdem wird der Einfluß der Spezifika des Ovidtextes auf die Bildgestaltung geprüft, wie beispielsweise die Benutzung von Zeitmetaphern für die Visualisierung einer Metamorphose. Die Rolle der Drucker und Inventoren wird beleuchtet, die maßgeblich am Entstehungsprozeß der illustrierten Ausgaben beteiligt waren.Mit der Auswahl und der Plazierung der verbildlichten Themen werden bewußt inhaltliche Schwerpunkte innerhalb der jeweiligen Buchausgabe gesetzt. Diese thematischen Akzente werden aufgeschlüsselt und im jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext interpretiert. In beiden Illustrationsfolgen konkretisiert sich ein Stück Rezeptionsgeschichte der Metamorphosen.