Tras el éxito de Sapiens. De animales a dioses, Yuval Noah Harari vuelve su mirada al futuro para ver hacia dónde nos dirigimos. La guerra es algo obsoleto. Es más probable quitarse la vida que morir en un conflicto bélico. La hambruna está desapareciendo. Es más habitual sufrir obesidad que pasar hambre. La muerte es solo un problema técnico. Adiós igualdad. Hola inmortalidad. ¿Qué nos depara el futuro? Yuval Noah Harari, autor bestseller de Sapiens. De animales a dioses, augura un mundo no tan lejano en el cual nos veremos enfrentados a una nueva serie de retos. Homo Deus explora los proyectos, los sueños y las pesadillas que irán moldeando el siglo XXI -desde superar la muerte hasta la creación de la inteligencia artificial. - Cuando tu Smartphone te conozca mejor de lo que te conoces a ti mismo, ¿seguirás escogiendo tu trabajo, a tu pareja y a tu presidente? - Cuando la inteligencia artificial nos desmarque del mercado laboral, ¿encontrarán los millones de desempleados algún tipo de significado en las drogas o los juegos virtuales? - Cuando los cuerpos y cerebros sean productos de diseño, ¿cederá la selección natural el paso al diseño inteligente? Esto es el futuro de la evolución. Esto es Homo Deus. ENGLISH DESCRIPTION With the same insight and clarity that made Sapiens an international hit and a New York Times bestseller, Harari maps out our future. Over the past century humankind has managed to do the impossible and rein in famine, plague, and war. This may seem hard to accept, but, as Harari explains in his trademark style—thorough, yet riveting—famine, plague and war have been transformed from incomprehensible and uncontrollable forces of nature into manageable challenges. For the first time ever, more people die from eating too much than from eating too little; more people die from old age than from infectious diseases; and more people commit suicide than are killed by soldiers, terrorists and criminals put together. The average American is a thousand times more likely to die from binging at McDonalds than from being blown up by Al Qaeda. What then will replace famine, plague, and war at the top of the human agenda? As the self-made gods of planet earth, what destinies will we set ourselves, and which quests will we undertake? Homo Deus explores the projects, dreams and nightmares that will shape the twenty-first century—from overcoming death to creating artificial life. It asks the fundamental questions: Where do we go from here? And how will we protect this fragile world from our own destructive powers? This is the next stage of evolution. This is Homo Deus.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2022Fragwürdig
frei
Wirtschaftsinformatiker haben Yuval Noah
Hararis Buch „Homo Deus“ untersucht. Ist der
einflussreichste Intellektuelle der Gegenwart
ein gefährlich unkritischer Technologie-Fan?
Von Sarah Spiekermann
In politischen und ökonomischen Kreisen geht die Erzählung von einer vierten industriellen Revolution um: Alles soll in einem gigantischen Internet der Dinge vernetzt werden. „Wissen“ wird magisch von A nach B fließen. Bücher und Kunst werden von Algorithmen geschaffen, die kreativ sind und viel klüger als Menschen. Kriege werden, sofern es sie noch gibt, durch autonome Waffensysteme von selbst geführt werden und so weiter. Die vierte industrielle Revolution ist fantastisch und scheinbar so unabwendbar wie alternativlos. Wer sich nicht „upgraded“, wird bald überflüssig sein.
In seinem 2016 erschienenen Bestseller „Homo Deus – Eine Geschichte von morgen“ schreibt Yuval Noah Harari: „Solange alle Sapiens an die gleiche Geschichte glauben, folgen sie alle den gleichen Regeln.“ Und er erklärt, warum wir gut beraten seien, an diese vierte Revolution zu glauben: Krieg, Hunger und Krankheiten hätten wir dank Technik schon überwunden. Schon bald könnten wir „Übermenschen“ sein. Das Problem ist nur: Mit süffisanter Distanz puzzelt Harari in seinem millionenfach verkauften Mythos vom „Homo Deus“ eine Menge wissenschaftlich einseitiger und halbrecherchierter Fakten zusammen.
Nur wo steht dieser Autor, der mit seinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ weltberühmt wurde, ideologisch eigentlich selbst? Für nicht wenige gilt er längst als Guru, wird von Regierungschefs und Wirtschaftsführern um Rat gebeten. Obama und Macron empfehlen ihn, Olaf Scholz zitiert ihn und Mark Zuckerberg fragte ihn, ob die Menschheit durch Technologie eher geeint oder auseinandergetrieben werde.
Mehrere Wissenschaftler haben sich inzwischen allerdings öffentlich über Hararis Falschdarstellungen beklagt. Nicht zuletzt deshalb hat am Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft der Wirtschaftsuniversität Wien ein fünfköpfiges Team unter der Leitung von Esther Görnemann und Heval Cokyasar Hararis Werk nun einmal unter die Lupe genommen. Dabei wurden 268 Textpassagen aus „Homo Deus“, in denen sich Harari über Algorithmen, künstliche Intelligenz oder andere Computertechnologien äußert, einer Analyse unterzogen.
Besonders in vier Punkten ist Hararis Zukunftsgeschichte problematisch: Harari überschätzt Technik. Er propagiert ein reduktionistisches Menschenbild. Er beschreibt eine Verpflichtung, sich technisch zu optimieren. Und er stellt seine Geschichte als unausweichlich dar, obwohl er doch gerade als Historiker wissen müsste, dass Geschichte nie streng kausal verläuft und es oft anders kam als gedacht.
Die „altmodische materialbasierte Ökonomie“, deren 16 000 Zulieferer man leider braucht, um einen Chip herzustellen, hält Harari für veraltet. In 60 Passagen preist er technologische Fähigkeiten an, bei denen sich ein Wirtschaftsinformatiker nur wie einer der vielen „Affen“ am Kopf kratzen kann, mit denen seinesgleichen im Buch verglichen wird. Harari glaubt, dass Algorithmen auf magische Weise dorthin gehen werden, wo kein Mensch je war, und wohin kein Mensch je folgen können wird. Und obgleich es stimmt, dass Algorithmen Verhaltensweisen zeigen, bei denen niemand mehr versteht, was sie da tun, etwa an den Finanzmärkten, bedeutet das noch lange nicht, dass das gut ist.
„Wenn wir Google und seinen Konkurrenten Zugang zu unseren biometrischen Geräten, zu unseren DNA-Scans und zu unseren Krankenakten gewähren, bekommen wir allwissende Gesundheitsdienste“, schreibt Harari und verkennt, dass ein allwissender Gesundheitsdienst noch lange keine Gesundheit bedeutet, und dass Maschinen zwar Informationen haben, aber nichts wissen können.
KI-Technologie könnte uns Menschen schon bald überholen, so Harari. Welche technischen Annahmen dieser Prognose zugrunde liegen, bleibt allerdings völlig unklar. Dass wir uns im Dschungel schlecht funktionierender IT-Systeme oft abgehängt fühlen, stimmt sicher. Aber in dieser Misere eines allgegenwärtigen Digitalisierungschaos wisse unser Kindle wenigstens bald, was uns Menschen zum Lachen bringt und in Rage versetzt, meint Harari. Dabei übergeht er, dass technische Sensoren immer nur beobachten können, dass etwas passiert, aber nicht, warum dem so ist. Diese kleinen, aber leider relevanten Missverständnisse verleiten den Historiker dazu, Technik heillos zu überschätzen. Selbst der Tod ist bei ihm nur noch „ein technisches Problem“. Aber wird ihn das stören? Er schreibt ja selbst: „Hält man sich an nichts als die Wirklichkeit, ohne ihr irgendwelche Fiktionen beizumischen, werden einem nur wenige folgen.“
Richtig technologiefreundlich wird Hararis Zukunftsgeschichte, wenn es um den Menschen geht. Die vielen Vergleiche von Menschen mit Schweinen, Schimpansen oder Wölfen bereiten den Leser darauf vor, dass der Mensch, so wie er jetzt ist, nicht bleiben kann. In Hararis Welt sind unsere Entscheidungen lediglich „eine Kettenreaktion biochemischer Ereignisse“, die wie ein Computeralgorithmus „jeweils durch ein vorangegangenes Ereignis bestimmt sind“. Der im Buch mindestens zwei Dutzend Mal wiederholte Vergleich des Menschen mit einem Algorithmus ist fachlich so entkräftet wie der historische Glaube, dass Menschen wie Uhren funktionieren.
Konkret ist der Begriff „Information“ in den Computerwissenschaften (nach Shannon & Weaver) ganz anders definiert als in der Anthropologie, wo es um Erfahrungsgehalte und Bedeutung geht. Menschen sind aus Gehirn und Körper zusammengesetzte leibliche Einheiten, bei denen geistige Prozesse den Köper kontinuierlich verändern – und keine „Dividuen“, wie Harari schreibt. Wer hat schon mal Software die zugrunde liegende Hardware permanent verändern sehen?
Menschliche Identität besteht auch nicht aus statisch beobachtbaren oder abrufbaren Erinnerungen wie Daten auf einer Festplatte. Die stur wiederholte Analogie ist rhetorisch clever, denn indem Harari den Menschen als Algorithmus ansieht, kann er ihn gleichzeitig mit unseren besten Computern vergleichen und als „obsolete Datenverarbeitungsmaschine“ ausweisen. Diese Logik leuchtet freilich nur deshalb ein, weil er nebenbei noch ein paar andere fundamentale Aspekte des Menschseins entsorgt. Das „Ich“ sei eine „erfundene Geschichte“, unser menschliches Handeln sei „voller Lügen und Lücken“, ja dass Menschen überhaupt Individuen sein sollen, sei eine „fragwürdige liberale Überzeugung“. Überhaupt sei der Mensch nicht frei und „Freiheit“ ein „leerer Begriff“.
Wissenschaftlich informierten Lesern sträuben sich bei solch plakativen Aussagen die Nackenhaare, zumal Harari sein Buch als Sachbuch verkauft und nicht unter der Rubrik Belletristik, wo es eigentlich hingehört. In einem Sachbuch würde man erwarten, dass hier und da mal das Spektrum der Positionen zumindest erwähnt wird. Aber diese Vorsicht lässt Harari nicht walten. Im Gegensatz: „Statt ihre Geschichte so abzuändern, dass sie mit der Realität übereinstimmt, können sie die Wirklichkeit so verändern, dass sie zu ihren Geschichten passt.“
Sechzig Mal beschreibt Harari im Buch Technologie als gottgleich, magisch oder direkt als die nächste Stufe der Evolution, die den Menschen überholt. Infrage gestellt werden diese Aussagen nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall – in den meisten Fällen (genauer in 55 Fällen oder 92 Prozent) scheint der Autor dieses Narrativ offensichtlich für gesetzt zu halten. Ähnlich ist es mit Textpassagen, die die gesellschaftliche Pflicht zur physischen und mentalen Optimierung des Menschen propagieren. Auch dieses Narrativ scheint der Autor in 75 Prozent der Fälle für das einzig mögliche Szenario zu halten. An keiner Stelle stellt Harari diese Narrative infrage oder formuliert mögliche Alternativen. Im Gegensatz zu einem kritischen Sachbuchautor ist Harari also keineswegs neutral. Ein Gesamtbild seines Werks offenbart ihn als klaren Befürworter der angeblich unaufhaltsamen 4. Revolution. Im Kontrast zu den kommenden Datenverarbeitungssystemen erscheint Harari der Mensch kümmerlich „Wozu besteht denn bitte der Vorzug des Menschen gegenüber Hühnern?“ fragt er ganz sachlich.
Nun muss man fragen, ob Harari nicht dennoch „gut“ ist. Vielleicht hat er die vielen komplexen Debatten über technische Grenzen und über die Natur des Menschen einfach nicht im Blick. Vielleicht hat er im Erfolgsstress den Faktencheck umgangen, wie es sein Doktorvater Steven Gunn jüngst in Bezug auf Hararis Promotion anmerkte. Dann hätte er immer noch die Möglichkeit, sich zu dem Gefundenen kritisch zu äußern.
Betrachtet man die emotionale Haltung Hararis zu seinen beschriebenen Inhalten, stellt man fest, dass der Autor sich größtenteils dem Inhalt neutral gegenüberstellt. Genau genommen ist er in zwölf Prozent seiner Technik-Schilderungen positiv eingestellt, in 18 Prozent ist er pessimistisch und in 70 Prozent neutral. Wenn es um die „obsolete Datenverarbeitungsmaschine“ Mensch geht, bejaht er diese Haltung in fünf Prozent der relevanten Textbausteine, in acht Prozent steht er ihr pessimistisch gegenüber und in 87 Prozent bleibt er neutral.
Es ist diese emotionale Neutralität des Autors im Blick noch auf die menschenverachtendsten Aussagen, die dazu führt, dass man am Ende nicht weiß, wo Harari eigentlich selbst steht. Hannah Arendt hätte auf diese Frage eine klare Antwort gehabt, denn wer sich zu Menschenverachtung neutral verhalte, sei „böse“, so banal das klingen mag. Die Distanz, mit der Harari das „gemeine ärztliche Fußvolk“ bespricht und sich darüber lustig macht, wie wohl eine virtuelle Welt aussehen würde, die von einem Versicherungsvertreter entworfen wird, passt gut ins Bild.
Harari will Technik gar nicht hinterfragen, um „uns in die Lage zu versetzen, weit fantasievoller als bisher über unsere Zukunft nachzudenken“, wie er schreibt, denn was er uns präsentiert, ist nichts anderes als die platte transhumanistische Geschichte, an der genau die IT-Industrie reich wird, die ihn wohl zum Star gemacht hat: „Indem wir uns entscheiden, eine (von möglicherweise mehreren alternativen Geschichten) zu erzählen, entscheiden wir uns auch, die andere zum Schweigen zu bringen“, schreibt er selbst. Politiker und Thinktanks, die Harari eine Geschichte abnehmen, die nicht nur wissenschaftlich fragwürdig ist, sondern mit massiven negative Folgen für die Gesellschaft verbunden ist, sollten wissen, dass sie Opfer eines leider zu weit verbreiteten Mythos sind, der nichts anderes bezweckt, als die Macht derer weiter zu mehren, die sowieso schon das kollektive Bewusstsein manipulieren: der Besitzer der großen amerikanischen IT-Unternehmen und KI-Technologien.
Im Netz ist das „Harari-Projekt“ erreichbar unter https://www.wu.ac.at/ec/projects/the-harari-project/. Auch eine Fernsehdokumentation ist geplant.
268 Textpassagen aus
„Homo Deus“ wurden
analysiert
Auch der Tod ist
hier nur noch
„ein technisches Problem“
Sarah Spiekermann, geboren 1973 in Düsseldorf, studierte in Passau, Paris, Oxford und Berlin. Seit 2009 ist sie Professorin am Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Foto: Creative Commons
„Wenn wir Google und seinen Konkurrenten Zugang zu unseren biometrischen Geräten, zu unseren DNA-Scans und zu unseren Krankenakten gewähren, bekommen wir allwissende Gesundheitsdienste.“ – Yuval Noah Harari.
Foto: dpa
Yuval Noah Harari: Homo Deus. C.H. Beck, 13. Auflage, München 2022.
653 Seiten, 24,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
frei
Wirtschaftsinformatiker haben Yuval Noah
Hararis Buch „Homo Deus“ untersucht. Ist der
einflussreichste Intellektuelle der Gegenwart
ein gefährlich unkritischer Technologie-Fan?
Von Sarah Spiekermann
In politischen und ökonomischen Kreisen geht die Erzählung von einer vierten industriellen Revolution um: Alles soll in einem gigantischen Internet der Dinge vernetzt werden. „Wissen“ wird magisch von A nach B fließen. Bücher und Kunst werden von Algorithmen geschaffen, die kreativ sind und viel klüger als Menschen. Kriege werden, sofern es sie noch gibt, durch autonome Waffensysteme von selbst geführt werden und so weiter. Die vierte industrielle Revolution ist fantastisch und scheinbar so unabwendbar wie alternativlos. Wer sich nicht „upgraded“, wird bald überflüssig sein.
In seinem 2016 erschienenen Bestseller „Homo Deus – Eine Geschichte von morgen“ schreibt Yuval Noah Harari: „Solange alle Sapiens an die gleiche Geschichte glauben, folgen sie alle den gleichen Regeln.“ Und er erklärt, warum wir gut beraten seien, an diese vierte Revolution zu glauben: Krieg, Hunger und Krankheiten hätten wir dank Technik schon überwunden. Schon bald könnten wir „Übermenschen“ sein. Das Problem ist nur: Mit süffisanter Distanz puzzelt Harari in seinem millionenfach verkauften Mythos vom „Homo Deus“ eine Menge wissenschaftlich einseitiger und halbrecherchierter Fakten zusammen.
Nur wo steht dieser Autor, der mit seinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ weltberühmt wurde, ideologisch eigentlich selbst? Für nicht wenige gilt er längst als Guru, wird von Regierungschefs und Wirtschaftsführern um Rat gebeten. Obama und Macron empfehlen ihn, Olaf Scholz zitiert ihn und Mark Zuckerberg fragte ihn, ob die Menschheit durch Technologie eher geeint oder auseinandergetrieben werde.
Mehrere Wissenschaftler haben sich inzwischen allerdings öffentlich über Hararis Falschdarstellungen beklagt. Nicht zuletzt deshalb hat am Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft der Wirtschaftsuniversität Wien ein fünfköpfiges Team unter der Leitung von Esther Görnemann und Heval Cokyasar Hararis Werk nun einmal unter die Lupe genommen. Dabei wurden 268 Textpassagen aus „Homo Deus“, in denen sich Harari über Algorithmen, künstliche Intelligenz oder andere Computertechnologien äußert, einer Analyse unterzogen.
Besonders in vier Punkten ist Hararis Zukunftsgeschichte problematisch: Harari überschätzt Technik. Er propagiert ein reduktionistisches Menschenbild. Er beschreibt eine Verpflichtung, sich technisch zu optimieren. Und er stellt seine Geschichte als unausweichlich dar, obwohl er doch gerade als Historiker wissen müsste, dass Geschichte nie streng kausal verläuft und es oft anders kam als gedacht.
Die „altmodische materialbasierte Ökonomie“, deren 16 000 Zulieferer man leider braucht, um einen Chip herzustellen, hält Harari für veraltet. In 60 Passagen preist er technologische Fähigkeiten an, bei denen sich ein Wirtschaftsinformatiker nur wie einer der vielen „Affen“ am Kopf kratzen kann, mit denen seinesgleichen im Buch verglichen wird. Harari glaubt, dass Algorithmen auf magische Weise dorthin gehen werden, wo kein Mensch je war, und wohin kein Mensch je folgen können wird. Und obgleich es stimmt, dass Algorithmen Verhaltensweisen zeigen, bei denen niemand mehr versteht, was sie da tun, etwa an den Finanzmärkten, bedeutet das noch lange nicht, dass das gut ist.
„Wenn wir Google und seinen Konkurrenten Zugang zu unseren biometrischen Geräten, zu unseren DNA-Scans und zu unseren Krankenakten gewähren, bekommen wir allwissende Gesundheitsdienste“, schreibt Harari und verkennt, dass ein allwissender Gesundheitsdienst noch lange keine Gesundheit bedeutet, und dass Maschinen zwar Informationen haben, aber nichts wissen können.
KI-Technologie könnte uns Menschen schon bald überholen, so Harari. Welche technischen Annahmen dieser Prognose zugrunde liegen, bleibt allerdings völlig unklar. Dass wir uns im Dschungel schlecht funktionierender IT-Systeme oft abgehängt fühlen, stimmt sicher. Aber in dieser Misere eines allgegenwärtigen Digitalisierungschaos wisse unser Kindle wenigstens bald, was uns Menschen zum Lachen bringt und in Rage versetzt, meint Harari. Dabei übergeht er, dass technische Sensoren immer nur beobachten können, dass etwas passiert, aber nicht, warum dem so ist. Diese kleinen, aber leider relevanten Missverständnisse verleiten den Historiker dazu, Technik heillos zu überschätzen. Selbst der Tod ist bei ihm nur noch „ein technisches Problem“. Aber wird ihn das stören? Er schreibt ja selbst: „Hält man sich an nichts als die Wirklichkeit, ohne ihr irgendwelche Fiktionen beizumischen, werden einem nur wenige folgen.“
Richtig technologiefreundlich wird Hararis Zukunftsgeschichte, wenn es um den Menschen geht. Die vielen Vergleiche von Menschen mit Schweinen, Schimpansen oder Wölfen bereiten den Leser darauf vor, dass der Mensch, so wie er jetzt ist, nicht bleiben kann. In Hararis Welt sind unsere Entscheidungen lediglich „eine Kettenreaktion biochemischer Ereignisse“, die wie ein Computeralgorithmus „jeweils durch ein vorangegangenes Ereignis bestimmt sind“. Der im Buch mindestens zwei Dutzend Mal wiederholte Vergleich des Menschen mit einem Algorithmus ist fachlich so entkräftet wie der historische Glaube, dass Menschen wie Uhren funktionieren.
Konkret ist der Begriff „Information“ in den Computerwissenschaften (nach Shannon & Weaver) ganz anders definiert als in der Anthropologie, wo es um Erfahrungsgehalte und Bedeutung geht. Menschen sind aus Gehirn und Körper zusammengesetzte leibliche Einheiten, bei denen geistige Prozesse den Köper kontinuierlich verändern – und keine „Dividuen“, wie Harari schreibt. Wer hat schon mal Software die zugrunde liegende Hardware permanent verändern sehen?
Menschliche Identität besteht auch nicht aus statisch beobachtbaren oder abrufbaren Erinnerungen wie Daten auf einer Festplatte. Die stur wiederholte Analogie ist rhetorisch clever, denn indem Harari den Menschen als Algorithmus ansieht, kann er ihn gleichzeitig mit unseren besten Computern vergleichen und als „obsolete Datenverarbeitungsmaschine“ ausweisen. Diese Logik leuchtet freilich nur deshalb ein, weil er nebenbei noch ein paar andere fundamentale Aspekte des Menschseins entsorgt. Das „Ich“ sei eine „erfundene Geschichte“, unser menschliches Handeln sei „voller Lügen und Lücken“, ja dass Menschen überhaupt Individuen sein sollen, sei eine „fragwürdige liberale Überzeugung“. Überhaupt sei der Mensch nicht frei und „Freiheit“ ein „leerer Begriff“.
Wissenschaftlich informierten Lesern sträuben sich bei solch plakativen Aussagen die Nackenhaare, zumal Harari sein Buch als Sachbuch verkauft und nicht unter der Rubrik Belletristik, wo es eigentlich hingehört. In einem Sachbuch würde man erwarten, dass hier und da mal das Spektrum der Positionen zumindest erwähnt wird. Aber diese Vorsicht lässt Harari nicht walten. Im Gegensatz: „Statt ihre Geschichte so abzuändern, dass sie mit der Realität übereinstimmt, können sie die Wirklichkeit so verändern, dass sie zu ihren Geschichten passt.“
Sechzig Mal beschreibt Harari im Buch Technologie als gottgleich, magisch oder direkt als die nächste Stufe der Evolution, die den Menschen überholt. Infrage gestellt werden diese Aussagen nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall – in den meisten Fällen (genauer in 55 Fällen oder 92 Prozent) scheint der Autor dieses Narrativ offensichtlich für gesetzt zu halten. Ähnlich ist es mit Textpassagen, die die gesellschaftliche Pflicht zur physischen und mentalen Optimierung des Menschen propagieren. Auch dieses Narrativ scheint der Autor in 75 Prozent der Fälle für das einzig mögliche Szenario zu halten. An keiner Stelle stellt Harari diese Narrative infrage oder formuliert mögliche Alternativen. Im Gegensatz zu einem kritischen Sachbuchautor ist Harari also keineswegs neutral. Ein Gesamtbild seines Werks offenbart ihn als klaren Befürworter der angeblich unaufhaltsamen 4. Revolution. Im Kontrast zu den kommenden Datenverarbeitungssystemen erscheint Harari der Mensch kümmerlich „Wozu besteht denn bitte der Vorzug des Menschen gegenüber Hühnern?“ fragt er ganz sachlich.
Nun muss man fragen, ob Harari nicht dennoch „gut“ ist. Vielleicht hat er die vielen komplexen Debatten über technische Grenzen und über die Natur des Menschen einfach nicht im Blick. Vielleicht hat er im Erfolgsstress den Faktencheck umgangen, wie es sein Doktorvater Steven Gunn jüngst in Bezug auf Hararis Promotion anmerkte. Dann hätte er immer noch die Möglichkeit, sich zu dem Gefundenen kritisch zu äußern.
Betrachtet man die emotionale Haltung Hararis zu seinen beschriebenen Inhalten, stellt man fest, dass der Autor sich größtenteils dem Inhalt neutral gegenüberstellt. Genau genommen ist er in zwölf Prozent seiner Technik-Schilderungen positiv eingestellt, in 18 Prozent ist er pessimistisch und in 70 Prozent neutral. Wenn es um die „obsolete Datenverarbeitungsmaschine“ Mensch geht, bejaht er diese Haltung in fünf Prozent der relevanten Textbausteine, in acht Prozent steht er ihr pessimistisch gegenüber und in 87 Prozent bleibt er neutral.
Es ist diese emotionale Neutralität des Autors im Blick noch auf die menschenverachtendsten Aussagen, die dazu führt, dass man am Ende nicht weiß, wo Harari eigentlich selbst steht. Hannah Arendt hätte auf diese Frage eine klare Antwort gehabt, denn wer sich zu Menschenverachtung neutral verhalte, sei „böse“, so banal das klingen mag. Die Distanz, mit der Harari das „gemeine ärztliche Fußvolk“ bespricht und sich darüber lustig macht, wie wohl eine virtuelle Welt aussehen würde, die von einem Versicherungsvertreter entworfen wird, passt gut ins Bild.
Harari will Technik gar nicht hinterfragen, um „uns in die Lage zu versetzen, weit fantasievoller als bisher über unsere Zukunft nachzudenken“, wie er schreibt, denn was er uns präsentiert, ist nichts anderes als die platte transhumanistische Geschichte, an der genau die IT-Industrie reich wird, die ihn wohl zum Star gemacht hat: „Indem wir uns entscheiden, eine (von möglicherweise mehreren alternativen Geschichten) zu erzählen, entscheiden wir uns auch, die andere zum Schweigen zu bringen“, schreibt er selbst. Politiker und Thinktanks, die Harari eine Geschichte abnehmen, die nicht nur wissenschaftlich fragwürdig ist, sondern mit massiven negative Folgen für die Gesellschaft verbunden ist, sollten wissen, dass sie Opfer eines leider zu weit verbreiteten Mythos sind, der nichts anderes bezweckt, als die Macht derer weiter zu mehren, die sowieso schon das kollektive Bewusstsein manipulieren: der Besitzer der großen amerikanischen IT-Unternehmen und KI-Technologien.
Im Netz ist das „Harari-Projekt“ erreichbar unter https://www.wu.ac.at/ec/projects/the-harari-project/. Auch eine Fernsehdokumentation ist geplant.
268 Textpassagen aus
„Homo Deus“ wurden
analysiert
Auch der Tod ist
hier nur noch
„ein technisches Problem“
Sarah Spiekermann, geboren 1973 in Düsseldorf, studierte in Passau, Paris, Oxford und Berlin. Seit 2009 ist sie Professorin am Institut für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Foto: Creative Commons
„Wenn wir Google und seinen Konkurrenten Zugang zu unseren biometrischen Geräten, zu unseren DNA-Scans und zu unseren Krankenakten gewähren, bekommen wir allwissende Gesundheitsdienste.“ – Yuval Noah Harari.
Foto: dpa
Yuval Noah Harari: Homo Deus. C.H. Beck, 13. Auflage, München 2022.
653 Seiten, 24,95 Euro.
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