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In wesentlichen Aspekten seiner Persönlichkeit ist der Mann, der zwölf Jahre lang Deutschland und mit ihm ganz Europa an den Rand des Abgrunds führte, seinen Biographen trotz intensiver Beschäftigung ein Rätsel geblieben. Was war es, das Hitler Denken und Handeln bestimmte? Welchen Ursprungs sind Legenden, die sich um dieses geheimnisvolle Monstrum rankten, wie etwa von seinem "übermenschlichen Wissen"? Der Autor, der auf diese Fragen eine Antwort zu geben versucht, ist kein Laie, kein phantasievoller Außenseiter, sondern ein nüchterner Wissenschaftler. Psychologie-Professor Manfred…mehr

Produktbeschreibung
In wesentlichen Aspekten seiner Persönlichkeit ist der Mann, der zwölf Jahre lang Deutschland und mit ihm ganz Europa an den Rand des Abgrunds führte, seinen Biographen trotz intensiver Beschäftigung ein Rätsel geblieben. Was war es, das Hitler Denken und Handeln bestimmte? Welchen Ursprungs sind Legenden, die sich um dieses geheimnisvolle Monstrum rankten, wie etwa von seinem "übermenschlichen Wissen"? Der Autor, der auf diese Fragen eine Antwort zu geben versucht, ist kein Laie, kein phantasievoller Außenseiter, sondern ein nüchterner Wissenschaftler. Psychologie-Professor Manfred Koch-Hillebrecht legt nach jahrzehntelanger Forschung ein Psychogramm Hitlers vor, das dessen photographisches Gedächtnis ebenso berücksichtigt wie seine Parkinsonsche Krankheit und seine verdrängte Homosexualität. Eine neue umfassende Sicht auf das Ungeheuer an der Spitze eines Machtapparats aus Angst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2004

Hitlers Therapie
Wie sich der Marinepsychiater Forster des Gefreiten annahm

Manfred Koch-Hillebrecht: Hitler. Ein Sohn des Krieges. Fronterlebnis und Weltbild. Herbig Verlag, München 2003. 368 Seiten, 29,90 [Euro].

Der Erste Weltkrieg war die Urkatastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Er vernichtete nicht nur Millionen Menschenleben, wirtschaftlichen Wohlstand und Vermögen, sondern zerstörte auch die Gesellschaften. Der Sieg als einziges Ziel rechtfertigte die Preisgabe rechtlicher, gesellschaftlicher und moralischer Normen, eine der Voraussetzungen für den kommenden absoluten Machtmißbrauch. In seinem neuesten Buch bezeichnet der emeritierte Psychologie-Professor Koch-Hillebrecht Adolf Hitler als "Sohn des Krieges". Die Erkenntnis, daß der Erste Weltkrieg die Psyche der Frontkämpfer schwer schädigte, ist nicht neu. Als klar umrissenes Krankheitsbild ist die "posttraumatische Belastungsstörung" jedoch erst seit den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts untersucht, wissenschaftlich beschrieben und auch als Krankheitsbild von der Weltgesundheitsorganisation anerkannt worden. Koch-Hillebrecht weist bei Hitler die typischen Symptome dieser Krankheit nach.

Im Gegensatz zur damals allgemein anerkannten Vorstellung trug das "Fronterlebnis" keinesfalls zur Reifung der Persönlichkeit bei. Im Gegenteil: "Die Heimkehrer von der Front hatten wesentliche Entwicklungsschritte nicht vollzogen, sie waren retardiert und behielten unreife Verhaltensweisen bei, mit denen sie das Leben auch später bestritten." Kompromißunfähigkeit und Gewaltanwendung blieben ihre bevorzugten Konfliktlösungsstrategien. Einer von ihnen, Adolf Hitler, setzte nach der demoralisierenden Niederlage aus Rassismus, Nationalismus, Demokratiefeindlichkeit und anderen negativen Zeitströmungen ein vermeintlich schlüssiges Weltbild zusammen, das den Ängsten und der Verunsicherung vieler Zeitgenossen Rechnung trug, und hatte die Gabe, diese Ideen einer wachsenden Anhängerschaft zu vermitteln. Koch-Hillebrecht stellt eine schlüssige These zum Ursprung dieser Fähigkeit auf.

Der von Hitler in "Mein Kampf" theatralisch beschriebene Entschluß von Pasewalk, "Politiker zu werden", erfährt durch den Autor eine neue Deutung: Nicht die donnernde Stimme seines Gewissens hat Hitler dazu gebracht, sich zusammenzureißen, es war die des kaiserlichen Marinepsychiaters Professor Dr. Edmund Forster, der Hitlers Erblindung als psychogen erkannte. Den Kriegsneurosen in unterschiedlichsten Formen setzte der Militärpsychiater die Schocktherapie entgegen, und sein wesentliches Ziel war, aus Patienten wieder einsatzfähige Soldaten zu machen. Die von ihm angewandte und wissenschaftlich beschriebene Methode setzte darauf, die Symptome des Patienten als unbedeutend gegenüber den Leiden anderer und der großen gemeinsamen Aufgabe des Sieges darzustellen. Mittels Wachsuggestion wurde den Betroffenen vermittelt, besondere Menschen könnten sich durch Willenskraft heilen. Anschreien wechselte mit beschwörenden Gesprächen, auch Elektroschocks und kalte Duschen fanden Anwendung.

Hitler sprach darauf an und erlangte seine Sehfähigkeit wieder, doch auf gefährliche Weise wirkte die Behandlung weiter: Die Grundlage zum Glauben an seine Auserwähltheit war gelegt, und er sog die Methode in sich auf. Die Möglichkeit, als Reichswehragitator auf Menschen einzuwirken, erweckte seine Fähigkeiten. Zu Recht also hat man seinen Redestil als hypnotisch bezeichnet. Hitler sah sich gleichsam als politischen Arzt, der die Krankheiten des deutschen Volkes ausmerzen mußte. Zunächst konnte er diejenigen, die sein Trauma teilten, mit seinen Ideen und Methoden erreichen: die Frontkämpfer. Deren geradezu mythische Stellung in der Gesellschaft spornte die nächstfolgende Generation an, diese Vorbilder an Ausdauer, Entschlossenheit, Rücksichtslosigkeit und Härte noch zu übertreffen. Diese Untersuchung bestätigt einmal mehr die Erkenntnisse von Joachim Fest über Hitler: "Die Menschen, deren Gefolgschaft und Bewunderung er sich erworben hatte, waren niemals einer Vision, sondern einer Kraft gefolgt . . ."

Das Buch beschränkt sich nicht darauf, die Wirkung des Kriegserlebnisses auf Hitler zu analysieren - ganz Europa ist das vielleicht etwas zu weite Feld, das der Autor beackert. Kaskaden von Fakten und Argumenten aus den verschiedensten Bereichen ergießen sich über den Leser, und manchmal finden auch recht kuriose Thesen aus der in großem Umfang rezipierten historischen Sekundärliteratur Erwähnung. Daß in allzu sorglosem Rückgriff auf vermeintlich sicheres Allgemeinwissen die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann 1918 in Berlin vom Reichstag zum Stadtschloß verlagert wird und sich der "Präsident des Bundesarchivs" (einer Institution, die erst 1952 die Arbeit aufnahm) bereits 1934 gutachterlich geäußert haben soll, wäre kaum erwähnenswert, wenn sich diese Liste nicht noch erheblich erweitern ließe.

KLAUS A. LANKHEIT

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