Es ist ein politisches Erdbeben, als Bundespräsident Horst Köhler im Mai 2010 zurück tritt - letzten Endes wegen eines Satzes. Der Präsident sagt wenige Tage zuvor in einem Interview über den Afghanistan-Einsatz: "Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, (.) zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall, auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die (.) auf unsere Chancen negativ zurückschlagen, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern." Der Satz, der zunächst völlig untergeht, löst heftige Kritik von Politik und Medien aus. Tenor: Köhler wolle aus wirtschaftlichen Gründen Kriege führen, was das Grundgesetz verletze. Oder er wisse nicht, wovon er spreche. Vom "Schwadroneur im Schloss Bellevue" ist die Rede. Köhler ist von der Welle der Kritik entsetzt. Sie entbehre "jeder Rechtfertigung" und "lasse den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen", erklärt er. Der Bundespräsident tritt deshalb von seinem Amt zurück. Intern spricht er dabei von "Schweinejournalismus". Später greift er die Medien auch öffentlich scharf an. Ist Köhler also ein "Opfer" der Medien? Haben sie den Bundespräsidenten in den Rücktritt getrieben? Peter Seybold, freier Journalist und Absolvent des BA Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, analysiert die Berichte zu Köhlers verhängnisvollen Interview. Detailreich prüft er, wie die überregionalen Tageszeitungen, die großen Wochenmedien sowie die entsprechenden Online-Ausgaben Köhlers Äußerungen thematisiert haben. Sind die Artikel überwiegend negativ? Oder bekommt Köhler sogar Zustimmung von einigen Medien? Lässt die Art und Weise der Berichte wirklich Respekt vor dem Präsidenten vermissen, weil sie unsachlich und persönlich-verletzend ist? Und welche Fehler müssen den Medien sonst vorgeworfen werden? Seybolds überraschenden Ergebnisse: Zwar sind eine knappe Mehrheit der Artikel nicht als respektlos zu werten, ein großer Teil aber schon. Qualitätsmedien wie Spiegel/Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung berichten unangemessen über Köhler. Sie tragen so eine Mitschuld an seinem Rücktritt. Andere Medien wie die taz berichten erstaunlich positiv über Köhlers Aussagen.