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Hort erzählt von drei Frauen Ende dreissig, die in einer Wohngemeinschaft leben. Ihr Lebensentwurf orientiert sich nicht an Partnerschaften oder fruchtbaren Jahren, sondern an ihrer grösstmöglichen privaten und beruflichen Unabhängigkeit. Ihre aussergewöhnlichen Körper tragen die Frauen mit Selbstbewusstsein: Petra ist Bodybuilderin und extrem muskulös, Ulla ist riesig und dick und Denise hat mit einem Schlangenarm ihren Körper modifiziert. Ihr Aussehen widerspricht üblichen Normen von Schönheit und Weiblichkeit und bestimmt durch seine Besonderheit ihr Leben mit. Als die Freundinnen drei…mehr

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Produktbeschreibung
Hort erzählt von drei Frauen Ende dreissig, die in einer Wohngemeinschaft leben. Ihr Lebensentwurf orientiert sich nicht an Partnerschaften oder fruchtbaren Jahren, sondern an ihrer grösstmöglichen privaten und beruflichen Unabhängigkeit. Ihre aussergewöhnlichen Körper tragen die Frauen mit Selbstbewusstsein: Petra ist Bodybuilderin und extrem muskulös, Ulla ist riesig und dick und Denise hat mit einem Schlangenarm ihren Körper modifiziert. Ihr Aussehen widerspricht üblichen Normen von Schönheit und Weiblichkeit und bestimmt durch seine Besonderheit ihr Leben mit. Als die Freundinnen drei verwahrloste Kinder aus der Nachbarschaft kennenlernen, bewegen sich ihre Gefühle zwischen besorgter Fürsorglichkeit und steifer Befangenheit. Die Frauen sind keine typischen Mutterfiguren, dennoch fühlen sie sich für die Kinder zuständig ...
Autorenporträt
alias Marie Pohl, *¿1982, studierte Visuelle Kommunikation und Illustration in Hamburg. Sie arbeitet als Illustratorin, Comiczeichnerin und Designerin und lehrt als Gastdozentin Zeichnen und Bilderzählung an verschiedenen Hochschulen. Ihre Comics erscheinen in internationalen Magazinen und Anthologien wie Lagon Revue, Mould Map und Colorama Clubhouse
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2022

GRAPHIC NOVEL
Ein warmes
Schlangennest
Marijpol lotet in ihrem Comic „Hort“
die Grenzen der Body Positivity aus
Schon der Einband des Comics irritiert, vermittelt doch ein dezent eingestanztes Schuppenmuster das Gefühl, eine Schlangenhaut zu berühren. Das Unbehagen passt zur Geschichte dreier Frauen Ende dreißig, die zusammen in einer WG leben und alle sehr besonders sind: Petra ist Bodybuilderin und ein Muskelberg, Ulla eine sehr dicke Riesin, und Denise hat ihren Körper zur Schlangenfrau modifiziert: ein Bein und einen Arm durch einen Schlangenkörper ersetzt, an dessen Ende sich keine Hand, sondern ein Schlangenkopf mit Giftzähnen befindet.
Solcher Körperhorror erinnert an Filme von David Cronenberg. Wo es um Zwitter, Gestaltwandler, Supermänner oder -frauen geht, ist aber auch der Comic ganz bei sich. Die Hamburger Zeichnerin Marie Pohl alias Marijpol hatte schon mit „Trommelfels“ (2011) und „Eremit“ (2013) ihre Faszination für bizarre Figuren bewiesen, die – wie der Eremit mit gespaltenem Kopf – ihr Innerstes nach außen kehren. Auch in „Hort“ provoziert sie mit Bildern, die so faszinierend wie unheimlich sind. Manche Figuren haben Fell im Gesicht oder Noppen auf dem Kopf. Man sieht den seltsamen Wesen das Vergnügen, das Marjipol beim Zeichnen gehabt haben muss, und ihre Zuneigung zu diesen Figuren an.
Jede der drei WG-Frauen ist einsam, aber alle drei sind auch so selbstbewusst, dass sie sich nicht als traurige Freaks fühlen. Außerdem sind sie liebevoll und fürsorglich miteinander – die WG ist ein warmes Nest. Grotesk-komisch und rührend sind die Momente, in denen die Frauen einander bei Alltagsdingen helfen: Wenn etwa Petra ihren Körper für einen Bodybuilder-Wettkampf präpariert und Denise ihr mit dem Schlangenkopf künstliche Brüste aufklebt (vorsichtshalber mit Maulkorb). Ein Hoch auf die Sisterhood!
Marijpol hat ihren Comic in zarten Lilatönen gezeichnet, ein zarter Hinweis darauf, dass er sich als „queer“ und feministisch lesen lässt. Zudem drehen sich die Konflikte vor allem um Vorstellungen von Weiblichkeit. Als die drei Frauen drei verwahrloste Kinder aus der Nachbarschaft kennenlernen, sind sie zuerst befangen, fühlen sie sich dann irgendwie zuständig und genießen schließlich das Ersatzmuttersein. Sehnsüchte tauchen auf. Aber wie ließe sich die Verantwortung für ein Kind mit dem krassen Individualismus der drei vereinbaren?
Das alles ist einerseits so seltsam, so weird, dass selbst gutwillige Leserinnen ihre Toleranz gegenüber diversen Identitäten womöglich überdenken. Würde man sich von Denise berühren lassen, die als Yogalehrerin mit ihrem Schlangenarm die Haltung von Schülerinnen korrigiert? In dieser körperpositiven Zeit, die so vieles eingemeindet und domestiziert, tut es gut, Fremdes wieder als unheimlich zu erleben. Mancher Reiz braucht die Distanz. Zudem hat das offensive Wohlwollen vieler gender- und körpertypischer Menschen gegenüber den „Anderen“ immer auch etwas Paternalistisches.
Die Supermonsterfrauen in „Hort“ sind bei aller weirdness auch so rührend lieb, dass man sie einfach mögen muss – die Spannung zwischen Abscheu und Sympathie macht das Buch interessiert. Diese Spannung wird nicht durch Identitätsdebatten oder andere Deutungskämpfe aufgelöst, stattdessen gibt es einen freundlichen Pragmatismus: der einer Giftschlange schon mal einen Maulkorb verpasst oder einen Schlangenhort als Kita akzeptiert.
MARTINA KNOBEN
Marijpol:
Hort.
Graphic Novel.
Edition Moderne,
Zürich 2022.
368 Seiten,
28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Martina Knoben bemerkt gleich, wie viel Zuneigung die Zeichnerin Marijpol ihren Figuren entgegenbringt: Sie erzählt von drei Frauen mit seltsamen Körpern - einer Bodybuilderin, einer dicken Riesin und einer Schlangenfrau -, die in ihrer WG sehr liebevoll miteinander umgehen, aber durch drei verwahrloste Kinder aus der Nachbarschaft auch auf ihren krassen Individualismus gestoßen werden. Knoben gefällt, dass Marijpol die Spannung zwischen Abscheu und Sympathie zulässt: Ihre weirden Supermonster müssen nicht von vornherein als okay akzeptiert werden. Dass am Ende ein freundlicher Pragmatismus die WG in ein warmes Schlangennest verwandelt, ist nach dem Geschmack der Rezensentin.

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