Hotel Angst - das ist ein Ort, der nicht nur über seinen Namen unvergesslich wird. Es ist ein Luxushotel der Jahrhundertwende, eine Titanic unter den mondänen Prachthotels dieser Welt, direkt an der italienischen Riviera gelegen. Das Geheimnis seines Namens: Benannt ist es nach seinem Besitzer Adolf Angst. Hier verbrachte John von Düffels Erzähler als Kind die Ferien. 'Hotel Angst' erzählt die Geschichte dieses aufgeladenen Ortes, der bewohnt wird von seiner Vergangenheit und von der Erinnerung an den Vater, der davon träumt, das Hotel Angst wieder zu eröffnen. Die Magie des Ortes und der Geschichte fangen Isabel Kreitz' Zeichnungen ein. Sie wurde 1997 als 'Beste deutsche Comiczeichnerin' ausgezeichnet und ist den Lesern bekannt durch ihre Graphic-Novel-Bearbeitungen zeitgenössischer und klassischer Literatur.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2010Urlaub im Bleistiftgebiet
John von Düffels Erzählung "Hotel Angst"
Verstörend, wenn man als Erwachsener die Schauplätze der eigenen Kindheit besucht: Alles erscheint mit einem Mal kleiner, gewöhnlicher als in der Erinnerung. Man blickt zurück durch die Schichten späterer Erfahrungen - ich ist ein anderer geworden. John von Düffels Erzählung "Hotel Angst" beschreibt dieses Gefühl der Enttäuschung und Verunsicherung. So liefert der schmale Text eine üppige und genaue Beschreibung von Kindheit. Sein Erzähler kehrt, kurz nach dem Tod des Vaters, zurück in das italienische Küstenstädtchen Bordighera, wo die Familie in seiner frühen Jugend einige Urlaube verbrachte: Die einst als sündig erlebte Promenade des Ortes kommt dem Erwachsenen nun "unsagbar harmlos" vor - obwohl sich dort die Dramen seiner erwachenden Sexualität abspielten.
Es ist nicht die Promenade, die den Erzähler zurück nach Bordighera lockt, sondern ein verfallenes Grand Hotel. Wie für einen Gruselfilm erfunden klingt sein Name: "Hotel Angst", ein monströses Relikt aus der glamourösen Vergangenheit der Stadt, die um die Jahrhundertwende bevorzugter Kurort der britischen Oberschicht war. Dieses Hotel hatte der Vater des Erzählers jahrelang dem Dornröschenschlaf entreißen wollen. Erst real, indem er es renovieren und wieder eröffnen wollte, später literarisch durch einen Roman, den er lange plante und doch nie schrieb.
Das alles erzählt von Düffel mit doppelter Distanzierung: Nicht nur schreibt er durch den Filter des Erinnerns - die Erzählung scheint zumindest autobiographisch gefärbt -, sondern wählt auch noch statt der erwartbaren Ich-Perspektive die des Du. Dieser Kniff ist die einzige Schwachstelle des Textes, die Anredeform schwächt die Erzählung, ihren Gestus von Intimität. Sonst gelingt diesem Büchlein beinahe alles; die Ausflüge in die Kindheit sind von wunderbarer Plastizität, die zahlreichen historischen Episoden um das Grand Hotel so komplex wie unterhaltsam.
"Hotel Angst" erschien bereits 2006, nun aber hat der Verlag die Erzählung von Isabel Kreitz, der prämierten Comiczeichnerin, filigran illustrieren lassen. Ihre Zeichnungen zeigen das, was man in jedem Urlaub sieht, aber nie fotografiert: Statt Goethes Goldorangen sieht man bei ihr das Hotelbadezimmer, wo im Neonlicht die Frotteetücher hängen. Kreitz zeichnet mit genauem, aber weichem Bleistift, so dass man fürchtet, die Bilder beim Umblättern zu verwischen. Sie wirken gefährdet - ganz wie die Erinnerung und das marode Hotel Angst.
KATHLEEN HILDEBRAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
John von Düffels Erzählung "Hotel Angst"
Verstörend, wenn man als Erwachsener die Schauplätze der eigenen Kindheit besucht: Alles erscheint mit einem Mal kleiner, gewöhnlicher als in der Erinnerung. Man blickt zurück durch die Schichten späterer Erfahrungen - ich ist ein anderer geworden. John von Düffels Erzählung "Hotel Angst" beschreibt dieses Gefühl der Enttäuschung und Verunsicherung. So liefert der schmale Text eine üppige und genaue Beschreibung von Kindheit. Sein Erzähler kehrt, kurz nach dem Tod des Vaters, zurück in das italienische Küstenstädtchen Bordighera, wo die Familie in seiner frühen Jugend einige Urlaube verbrachte: Die einst als sündig erlebte Promenade des Ortes kommt dem Erwachsenen nun "unsagbar harmlos" vor - obwohl sich dort die Dramen seiner erwachenden Sexualität abspielten.
Es ist nicht die Promenade, die den Erzähler zurück nach Bordighera lockt, sondern ein verfallenes Grand Hotel. Wie für einen Gruselfilm erfunden klingt sein Name: "Hotel Angst", ein monströses Relikt aus der glamourösen Vergangenheit der Stadt, die um die Jahrhundertwende bevorzugter Kurort der britischen Oberschicht war. Dieses Hotel hatte der Vater des Erzählers jahrelang dem Dornröschenschlaf entreißen wollen. Erst real, indem er es renovieren und wieder eröffnen wollte, später literarisch durch einen Roman, den er lange plante und doch nie schrieb.
Das alles erzählt von Düffel mit doppelter Distanzierung: Nicht nur schreibt er durch den Filter des Erinnerns - die Erzählung scheint zumindest autobiographisch gefärbt -, sondern wählt auch noch statt der erwartbaren Ich-Perspektive die des Du. Dieser Kniff ist die einzige Schwachstelle des Textes, die Anredeform schwächt die Erzählung, ihren Gestus von Intimität. Sonst gelingt diesem Büchlein beinahe alles; die Ausflüge in die Kindheit sind von wunderbarer Plastizität, die zahlreichen historischen Episoden um das Grand Hotel so komplex wie unterhaltsam.
"Hotel Angst" erschien bereits 2006, nun aber hat der Verlag die Erzählung von Isabel Kreitz, der prämierten Comiczeichnerin, filigran illustrieren lassen. Ihre Zeichnungen zeigen das, was man in jedem Urlaub sieht, aber nie fotografiert: Statt Goethes Goldorangen sieht man bei ihr das Hotelbadezimmer, wo im Neonlicht die Frotteetücher hängen. Kreitz zeichnet mit genauem, aber weichem Bleistift, so dass man fürchtet, die Bilder beim Umblättern zu verwischen. Sie wirken gefährdet - ganz wie die Erinnerung und das marode Hotel Angst.
KATHLEEN HILDEBRAND
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Angst! Hat Christoph Bartmann tatsächlich beim Lesen dieser mit Illustrationen versehenden wieder aufgelegten Erzählung John von Düffels von 2006. Wie kommt's? Das kleine Stück spielt doch im lieblichen Ligurien. Aber wo ein Hotel diesen Namen trägt, ist Unheimliches eben mit von der Partie, ahnt auch der Rezensent und folgt dem Erzähler bei seiner Obsession, dem Hoteltraum seines Vater an ebenjener Küste nachzuspüren. Das geht schief, soviel verrät Bartmann, und führt geradewegs ins Dunkle. Wie gut die Bleizeichnungen von Isabel Kreitz dazu passen, lässt uns Bartmann wissen und genießt wieder den Grusel, der über dem Ganzen liegt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Einen großartige, große Erzählung [...] Ein Meisterwerkchen." DIE WELT "Isabel Kreitz' altmeisterliche Bleistiftzeichnungen im klassischen Comic-Stil verstärken den Eindruck der Unheimlichkeit, die ohnehin schon über John von Düffels Erzählung liegt (...) Ligurien noir." SZ "Diese kurze, gerade einmal 100 Seiten umfassende Erzählung ist ein kleines Meisterstück." BUCH AKTUELL "Eine kleine, feine Erzählung." WIESBADENER KURIER