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Es war in den letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs, als nicht wenige Bonzen des Regimes und SS-Offiziere über den Brenner flohen und in schlecht beheizten Gaststuben bei einem Schoppen Rotwein ihre Weiterfahrt planen. Von dieser "Stunde Null" bis ins Südamerika der 80er, wo sich Typen solcher und ganz anderer Herkunft ein Stelldichein geben, spannt Walter Klier den Bogen seines Romans "Hotel Bayer". Neben Altnazis und ihren jüdischen Jägern, hat der Zufall Revolutionäre verschiedener Ideologien und heruntergekommene Advokaten, blauäugige amerikanische Touristinnen oder dubiose Abgesandte des…mehr

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Produktbeschreibung
Es war in den letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs, als nicht wenige Bonzen des Regimes und SS-Offiziere über den Brenner flohen und in schlecht beheizten Gaststuben bei einem Schoppen Rotwein ihre Weiterfahrt planen. Von dieser "Stunde Null" bis ins Südamerika der 80er, wo sich Typen solcher und ganz anderer Herkunft ein Stelldichein geben, spannt Walter Klier den Bogen seines Romans "Hotel Bayer". Neben Altnazis und ihren jüdischen Jägern, hat der Zufall Revolutionäre verschiedener Ideologien und heruntergekommene Advokaten, blauäugige amerikanische Touristinnen oder dubiose Abgesandte des Vatikans in einer kleinen, vor Hitze fast gelähmten Stadt in Bolivien zusammengewürfelt. Rätsel lösen sich oder tun sich aufs neue auf, und nicht alle handelnden Personen ahnen, in welcher Gefahr sie schweben...Klier knüpft und löst seine Handlungsfäden auf verschiedenen Zeitebenen und entwickelt einerseits kaleidoskopartig das satirische Porträt einer "typischen" südamerikanischen Stadt. Andererseits vermögen seine Figuren und ihre jeweile Geschichte, ihre Gedanken, Erinnerungen und Gespräche untereinander ein faszinierendes Bild von Politik und Ideologien Europas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu skizzieren.
Autorenporträt
Walter Klier, geboren 1955, lebt in Innsbruck. Mitherausgeber der Kulturzeitschrift Gegenwart (1989-1997). Schriftsteller, Essayist, Kritiker sowie Autor von Berg- und Wanderführern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.05.2004

Che Guevaras traurige Falten
Provinz des Jahrhunderts: Ein Südamerika-Roman von Walter Klier

Die Menschen in diesem Roman sind ständig unterwegs, aber irgendwann gelangen sie alle nach Bolivien, und zwar in die kleine, unter der Hitze brütende Stadt Nuestra Señora de la Sierra. Heruntergekommene koloniale Pracht, eine überdimensionierte Kathedrale, dazu schäbige Hotels, viel Schweiß und noch mehr Alkohol - so wiedererkennbar ist der Ort aus zahllosen Südamerika-Filmen. Und selbstverständlich ist er auf keiner Landkarte zu finden.

Dort führt Walter Klier im Sommer 1982 seine Figuren zusammen. Gelenkt werden sie von recht profanen Motiven, aber die Choreographie für ihre Lebenswege ist kompliziert. Reichlich ist dabei von Geschichte die Rede, und das bedeutet für Südamerika vor allem das Scheitern der großen politischen Ideen des 20. Jahrhunderts. In schönster Symmetrie sitzen ihre Akteure in den bolivianischen Cafés und Hotelbars nebeneinander: der ehemalige Nazi, der unverdrossen seine rassehygienischen Ideen fortspinnt und sich den ach so sprechenden Decknamen Altmann zugelegt hat; die jungen Desperados, die von einem Putsch reden und vor allem Drogengeschäfte meinen, der bolivianische Anwalt, der dem vergangenen Ruhm seiner Familie nachtrauert, der römische Kleriker, der sich, unbekümmert um die Dogmen seiner Kirche, auf die Suche nach einem geheimnisvollen mittelalterlichen Manuskript gemacht hat, der Hochstapler aus den Vereinigten Staaten, der durch dubiose Landverkäufe reich werden will, und schließlich die jungen Rucksacktouristinnen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten, die von Revolution, freier Liebe und der Rettung des Regenwaldes träumen und doch immer nur in Absteigen landen, wo sie sich mit kleinen und großen Ganoven einlassen.

Aus solchen Zutaten können spannende Abenteuer- und Agentengeschichten entstehen, aber Walter Klier will anderes als das Reißerische. Mit leiser Ironie führt er die verschiedenen Handlungsstränge nebeneinander her, deutet dramatische Verwicklungen nur an und betrachtet seine Figuren allesamt mit dem nüchternen Interesse eines Insektenforschers, der Ordnung in das Gekrabbel in seiner Botanisiertrommel bringen möchte. Zwar scheint ihm keine seiner Gestalten besonders sympathisch zu sein, doch vermeidet er es, ihr Handeln direkt zu bewerten oder gar zu verurteilen. Erzählerische Nüchternheit bedeutet in diesem Fall freilich auch emotionale Distanz: Die Schicksale seiner Figuren fesseln kaum.

Am Ende ist denn auch erstaunlich wenig passiert: Der Priester hat in der Kathedrale auf Anhieb eine alte Handschrift gefunden und ist von ihrem Inhalt überrascht, Altnazi Altmann entgeht einem Anschlag und hängt weiter seinen Phantasien nach, und die jungen Frauen überstehen unverletzt eine Autofahrt mit den Drogenschmugglern. Die Zimmer des Hotels werden weiter an Reisende durch die bolivianische Provinz vermietet, und es wird für immer das Geheimnis des geschäftstüchtigen Hoteliers bleiben, ob der zurückgezogene Stammgast in Zimmer 7 tatsächlich jener sagenumwitterte Doppelgänger von Che Guevara ist, über den man sich im Städtchen viele Geschichten erzählt.

Was das Buch dennoch lesenswert macht, sind vor allem die satirischen Passagen über die naive Begeisterung für den großen Che, der junge Europäer ebenso erliegen wie südamerikanische Berufsrevoluzzer: Von dieser Ergriffenheit führt ein kurzer Weg zu dem Politkitsch in deutschen WG-Küchen, in denen "die immergleichen gemeinschaftlichen Eintöpfe und Pizzen verdrückt wurden und Hektoliter von billigem Rotwein". Auf dieses kollektive Menü aber "blickte er hin, es war immer das gleiche Foto, ein Welterfolg, auf dem er, Ernesto Guevara de la Serna, in Wirklichkeit aber wie ein Hund dreinschaute mit traurigen Falten um die Augen, diese Augen, die Santiago auf Abruf heilige Schauer über den Rücken zu jagen vermochten".

In solchen Miniaturen kondensiert der 1955 geborene Walter Klier Erfahrungen seiner eigenen Generation, und so gewinnt sein kleiner Roman schließlich doch noch eine persönliche Note: durch die pointierte Schilderung jener Töchter und Söhne, die ihren Eltern ihre politischen Verstrickungen vorwerfen in dem festen Bewußtsein, daß sie selbst, die Jungen, "dieser unter allen anderen Generationen auserwählten angehören, die als erste entschlossen und unnachgiebig nachdachte". Denn dieser selbstverliebte Stolz auf die eigene Unfehlbarkeit verbindet die meisten Figuren, und erkennen läßt sich das tatsächlich erst aus kühler Distanz.

SABINE DOERING

Walter Klier: "Hotel Bayer". Eine Geschichte aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Haymon Verlag, Innsbruck 2003. 160 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2003

Das Gewissen im Schlafsack
Walter Kliers südamerikanische Erzählung „Hotel Bayer”
Walter Kliers „Hotel Bayer”,
eine
„Geschichte aus dem zwanzigsten Jahrhundert” (so der Untertitel) spielt in Südamerika und funktioniert wie ein Kaleidoskop. Klier erzählt von einer Reihe von Leuten, die aus unterschiedlichen Gründen in die bolivianische Stadt Nuestra Senora de la Sierra gekommen sind. Da sind zwei flüchtige Altnazis, von denen sich einer Altmann nennt und Eichmann nachgebildet ist, während der andere von allen bloß „der Doktor” genannt wird und an Mengele erinnert. Der Jude Goldberg will seinen Vater rächen, der von Altmann umgebracht wurde, fühlt aber im entscheidenden Moment nicht den Hass in sich, der allein ihn zum Töten befähigen könnte.
Zwei blauäugige Touristinnen, eine Deutsche und eine Amerikanerin, sind auf der Suche nach dem „wirklichen” Bolivien. Sie verurteilen die Ungerechtigkeiten der südamerikanischen Geschichte, stehen aber blind vor der Situation, dass sie sich mitten in dieser Geschichte befinden und dem „Doktor” auf den Leim gehen. Giovanelli, ein verschrobener Angestellter des Vatikans, treibt obskure Studien in verfallenen Kathedralen der Stadt. Schließlich gibt es noch den amerikanischen Drogendealer, der ausgerechnet Lawson heißt und eine neue Generation von Konquistadoren vorstellt, die das Gold Südamerikas im Handel mit Rauschgift findet. Alle treffen sie im „Hotel Bayer” zusammen. Man schreibt das Jahr 1982.
Die Vielfalt der Figuren ist ein Werkzeug eher des Essayisten als des Erzählers Klier. Er will sich aus verschiedenen Blickwinkeln der Frage nähern, was Südamerika für den Rest der Welt bedeutet. Sein Text ist differenziert wie ein guter Essay, aber er ist zugleich eine Geschichte, die jede Beobachtung mit Leben füllt. Einerseits, so legen Kliers Suchende nahe, ist Südamerika der Ort, an dem die Geschichte noch Wahrheit, die Zukunft gigantischen Profit und die Gegenwart die Freuden eines „authentischen”, nicht-touristischen Tourismus verspricht – also eine riesige Projektionsfläche für „westliche” Ideologien. Andererseits dient den Figuren Südamerika als Arena zur Lösung von Problemen, mit denen sie in ihrer Heimat zu kämpfen haben. Die Geschichte Goldmanns beleuchtet nicht nur die „Verjährung” von Schuld von ihrer psychologischen Seite her, sie wirft zugleich die Frage auf, ob nicht auch der Wunsch nach Integration in seine Heimat den französischen Juden Goldberg als verspäteten und selbst ernannten Agenten der „Résistance” zur Tat schreiten lässt.
Giovanelli will in Südamerika sein berufliches Versagen in Europa ruhmreich ungeschehen machen. Ähnlich geht es den Händlern mit den schmutzigen Händen, die den Reichtum, den ihre postindustriell entwickelte Heimat verspricht, nur inmitten von Armut und Rechtlosigkeit finden – Kolonialismus als Ersatz für Innenpolitik. Und die junge Deutsche trägt den nationalen Schuldkomplex, den sie von ihren Eltern übernommen hat, ebenso fest in sich, wie sie ihren Schlafsack auf dem Rücken durch Nuestra Senora de la Sierra trägt.
Klier ist eher bei seinen historischen und politischen Thesen als bei seinen Figuren. Er wartet mit einer Vielzahl von historischen Details auf, die in die zahlreichen, manchmal allzu sehr in Richtung Hemingway aufblickenden Dialoge eingeflochten sind. Wer sich für die Geschichte Südamerikas und das Verhältnis des Kontinents zu Europa und den USA interessiert, wird „Hotel Bayer” mit Gewinn lesen.
KAI MARTIN WIEGANDT
WALTER KLIER: Hotel Bayer. Eine Geschichte aus dem zwanzigsten Jahrhundert. Haymon-Verlag, Innsbruck 2003. 176 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Friedhelm Rathjen zeigt sich von diesem Roman, in dem die verschiedensten Reisenden in einem Hotel irgendwo in Bolivien aufeinander treffen und deren Geschichten sich miteinander verknüpfen, sehr angetan. Walter Klier erzählt sehr "europäische Geschichten" von geflohenen Nazis und Rucksacktouristen, die mehr gemeinsam haben als sie ahnen, erklärt der Rezensent. Da aus der wechselnden Perspektive verschiedener Figuren erzählt wird, weiß der Leser bald mehr als die Protagonisten, so Rathjen. Und auch die Figuren streben stets danach, mehr über den jeweils anderen zu wissen, als dieser über sie selbst herauskriegen kann, und es geht ihnen immer auch darum, die anderen "auszutricksen". Doch am Ende sei der "schlaumeierische Leser" doch der "Dumme", denn er verstricke sich unbemerkt in diesem "trickreich" geknüpften Text, in dem sich Gewissheiten in "Täuschungen" verwandeln. Der Leser erwartet am Ende des Romans zwar, wie Rathjen meint, einen "großen Knall", doch löst der Autor stattdessen seine Erzählstränge "genauso behutsam" wie er sie angelegt hat, stellt er eingenommen fest. Klier bietet keine Lösungen, keinen "Sinn", sondern führt in seinem Roman die "Selbstzerstörung allen Sinns" vor, meint der Rezensent, der die Figuren dieses Buchs den "Alptraum des 20. Jahrhunderts" träumen sieht.

© Perlentaucher Medien GmbH
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