Den einen war es Zuflucht, den anderen Gefängnis: das 1911 erbaute Moskauer Hotel Lux. Zunächst nur ein Gästehaus der Kommunistischen Internationale, also für kommunistische Parteigenossen aus aller Welt, wurden hier später führende politische Emigranten einquartiert. Unter dem Dach des Lux wurde
ein Dutzenden Sprachen gesprochen, politisiert, konspiriert und diskutiert. Jahrelang wohnten hier…mehrDen einen war es Zuflucht, den anderen Gefängnis: das 1911 erbaute Moskauer Hotel Lux. Zunächst nur ein Gästehaus der Kommunistischen Internationale, also für kommunistische Parteigenossen aus aller Welt, wurden hier später führende politische Emigranten einquartiert. Unter dem Dach des Lux wurde ein Dutzenden Sprachen gesprochen, politisiert, konspiriert und diskutiert. Jahrelang wohnten hier Walter Ulbricht, Herbert Wehner, Georgi Dimitroff, Marschall Tito, Ho Chi Minh oder Tschou En-Lai.
In das legendäre Hotel zogen sich auch viele deutsche Kommunisten in der Zeit des Nati-onalsozialismus zurück. Vor dem Hitlerfaschismus war man hier zwar sicher, aber nicht vor Stalins Terror und so wurde der Zufluchtsort während der Stalinistischen Säuberungen zu einer gnadenlos zuschnappenden Menschenfalle. Schließlich drohten Denunziation, Folter, Arbeitslager oder Erschießung.
Die engagierte österreichische Kommunistin Ruth von Mayenburg (1907-1993) nahm aktiv am Februaraufstand teil und musste anschließend ins Ausland fliehen. In der Emigration wurde sie Mitglied der KPÖ und war Mitarbeiterin der Propaganda-Abteilung der Sowjetarmee, zuletzt im Grad einer Obristin. Von 1938 bis 1945 wohnte sie im Hotel Lux, das sie das „Absteigequartier der Weltrevolution“ nannte. Nach dem Krieg kehrte sie nach Wien zurück, wo sie als Publizistin und Filmdramaturgin arbeitete.
Über ihre Zeit im Moskauer Exil hat Ruth von Mayenburg den höchstlebendigen, doku-mentarisch fundierten Augenzeugenbericht „Hotel Lux“ geschrieben, der 1978 veröffentlicht wurde und viele Jahre nicht lieferbar war. Die „gespenstische Geschichte“ des Hotel Lux war nicht nur ein Erinnerungsbuch sondern zugleich ein Memorial für die heute namenlosen Opfer.
1991 kehrte Ruth von Mayenburg mit dem Dokumentarfilmer Heinrich Breloer das erste Mal nach 46 Jahren ins Hotel Lux zurück und begab sich auf eine emotionale Reise in ihre kommunistische Vergangenheit. Auf den Fluren des ehemaligen Emigrantenhotels erzählte sie dem Filmemacher, wie das „Lux“ funktionierte. Diese Hintergrundinformationen nutzte er später für sein Dokudrama „Wehner. Die unerzählte Geschichte“ (1993).
Nun ist eine Neuauflage ihres erschütternden Dokumentes im Münchner Elisabeth Sand-mann Verlag erschienen, ergänzt mit den Reise- und Drehbuchnotizen von Heinrich Breloer. „Hotel Lux - Die Menschenfalle“ schildert höchst lebendig, wie das Hotel Lux für seine „Gäste“ zum Ort des Schreckens wurde, dabei begleiten zahlreiche historische Dokumente, Fotos und Bilder aus Filmszenen den spannenden Text.
Manfred Orlick