From the bestselling, Booker-shortlisted writer of Italian Ways and Europa, a classic novel about a man's emotional reckoning in a changed world far from home
Frank's reclusive existence in a leafy part of London is shattered when he is summoned to Milan for the funeral of an old friend. Preoccupied by this sudden intrusion of his past, he flies, oblivious, into the epicentre of a crisis he has barely registered on the news.
It is spring, his luxury hotel offers every imaginable comfort; perhaps he will be able to weather the situation and return home unscathed? What Frank doesn't know is that he's about to make a discovery that will change his heart and his mind.
The arresting new novel from Booker Prize-shortlisted Tim Parks, Hotel Milano is a universal story from a unique moment in recent history: a book about the kindness of strangers, and about a complicated man who, faced with the possibility of saving a life, must also take stock of his own.
Praise for In Extremis:
'Parks's prose brings us closer to the pressures and rhythms of a lived life than the work of any other contemporary writer I can think of'
Mike McCormack, New Statesman Books of the Year
'Head and shoulders above so many of the books turned out by similar writers... A wonderfully written novel'
Kirsty Gunn, Guardian
'Tim Parks is a hugely talented writer'
Sunday Times
Frank's reclusive existence in a leafy part of London is shattered when he is summoned to Milan for the funeral of an old friend. Preoccupied by this sudden intrusion of his past, he flies, oblivious, into the epicentre of a crisis he has barely registered on the news.
It is spring, his luxury hotel offers every imaginable comfort; perhaps he will be able to weather the situation and return home unscathed? What Frank doesn't know is that he's about to make a discovery that will change his heart and his mind.
The arresting new novel from Booker Prize-shortlisted Tim Parks, Hotel Milano is a universal story from a unique moment in recent history: a book about the kindness of strangers, and about a complicated man who, faced with the possibility of saving a life, must also take stock of his own.
Praise for In Extremis:
'Parks's prose brings us closer to the pressures and rhythms of a lived life than the work of any other contemporary writer I can think of'
Mike McCormack, New Statesman Books of the Year
'Head and shoulders above so many of the books turned out by similar writers... A wonderfully written novel'
Kirsty Gunn, Guardian
'Tim Parks is a hugely talented writer'
Sunday Times
Hotel Milano is one of Tim Parks' most engaging and satisfying books Scotsman, _Summer Reads of 2023_
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2023Luxusherberge im Lockdown
Seuchen-Roman ohne das Wort "Corona": Tim Parks reist mit seinem "Hotel Milano" zu den Anfängen der Pandemie
Der Anruf kam am Freitag, dem 6. März 2020, gegen Mitternacht: Dan Sandow, der viele Jahre eine renommierte Zeitschrift in New York herausgegeben hat, sei gestorben und Frank Marriot, so hatte diesem ein höflicher junger Mann eröffnet, als einer "unserer europäischen Mitarbeiter" zur Beerdigung eingeladen. Die finde am folgenden Nachmittag in Mailand statt, wo Dan neben seiner geliebten Vittoria beigesetzt werden wollte. Eine halbe Stunde später hatte Frank einen Flug von London nach Mailand gebucht. Am frühen Morgen machte er sich auf den Weg; statt Single-Malt-Whisky kaufte er noch eine Reiselektüre: Tennysons Gedichte, die ihn zu flapsigen Anspielungen und Analogien anregen.
Warum er entgegen seiner Gewohnheit und trotz seiner fünfundsiebzig Jahre spontan zugesagt hat, kann Frank sich nicht erklären. Es gab tausend gute Gründe dagegen. Lange hatte der angesehene Journalist von dem "alten Freund und Rivalen", den er seit dem Studium in Harvard kannte, nicht mehr gehört, noch länger nichts mehr für ihn geschrieben. Mit Franks Frau Connie hatte Dan eine Affäre, über die die Ehe zu Bruch gegangen war, nicht aber die Freundschaft der beiden Männer. Die hatte erst Dans Weigerung beendet, einen "berühmten" Artikel von Frank zu veröffentlichen. Hatte er, so fragt sich Frank, gehofft, Connie auf der Beerdigung wiederzusehen?
Der Anruf holt Frank Marriot, den Icherzähler von Tim Parks' Roman "Hotel Milano", aus einem Leben, das ähnlich eingestaubt ist wie seine bescheidene Wohnung. Die Nachrichten verfolgt er nicht mehr; einmal im Monat schaut er auf die Börsenberichte, ob sein Geld reicht. Die Menschen beobachtet er mehr, als dass er mit ihnen Kontakt hätte. Die Warnung seines Sohnes Ben, "dass Mailand das Zentrum der Epidemie ist", nimmt er nicht ernst. Während er seinen Erinnerungen nachhängt, (tag)träumt und verpasste Möglichkeiten sortiert, wird ihm nur allmählich bewusst, welches Risiko er eingegangen ist.
Doch seine Wahrnehmung schärft sich, bald kann er keine Schlagzeile mehr auslassen: Überaufmerksam registriert er die Veränderungen und Verschiebungen im Alltag, die Vorsichtsmaßnahmen und Reglementierungen, angefangen bei der Sicherheitskontrolle, an der er nicht warten muss, und den von Taschentüchern überquellenden Mülleimern. Schlüsse aber zieht er keine daraus, offenen Auges rutscht er in die Krise. Den Aufenthalt will er wenigstens genießen. Er steigt im Grand Hotel Milano ab und schlürft Veuve Clicquot: "Die teuerste Hotelbuchung meines Lebens."
Die fluchtartige Reise ist eine Bewegung auf den Tod zu, dem Frank immer näher kommt. Die Beerdigung, die die Handlung auslöst, ist deren erstes Motiv und wird, wie Frank schweifend und assoziativ auf sein Leben zurückblickt, aufgegriffen und variiert: Er spürt das Alter, verletzt sich am Knie, braucht einen Stock und läuft in der Erinnerung immer wieder Wege mit seiner letzten Frau, der sehr viel jüngeren Rachel, ab, der die Ärzte noch ein Jahr gegeben hatten und die dann mit ihm, der dafür sein Haus verkauft hatte, auf Weltreise ging und noch fünf Jahre lang lebte. Umso weniger berechenbar muss da das Virus erscheinen: Wie es Frank in einen Unsicherheitszustand zwischen Angst und Ignoranz, Leichtsinn und lauernder Gefahr versetzt, erfasst Parks mit beunruhigender Genauigkeit, scharf streift er die italienischen Zustände von der Behördenpedanterie über prekäre Arbeitsverhältnisse bis zum Nord-Süd-Gefälle. Das Wort "Corona" wird ausgelassen: Nicht die Pandemie wird diagnostiziert, sondern die Hilflosigkeit im Umgang mit ihr.
Frank ist ein alter weißer Mann. Grüblerisch, ichbezogen, selbstironisch. Mit dem überhitzten Medien- und Meinungsmarkt will er nichts (mehr) zu tun haben. Der Kurztrip in ein eingeschränktes, von Abstandsgeboten und Berührungsverboten, Gelspender und Fieberpistole bestimmtes öffentliches Leben bringt ihn paradoxerweise wieder etwas in Gesellschaft: erst durch die Trauergemeinschaft mit Freunden und Kollegen von Dan, dann mit Angestellten und Gästen des Hotels. Kleine Nettigkeiten, lose Kontakte. Doch es gibt kein Zurück. Das Hotel wird zur Falle. Flüge aus der Lombardei sind ausgebucht, dann annulliert. Um das Haus zu verlassen, muss ein Formular ausgefüllt werden, Aufzüge dürfen nur noch aufwärts benutzt werden, Abendessen im Frühstücksraum, der Service wird reduziert. Landesweiter Lockdown.
Die Stadt steht still. Von der Decke hört Frank Klopfgeräusche, die häufiger und stärker werden. Als er ihnen nachgeht, stößt er im Dachgeschoss auf den fünfjährigen Hakim, dessen Mutter Rania und infizierten Großvater Omar, die sich vor Hakims Vater verstecken, der sie mit zurück nach Ägypten nehmen will. Im Luxushotel haben sich blinde Passagiere einquartiert. Die Entdeckung lässt Frank zu ihrem Komplizen werden und weckt seine Empathie: Er umsorgt die gestrandete Familie, bringt ihr vom Büfett Croissants und Äpfel mit, schützt sie und holt sie in sein Zimmer.
Die konstruierte Verknüpfung der beiden Lebenswelten lässt sich metaphorisch verstehen. Frank wird mit einer Situation konfrontiert, die ihn ins Leben zurückholt und es zugleich bedroht. Diese Dialektik kehrt Tim Parks unaufdringlich hervor, das verborgene Drama entwickelt er mit einer trockenen und zugleich detailfreudigen Prägnanz. Eine altmännerphantasievolle Volte löst es auf: Als Frank von der Infektion hingestreckt wird, schenkt ihm die attraktive Sizilianerin vom Nachbartisch ihre fürsorgliche Zuwendung. Ob am Ende mehr als nur sein Pass abläuft, bleibt offen. In das alte Leben, aus dem ihn der Anruf am 6. März 2020 herausgerissen hat, kehrt Frank Marriot nicht zurück. Das ist nicht mehr zu haben. ANDREAS ROSSMANN
Tim Parks: "Hotel Milano". Roman.
Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Antje Kunstmann, München 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seuchen-Roman ohne das Wort "Corona": Tim Parks reist mit seinem "Hotel Milano" zu den Anfängen der Pandemie
Der Anruf kam am Freitag, dem 6. März 2020, gegen Mitternacht: Dan Sandow, der viele Jahre eine renommierte Zeitschrift in New York herausgegeben hat, sei gestorben und Frank Marriot, so hatte diesem ein höflicher junger Mann eröffnet, als einer "unserer europäischen Mitarbeiter" zur Beerdigung eingeladen. Die finde am folgenden Nachmittag in Mailand statt, wo Dan neben seiner geliebten Vittoria beigesetzt werden wollte. Eine halbe Stunde später hatte Frank einen Flug von London nach Mailand gebucht. Am frühen Morgen machte er sich auf den Weg; statt Single-Malt-Whisky kaufte er noch eine Reiselektüre: Tennysons Gedichte, die ihn zu flapsigen Anspielungen und Analogien anregen.
Warum er entgegen seiner Gewohnheit und trotz seiner fünfundsiebzig Jahre spontan zugesagt hat, kann Frank sich nicht erklären. Es gab tausend gute Gründe dagegen. Lange hatte der angesehene Journalist von dem "alten Freund und Rivalen", den er seit dem Studium in Harvard kannte, nicht mehr gehört, noch länger nichts mehr für ihn geschrieben. Mit Franks Frau Connie hatte Dan eine Affäre, über die die Ehe zu Bruch gegangen war, nicht aber die Freundschaft der beiden Männer. Die hatte erst Dans Weigerung beendet, einen "berühmten" Artikel von Frank zu veröffentlichen. Hatte er, so fragt sich Frank, gehofft, Connie auf der Beerdigung wiederzusehen?
Der Anruf holt Frank Marriot, den Icherzähler von Tim Parks' Roman "Hotel Milano", aus einem Leben, das ähnlich eingestaubt ist wie seine bescheidene Wohnung. Die Nachrichten verfolgt er nicht mehr; einmal im Monat schaut er auf die Börsenberichte, ob sein Geld reicht. Die Menschen beobachtet er mehr, als dass er mit ihnen Kontakt hätte. Die Warnung seines Sohnes Ben, "dass Mailand das Zentrum der Epidemie ist", nimmt er nicht ernst. Während er seinen Erinnerungen nachhängt, (tag)träumt und verpasste Möglichkeiten sortiert, wird ihm nur allmählich bewusst, welches Risiko er eingegangen ist.
Doch seine Wahrnehmung schärft sich, bald kann er keine Schlagzeile mehr auslassen: Überaufmerksam registriert er die Veränderungen und Verschiebungen im Alltag, die Vorsichtsmaßnahmen und Reglementierungen, angefangen bei der Sicherheitskontrolle, an der er nicht warten muss, und den von Taschentüchern überquellenden Mülleimern. Schlüsse aber zieht er keine daraus, offenen Auges rutscht er in die Krise. Den Aufenthalt will er wenigstens genießen. Er steigt im Grand Hotel Milano ab und schlürft Veuve Clicquot: "Die teuerste Hotelbuchung meines Lebens."
Die fluchtartige Reise ist eine Bewegung auf den Tod zu, dem Frank immer näher kommt. Die Beerdigung, die die Handlung auslöst, ist deren erstes Motiv und wird, wie Frank schweifend und assoziativ auf sein Leben zurückblickt, aufgegriffen und variiert: Er spürt das Alter, verletzt sich am Knie, braucht einen Stock und läuft in der Erinnerung immer wieder Wege mit seiner letzten Frau, der sehr viel jüngeren Rachel, ab, der die Ärzte noch ein Jahr gegeben hatten und die dann mit ihm, der dafür sein Haus verkauft hatte, auf Weltreise ging und noch fünf Jahre lang lebte. Umso weniger berechenbar muss da das Virus erscheinen: Wie es Frank in einen Unsicherheitszustand zwischen Angst und Ignoranz, Leichtsinn und lauernder Gefahr versetzt, erfasst Parks mit beunruhigender Genauigkeit, scharf streift er die italienischen Zustände von der Behördenpedanterie über prekäre Arbeitsverhältnisse bis zum Nord-Süd-Gefälle. Das Wort "Corona" wird ausgelassen: Nicht die Pandemie wird diagnostiziert, sondern die Hilflosigkeit im Umgang mit ihr.
Frank ist ein alter weißer Mann. Grüblerisch, ichbezogen, selbstironisch. Mit dem überhitzten Medien- und Meinungsmarkt will er nichts (mehr) zu tun haben. Der Kurztrip in ein eingeschränktes, von Abstandsgeboten und Berührungsverboten, Gelspender und Fieberpistole bestimmtes öffentliches Leben bringt ihn paradoxerweise wieder etwas in Gesellschaft: erst durch die Trauergemeinschaft mit Freunden und Kollegen von Dan, dann mit Angestellten und Gästen des Hotels. Kleine Nettigkeiten, lose Kontakte. Doch es gibt kein Zurück. Das Hotel wird zur Falle. Flüge aus der Lombardei sind ausgebucht, dann annulliert. Um das Haus zu verlassen, muss ein Formular ausgefüllt werden, Aufzüge dürfen nur noch aufwärts benutzt werden, Abendessen im Frühstücksraum, der Service wird reduziert. Landesweiter Lockdown.
Die Stadt steht still. Von der Decke hört Frank Klopfgeräusche, die häufiger und stärker werden. Als er ihnen nachgeht, stößt er im Dachgeschoss auf den fünfjährigen Hakim, dessen Mutter Rania und infizierten Großvater Omar, die sich vor Hakims Vater verstecken, der sie mit zurück nach Ägypten nehmen will. Im Luxushotel haben sich blinde Passagiere einquartiert. Die Entdeckung lässt Frank zu ihrem Komplizen werden und weckt seine Empathie: Er umsorgt die gestrandete Familie, bringt ihr vom Büfett Croissants und Äpfel mit, schützt sie und holt sie in sein Zimmer.
Die konstruierte Verknüpfung der beiden Lebenswelten lässt sich metaphorisch verstehen. Frank wird mit einer Situation konfrontiert, die ihn ins Leben zurückholt und es zugleich bedroht. Diese Dialektik kehrt Tim Parks unaufdringlich hervor, das verborgene Drama entwickelt er mit einer trockenen und zugleich detailfreudigen Prägnanz. Eine altmännerphantasievolle Volte löst es auf: Als Frank von der Infektion hingestreckt wird, schenkt ihm die attraktive Sizilianerin vom Nachbartisch ihre fürsorgliche Zuwendung. Ob am Ende mehr als nur sein Pass abläuft, bleibt offen. In das alte Leben, aus dem ihn der Anruf am 6. März 2020 herausgerissen hat, kehrt Frank Marriot nicht zurück. Das ist nicht mehr zu haben. ANDREAS ROSSMANN
Tim Parks: "Hotel Milano". Roman.
Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Antje Kunstmann, München 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hotel Milano is one of Tim Parks' most engaging and satisfying books Scotsman, *Summer Reads of 2023*