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März 2020, die Welt hat sich über Nacht verändert. Frank ist kurzfristig nach Mailand gereist und sitzt nun in seinem Luxushotel fest, wo er eine folgenschwere Begegnung hat. Eine berührende Geschichte über die Freundlichkeit von Fremden und über einen Mann, der angesichts der Möglichkeit, ein Leben zu retten, auch eine Bilanz seines eigenen ziehen muss. Franks zurückgezogene Existenz in einem ruhigen Stadtteil Londons wird empfindlich gestört, als er zur Beerdigung seines alten Freundes Dan nach Mailand kommen soll. Er hofft, dort seine Ex-Frau Connie, die auch Dans Geliebte war,…mehr

Produktbeschreibung
März 2020, die Welt hat sich über Nacht verändert. Frank ist kurzfristig nach Mailand gereist und sitzt nun in seinem Luxushotel fest, wo er eine folgenschwere Begegnung hat. Eine berührende Geschichte über die Freundlichkeit von Fremden und über einen Mann, der angesichts der Möglichkeit, ein Leben zu retten, auch eine Bilanz seines eigenen ziehen muss. Franks zurückgezogene Existenz in einem ruhigen Stadtteil Londons wird empfindlich gestört, als er zur Beerdigung seines alten Freundes Dan nach Mailand kommen soll. Er hofft, dort seine Ex-Frau Connie, die auch Dans Geliebte war, wiederzutreffen, und fliegt selbstvergessen in das Epizentrum einer Krise, die er in den Nachrichten kaum registriert hat. Es ist Frühling, das Hotel Milano, in dem er abgestiegen ist, bietet jeden erdenklichen Komfort - Frank will es sich ein paar Tage gutgehen lassen, um die jähe Konfrontation mit seiner Vergangenheit zu verdauen. Doch dann gilt von einem Tag auf den anderen eine Ausgangssperre, das gesamte öffentliche Leben kommt zum Erliegen, Frank bekommt keinen Heimflug mehr und sitzt auf unbestimmte Zeit fest. Als er nachts vom Geräusch dumpfer Schläge aufwacht und auf der Suche nach deren Ursprung auf dem Dachboden des Hotels landet, trifft er auf Hakim, einen kleinen Jungen, der sich mit Mutter und Großvater hier versteckt hält. Frank muss eine Entscheidung treffen, die sein Leben und das der Familie für immer verändern wird.
Autorenporträt
Tim Parks, geboren in Manchester, wuchs in London auf und studierte in Cambridge und Harvard. Seit 1981 lebt er in Italien. Seine Romane, Sachbücher und Essays sind hochgelobt und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Er schreibt für den Guardian, The New Yorker und The New York Review of Books und übersetzte u.a. die Werke von Moravia, Calvino, Calasso, Tabucchi und Machiavelli. Er lebt in Mailand.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Durchaus gerne begleitet Rezensent Andreas Rossmann Frank, die Hauptfigur des Romans Tim Parks', auf seiner Reise nach Mailand im Corona-Frühling 2020. Die Epidemie spielt auch eine zentrale Rolle in dem Buch, führt Frank aus, das Wort "Corona" allerdings findet sich im Text nicht, der außerdem vom Älterwerden und den Vorbereitungen auf den Tod handelt. Der 75-jährige Frank wollte eigentlich nur zur Beerdigung eines alten Bekannten, erfahren wir, er bleibt dann jedoch in einem Hotel stecken, um ihn herum schränkt der Lockdown das Leben ein. Wobei der Witz an der Sache laut Rezensent darin besteht, dass die Lebensgefahr, die schließlich auch der Hauptfigur näher rückt, Frank gleichzeitig wieder neues Leben schenkt, was sich insbesondere in seinen Interaktionen mit einer ägyptischen Familie niederschlägt, die sich in seinem Hotel versteckt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2023

Luxusherberge im Lockdown
Seuchen-Roman ohne das Wort "Corona": Tim Parks reist mit seinem "Hotel Milano" zu den Anfängen der Pandemie

Der Anruf kam am Freitag, dem 6. März 2020, gegen Mitternacht: Dan Sandow, der viele Jahre eine renommierte Zeitschrift in New York herausgegeben hat, sei gestorben und Frank Marriot, so hatte diesem ein höflicher junger Mann eröffnet, als einer "unserer europäischen Mitarbeiter" zur Beerdigung eingeladen. Die finde am folgenden Nachmittag in Mailand statt, wo Dan neben seiner geliebten Vittoria beigesetzt werden wollte. Eine halbe Stunde später hatte Frank einen Flug von London nach Mailand gebucht. Am frühen Morgen machte er sich auf den Weg; statt Single-Malt-Whisky kaufte er noch eine Reiselektüre: Tennysons Gedichte, die ihn zu flapsigen Anspielungen und Analogien anregen.

Warum er entgegen seiner Gewohnheit und trotz seiner fünfundsiebzig Jahre spontan zugesagt hat, kann Frank sich nicht erklären. Es gab tausend gute Gründe dagegen. Lange hatte der angesehene Journalist von dem "alten Freund und Rivalen", den er seit dem Studium in Harvard kannte, nicht mehr gehört, noch länger nichts mehr für ihn geschrieben. Mit Franks Frau Connie hatte Dan eine Affäre, über die die Ehe zu Bruch gegangen war, nicht aber die Freundschaft der beiden Männer. Die hatte erst Dans Weigerung beendet, einen "berühmten" Artikel von Frank zu veröffentlichen. Hatte er, so fragt sich Frank, gehofft, Connie auf der Beerdigung wiederzusehen?

Der Anruf holt Frank Marriot, den Icherzähler von Tim Parks' Roman "Hotel Milano", aus einem Leben, das ähnlich eingestaubt ist wie seine bescheidene Wohnung. Die Nachrichten verfolgt er nicht mehr; einmal im Monat schaut er auf die Börsenberichte, ob sein Geld reicht. Die Menschen beobachtet er mehr, als dass er mit ihnen Kontakt hätte. Die Warnung seines Sohnes Ben, "dass Mailand das Zentrum der Epidemie ist", nimmt er nicht ernst. Während er seinen Erinnerungen nachhängt, (tag)träumt und verpasste Möglichkeiten sortiert, wird ihm nur allmählich bewusst, welches Risiko er eingegangen ist.

Doch seine Wahrnehmung schärft sich, bald kann er keine Schlagzeile mehr auslassen: Überaufmerksam registriert er die Veränderungen und Verschiebungen im Alltag, die Vorsichtsmaßnahmen und Reglementierungen, angefangen bei der Sicherheitskontrolle, an der er nicht warten muss, und den von Taschentüchern überquellenden Mülleimern. Schlüsse aber zieht er keine daraus, offenen Auges rutscht er in die Krise. Den Aufenthalt will er wenigstens genießen. Er steigt im Grand Hotel Milano ab und schlürft Veuve Clicquot: "Die teuerste Hotelbuchung meines Lebens."

Die fluchtartige Reise ist eine Bewegung auf den Tod zu, dem Frank immer näher kommt. Die Beerdigung, die die Handlung auslöst, ist deren erstes Motiv und wird, wie Frank schweifend und assoziativ auf sein Leben zurückblickt, aufgegriffen und variiert: Er spürt das Alter, verletzt sich am Knie, braucht einen Stock und läuft in der Erinnerung immer wieder Wege mit seiner letzten Frau, der sehr viel jüngeren Rachel, ab, der die Ärzte noch ein Jahr gegeben hatten und die dann mit ihm, der dafür sein Haus verkauft hatte, auf Weltreise ging und noch fünf Jahre lang lebte. Umso weniger berechenbar muss da das Virus erscheinen: Wie es Frank in einen Unsicherheitszustand zwischen Angst und Ignoranz, Leichtsinn und lauernder Gefahr versetzt, erfasst Parks mit beunruhigender Genauigkeit, scharf streift er die italienischen Zustände von der Behördenpedanterie über prekäre Arbeitsverhältnisse bis zum Nord-Süd-Gefälle. Das Wort "Corona" wird ausgelassen: Nicht die Pandemie wird diagnostiziert, sondern die Hilflosigkeit im Umgang mit ihr.

Frank ist ein alter weißer Mann. Grüblerisch, ichbezogen, selbstironisch. Mit dem überhitzten Medien- und Meinungsmarkt will er nichts (mehr) zu tun haben. Der Kurztrip in ein eingeschränktes, von Abstandsgeboten und Berührungsverboten, Gelspender und Fieberpistole bestimmtes öffentliches Leben bringt ihn paradoxerweise wieder etwas in Gesellschaft: erst durch die Trauergemeinschaft mit Freunden und Kollegen von Dan, dann mit Angestellten und Gästen des Hotels. Kleine Nettigkeiten, lose Kontakte. Doch es gibt kein Zurück. Das Hotel wird zur Falle. Flüge aus der Lombardei sind ausgebucht, dann annulliert. Um das Haus zu verlassen, muss ein Formular ausgefüllt werden, Aufzüge dürfen nur noch aufwärts benutzt werden, Abendessen im Frühstücksraum, der Service wird reduziert. Landesweiter Lockdown.

Die Stadt steht still. Von der Decke hört Frank Klopfgeräusche, die häufiger und stärker werden. Als er ihnen nachgeht, stößt er im Dachgeschoss auf den fünfjährigen Hakim, dessen Mutter Rania und infizierten Großvater Omar, die sich vor Hakims Vater verstecken, der sie mit zurück nach Ägypten nehmen will. Im Luxushotel haben sich blinde Passagiere einquartiert. Die Entdeckung lässt Frank zu ihrem Komplizen werden und weckt seine Empathie: Er umsorgt die gestrandete Familie, bringt ihr vom Büfett Croissants und Äpfel mit, schützt sie und holt sie in sein Zimmer.

Die konstruierte Verknüpfung der beiden Lebenswelten lässt sich metaphorisch verstehen. Frank wird mit einer Situation konfrontiert, die ihn ins Leben zurückholt und es zugleich bedroht. Diese Dialektik kehrt Tim Parks unaufdringlich hervor, das verborgene Drama entwickelt er mit einer trockenen und zugleich detailfreudigen Prägnanz. Eine altmännerphantasievolle Volte löst es auf: Als Frank von der Infektion hingestreckt wird, schenkt ihm die attraktive Sizilianerin vom Nachbartisch ihre fürsorgliche Zuwendung. Ob am Ende mehr als nur sein Pass abläuft, bleibt offen. In das alte Leben, aus dem ihn der Anruf am 6. März 2020 herausgerissen hat, kehrt Frank Marriot nicht zurück. Das ist nicht mehr zu haben. ANDREAS ROSSMANN

Tim Parks: "Hotel Milano". Roman.

Aus dem Englischen von Ulrike Becker. Antje Kunstmann, München 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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