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Die Hotels sind ein Zyklus, nicht nur in der Geschlossenheit der Texte, sondern auch im Sinne einer Reise: Entstanden in Hotels im Maghreb, in Italien, Griechenland, Frankreich, Irland und Großbritannien, geben die Gedichte die Atmosphäre der Orte und Landschaften wieder, setzen sie in Beziehung zum Weltbild und zur Mythologie der Antike und zum Ursprung der Dichtkunst. Für diesen Zyklus wurde Raoul Schrott, bevor er im Frühjahr 1995 erstmals als Buch erschien, mit dem "Leonce-und-Lena-Preis" ausgezeichnet. Die Jury lobte die "erstaunliche Präzision und fulminante Sprache", mit der Schrott…mehr

Produktbeschreibung
Die Hotels sind ein Zyklus, nicht nur in der Geschlossenheit der Texte, sondern auch im Sinne einer Reise: Entstanden in Hotels im Maghreb, in Italien, Griechenland, Frankreich, Irland und Großbritannien, geben die Gedichte die Atmosphäre der Orte und Landschaften wieder, setzen sie in Beziehung zum Weltbild und zur Mythologie der Antike und zum Ursprung der Dichtkunst. Für diesen Zyklus wurde Raoul Schrott, bevor er im Frühjahr 1995 erstmals als Buch erschien, mit dem "Leonce-und-Lena-Preis" ausgezeichnet. Die Jury lobte die "erstaunliche Präzision und fulminante Sprache", mit der Schrott "Alltagsmaterialien und mythisch-literarische Stoffe zu einer poetischen Welt" verbindet.
"Schrott variiert zwischen effektvoll gebrochenen Zeilen und dieser Art Perpetuum-mobile-Effekt, durch den ein Wort das andere hervorbringt, scheinbar grammatikvergessen und nur der sprachbildenden Wirkung verpflichtet.
Autorenporträt
Raoul Schrott, Jg. 1964, studierte Literatur und Sprachwissenschaft in Innsbruck, Norwich, Paris und Berlin. Er lebt in Innsbruck und Seillans (Provence). Für sein Werk wurde er bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1995

Kap ohne Hoffnung
Raoul Schrott am Ende der Welt Von Ulrich Weinzierl

Seine Kurzbiographie klingt, als wäre sie gut erfunden: Geboren auf einem Schiff unterwegs nach Brasilien, wuchs er in Tunis und Tirol auf. Er studierte an mehreren Universitäten Europas, war Privatsekretär des greisen Surrealisten Philippe Soupault, später Lektor in Neapel und lebt heute in der Provençe - in einem Haus, das einst Max Ernst gehörte. Damit nicht genug, ist der Österreicher Raoul Schrott, Jahrgang 1964, ein Musterexemplar der heute beinah ausgestorbenen Gattung des "poeta doctus". Der Dada-Experte und Sprachwissenschafter beherrscht nicht unbedingt geläufige Idiome, darunter das Okzitanische und das Bretonische, er hat zudem - wie sich an Übersetzungen von Derek Walcott und Seamus Heaney zeigt - einen untrüglichen Instinkt für jene Qualität, der Nobelpreise zuwachsen.

Schrotts außergewöhnliche Begabung blieb weder unbemerkt noch ungewürdigt: Stipendien und Auszeichnungen säumen seinen literarischen Weg. Für Gedichte aus dem Band "Hotels" erhielt er beispielsweise im heurigen März den Leonce-und-Lena-Preis. Raoul Schrott, so behauptet er zumindest im Vorwort, betrachtet die Hotels als "die eigentlichen tempel unseres jahrhunderts". Eine hochgemute Definition, gewiß, und vor Erlesenem hat der Dichter - so beweist die Sammlung, in der sich "anus" auf "janus", "prämissen" auf "pissen" und "hippokrene" auf "fontäne" reimen - auch sonst keinerlei Scheu.

Obendrein stellt er seinen poetischen Texten gerne Journaleintragungen, Kommentare oder Notizen teils etymologischer Natur voran. Sich dem nicht eben beeindruckenden Bildungsniveau der Gegenwart anzugleichen, verschmäht er stolz. Trotzdem hat man bei Schrott und seinen mythologischen und allegorischen Ausflügen nie den Eindruck des Protzens und schon gar nicht jenen herkömmlicher Reiseschriftstellerei. Raoul Schrott wandert, von Ort zu Ort, durch die Begriffe und ihre Schichten, ihn prägt das historische Bewußtsein für den Augenblick. Die Bildsprache benützt er dabei, wie es die alten Seefahrer mit ihren Instrumenten und dem gestirnten Himmel taten: zur Orientierung, zur "standortbestimmung einer anderen einsamkeit". Fremd, mehr noch: verhaßt ist ihm freilich die touristische Perspektive, die alles einebnet, das Unbekannte den Sehgewohnheiten und Denkklischees anpaßt. Strenge Romantik hat es dem polyglott Unbehausten eher angetan: "der louisdor der sonne fällt in den schlitz der berge / und die ganze maschinerie der nacht setzt / sich mühsam in bewegung".

Einer der sieben Abschnitte von Schrotts lyrischem Zyklus nennt sich "de finibus terrae". Mit dem Singular "Finis terrae" kommt der Titel seines ersten, als Nachlaß-Kompilation getarnten Romans aus. Auch im Falle des Erzählers Schrott können dem Leser ein Quentchen humanistischer Gelehrsamkeit und akademisch geschulte Neugier kaum schaden. Wundersam vertrackt wirkt bereits die kunstvolle Konstruktion, die vorgibt, bloß mit Herausgeberhand unterschiedliche und doch zusammenhängende Materialien zu ordnen. Da ist das verschollen geglaubte Logbuch des antiken Navigators und Sternkundigen Pytheas von Massalia, der um 300 vor Christus bis an den Nordrand der damals denkbaren Erde segelte und das sagenumwobene Thule erreichte.

Aufgespürt und übersetzt hat die Papyri der todgeweihte, vermutlich aidskranke Archäologe Ludwig Höhnel, dessen Großvater Ritter von Höhnel zu Habsburgs höherer Ehre den "Rudolfsee" in Kenia entdeckt hatte. In Land's End, am westlichsten Punkt von Cornwall, verlor sich schließlich Ludwig Höhnels Spur. Freundschaftlich, ja sexuell verbunden war er mit seinem großen Kollegen Ghjuvan Schiaparelli und dessen Frau/Schwester Sofia gewesen. Da sind ferner zwei Paläontologen aus den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts, die bei Ausgrabungsarbeiten am Turkanasee, dem vormaligen Rudolfsee, auf ungeklärte Weise verschwanden.

In vier "Heften" werden diese Geschichten miteinander kombiniert, in ihren Spiegel- und Echowirkungen erprobt. Wir erleben, indem wir die Fragmente in unserer Phantasie zusammensetzen, Erkundungen von Erkundungen: Die Nachfahren sind tatsächlich Nachfahrende, Grenzerfahrende, Forschungsreisende äußerer und innerer Welten. Unwiderstehlich drängt es sie zur "terra incognita" hin, an die unzähligen Kaps ohne Hoffnung.

Daß von solchen Expeditionen auch für uns eine seltsame Sogkraft ausgeht, hängt indes einzig und allein mit Raoul Schrotts Sprache zusammen. Ihre intellektuelle Klarheit, die den Mystifikationen der Fabel erfolgreich widersteht und eine Art Kartographie der unbewußten Kontinente entwirft, fasziniert nicht minder als die Abfolge eindringlicher Landschaftsbeschreibungen. Die Mechanik der Planeten und die inzestuöser Familienromane sind parallel geschaltet, was nicht einmal als Verstoß gegen die Regeln der Psychologie stört: Erotik und Astronomie scheinen hier - gemäß den Gesetzen des gleichsam ewigen Kreisens - plötzlich miteinander verwandt.

Raoul Schrott: "Hotels". Gedichte. Haymon Verlag, Innsbruck 1995. 112 Seiten, geb., 29,-DM.

,Finis terrae. Ein Nachlaß". Haymon Verlag, Innsbruck 1995. 272 S., Abb., geb., 44,- DM.

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Text um Text entstehen auf diese Weise poetische Hotel-Zimmer, die auch für längere Aufenthalte geeignet sind." (Rüdiger Görner, Die Presse)
"Der siebenteilige Zyklus hat in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur kaum seinesgleichen... Diese Poesie hat Format" (Karl Markus Gaus, Neue Züricher Zeitung)