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Am Tag vor dem Kriegsende steht der Unteroffizier Wolf Schneider an einem Teich in Holland und grübelt, ob er sich erschießen soll. Es ist sein 20. Geburtstag und die Furcht vor der Vergeltung der Sieger ist groß. Alles hätte an diesem Tag schon zuende sein können. Doch er besinnt sich und schleudert seine Pistole ins Wasser. Wenige Jahre später gehört Schneider zu den Geburtshelfern einer neuen, demokratischen Presse. Wenige haben soviel für die Qualität des deutschen Journalismus getan wie der erste Leiter der Hamburger Journalistenschule. Legionen von Redakteuren lernen dort ihr Handwerk…mehr

Produktbeschreibung
Am Tag vor dem Kriegsende steht der Unteroffizier Wolf Schneider an einem Teich in Holland und grübelt, ob er sich erschießen soll. Es ist sein 20. Geburtstag und die Furcht vor der Vergeltung der Sieger ist groß. Alles hätte an diesem Tag schon zuende sein können. Doch er besinnt sich und schleudert seine Pistole ins Wasser. Wenige Jahre später gehört Schneider zu den Geburtshelfern einer neuen, demokratischen Presse.
Wenige haben soviel für die Qualität des deutschen Journalismus getan wie der erste Leiter der Hamburger Journalistenschule. Legionen von Redakteuren lernen dort ihr Handwerk von dem Perfektionisten, viele machen dann steile Karrieren. Als "Sprachpapst" (Bastian Sick) und als Moderator der NDR-Talkshow wird er berühmt; die Szene mit der jungen Angela Merkel und der wutentbrannt aus dem Studio stürmenden Autorin Karin Struck ist ein legendäres Stück Zeitgeschichte.
Jetzt wird Wolf Schneider 90. Er erzählt aus einem prallen Leben in turbulenten Zeiten und von Begegnungen mit ungewöhnlichen Menschen wie Konrad Adenauer oder Richard Nixon, Leni Riefenstahl oder Gina Lollobrigida. Mit den Presse-Tycoons Henri Nannen und Axel Springer hat er die Klingen gekreuzt. Es sind die farbigen Erinnerungen eines geradlinigen Zeitgenossen, der auch ganz oben immer aneckt und schon politisch unkorrekt ist, bevor es den Begriff überhaupt gibt.
Autorenporträt
Wolf Schneider, geboren 1925, ist Honorarprofessor der Universität Salzburg und Träger des "Medienpreises für Sprachkultur" der Gesellschaft für deutsche Sprache. Er war Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Washington, Verlagsleiter des "Stern", Chefredaktuer der "Welt", Moderator der "NDR-Talkshow" und 16 Jahre lang Leiter der Hamburger Journalistenschule. 2011 erhielt er den Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk. Schneider ist Autor zahlreicher Sachbücher. Er lebt in Starnberg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2015

Wucht und Ordnung
Seine Ratgeber berühmt, seine Schmähungen berüchtigt: Der Journalist und Journalistenausbilder
Wolf Schneider wird 90 und hat ein Buch über sein „langes, wunderliches Leben“ geschrieben
VON DAVID DENK
Wolf Schneider ist ein Freund des Tapetenwechsels. Ob er das Wort mag, ist nicht überliefert, aber den Vorgang, den schätzt er nachweislich. Länger als zehn Jahre hat er es sogar in seiner Finca auf Mallorca nicht ausgehalten. „Umziehen ist ein Jungbrunnen, ein Vitalitätsschub“, sagt Schneider. Im vergangenen Jahr ist er mit Ehefrau Lilo innerhalb Starnbergs umgezogen – in eine schöne helle Wohnung mit Terrasse und Blick auf den See, in der er zum Gespräch über sein Leben und die gerade erschienene Autobiografie mit dem Zungenbrecher-Titel Hottentottenstottertrottel empfängt (Rowohlt, 19,95 Euro). „Nicht vererben – verjubeln!“ gibt er darin als Devise fürs Alter aus.
  Auch beruflich hat Schneider, der an diesem Donnerstag 90 Jahre alt wird, in 68 Jahren als Journalist viele Wechsel hinter sich: von der Neuen Zeitungder US-Besatzer zur ebenfalls amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press zur Süddeutschen Zeitung zum Stern zur Welt und schließlich zur von Henri Nannen gegründeten Hamburger Journalistenschule. Er war Nachrichtenredakteur, Washington-Korrespondent, Verlagsleiter, Chefredakteur, Talkshowmoderator, Journalistenausbilder und Vortragsreisender.
  Als ob das nicht genug wäre für ein Leben, fand er zwischendurch noch Zeit, rund 25 Sachbücher zu schreiben, über Genies, Verlierer, Städte, den Menschen an sich, das Glück, die Lüge – nur die kleinen Themen also –, und nicht zuletzt allerlei Ratgeber zu gutem Deutsch, die zu Standardwerken geworden sind. Wer in Deutschland Journalist wird, kommt an Schneiders Ermahnungen, kulminierend im Mantra „Qualität kommt von Qual“, nicht vorbei.
  Das alles macht ihm so schnell keiner nach – das macht ihm wohl nie mehr jemand nach. Journalistenkarrieren wie die von Wolf Schneider werden heute nicht mehr hergestellt. Der Mann ist ein Stück Pressegeschichte. Und er genießt seinen Status als letzter Mohikaner.
  Wer bei Schneider auf der Couch sitzt, muss damit rechnen, gefragt zu werden, warum die Überschrift „Bolivien überschwemmt“ nur Quatsch sein könne. Dass man eine – peinliche – falsche Antwort gibt (richtig wäre: weil das meiste Leben dort in Höhen über 3000 Meter stattfindet), bestätigt ihn in seinem Kulturpessimismus. „Ich bin entsetzt über den Rückgang der Weltkenntnis“, sagt er. „Davon keine Ahnung zu haben und Journalist zu sein, finde ich ein Trauerspiel.“ Gesprächspartner, die immer erst googeln müssten, seien ihm gegenüber schon im Nachteil, „weil ich durch Nicht-Googeln Zeit spare“. Aber wer noch nicht mal erkenne, dass er googeln müsste, „der verbreitet Unsinn“.
  Er kann’s noch! Genau diese scharfe, bisweilen schneidende Rhetorik – noch schärfer, noch schneidender – war es, die Schneider, der als Kind unter Sprechproblemen gelitten hatte (daher der Buchtitel), als Gastgeber der NDR Talkshow wie als Leiter der Nannen-Schule berüchtigt machte. Schneider galt als „Ekel vom Dienst“ und „Zuchtmeister“ – letzteres sei „keine unfaire Beschreibung“, räumt er ein, auch wenn der autoritäre, fordernde Führungsstil für ihn kein Selbstzweck war, sondern die Voraussetzung für den späteren beruflichen Erfolg seiner Schüler – „Qualität kommt von Qual“ eben. „Wenn ihr in zehn Jahren mal den Eindruck habt: Der Schneider hat uns gar nicht schlecht ausgebildet, dann bin ich zufrieden“, beschreibt er seinen Anspruch als Journalistenausbilder. „Ob ihr mich nun mögt oder nicht, ist egal.“
  Schneider trägt die Ablehnung, die ihm zeit seines Berufslebens immer wieder entgegengeschlagen ist, mit Fassung, ja geradezu wie einen Orden: Viel Feind’, viel Ehr’!
  Genüsslich zitiert er in seinem Buch die Worte, mit denen Henri Nannen ihn für die Leitung seiner Journalistenschule empfohlen haben soll: „Der Schneider ist zwar ein Arschloch, aber er ist der einzige, der das kann.“ Und fügt überflüssigerweise hinzu: „Mit solchen Komplimenten konnte ich leben.“ In Nannen hat Schneider seinen Meister gefunden. „Nannen war die interessanteste und wichtigste Figur in meinem Leben“, sagt Schneider, der nicht trotz, sondern gerade wegen dessen Gnadenlosigkeit und Arroganz so fasziniert vom Stern-Gründer war: „Die Vorstellung, ein unheimlich tüchtiger Mensch sollte auch noch die Liebenswürdigkeit eines Wiener Konditors besitzen, entstammt Kinderbüchern.“
  So wie er auf dem Ledersofa thront, sehr gerade und mit im Schoß gefalteten Händen, erinnert Schneider an einen in Ehren ergrauten Feldherrn, der zwar nicht mehr reiten kann, seine Angriffslust aber noch lange nicht verloren hat, seine Eitelkeit auch nicht. Den Lorbeerkranz flicht er sich mit seinen Memoiren vorsorglich selbst. Hottentottenstottertrottel mutet an wie eine Sammlung aller jemals über Schneider in Umlauf gebrachten Lobhudeleien – sogar den Abschiedsgruß des Mallorca-Magazins dokumentiert er darin: „Wenn irgendein Prominenter Mallorca den Rücken kehrt, ist das nicht gerade eine gute Nachricht für die Insel. Wenn aber Wolf Schneider geht, ist es eine mittlere Katastrophe.“
  Tatsächlich waren es aber offenbar ursprünglich noch viel mehr schmeichelnde Worte. Der Lektor habe „auf meinen ausdrücklichen Wunsch und in realistischer Einschätzung des Risikos, dass ich zu gut zu mir bin, erheblich gestrichen“, sagt Schneider.
  Es überrascht nicht, dass auch „der größte Misserfolg in meinem Leben“, das Scheitern als Chefredakteur der Welt, für Schneider mit einer „unglaublichen Genugtuung“ endete: „Der für die Branche maßgebliche Mediendienst Kress-Report ergriff meine Partei gegen Axel Springer, der mich in einer Demonstration blinder Macht hinausgeworfen hatte“, frohlockt er noch heute, mehr als 40 Jahre danach.
  Schneider betont zudem mehrfach, dass das Buch nicht seine Idee war, er vielmehr einer Einladung des Verlags gefolgt sei. Er will nicht den Eindruck erwecken, es nötig zu haben, sich aufzudrängen. „Man steige vom Pferd, ehe es tot ist“, zitiert er ein indianisches Sprichwort, mit dem er bereits das Ende seiner lukrativen Sprachseminare für Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter vor drei Jahren begründet hat. Das Letzte auf der Welt, was Schneider möchte, ist es, Schwäche zu zeigen, gar Mitleid zu erregen.
  Auch wenn Schneider, der regelmäßig die SZ und den Spiegel liest, sich im Gespräch zurückhält, ist es doch kein Geheimnis, dass er mit der Zeit wenig anzufangen weiß – also mit der ihm zu gefühligen Wochenzeitung:Befindlichkeitsreflexionen sind Schneider fremd, alle Fragen in diese Richtung blockt er ab. Das ist einerseits wohl ein Generationenphänomen, andererseits schlicht Markenpflege. Das Image des Zuchtmeisters hat ihn gut durchs Leben gebracht – warum sollte er das jetzt noch relativieren?
  Doch dass er nicht gern über Emotionenspricht, geschweige dennsie zeigt, heißt nicht, dass er keine weiche Seite hätte. Das bestätigen Menschen, die ihn privat kennen und das äußert sich zwischen den Zeilen auch im Buch, etwa wenn er die Dankbarkeit ehemaliger Schüler ihm gegenüber herausstellt. Die Stern-Kolumnistin Meike Winnemuth zu zitieren mit den Worten „Er hat ja immer so verdammt recht. Und wer ihn trotzdem oder gerade deshalb hasst, hasst ihn auf Knien“, ist natürlich eitel – aber eben nicht nur: Es zeigt auch, dass diese Dankbarkeit Schneider etwas bedeutet. Die Henri-Nannen-Schule ist nicht weniger als sein Lebenswerk, sein Vermächtnis. „Ja, einen schöneren Beruf konnte man nicht gehabt haben“, schreibt Schneider. Anlass zu diesem Resümee liefert der Überraschungsbesuch des 5. Lehrgangs „meiner Journalistenschule“ zu dessen 25. Jubiläum auf seiner Starnberger Terrasse, „unverhofft, mit fünfzehn Umarmungen“. Würde ein gefühlloser Klotz dieses Detail anmerken?
  Derzeit beschreibt sich Schneider als „fröhlich zerfleddert zwischen den vielen kleinen Einladungen, Angeboten, Befragungen, Antworten und Glückwünschen.“ Wenn das aufhört, meint er, könnte ein Problem entstehen, so völlig ohne Aufgabe: „Dann werde ich mich vielleicht noch mal zu einem Buch aufraffen.“ Nur worüber? „Das ganz große Anliegen, wie es zu meiner großen Verblüffung die Memoiren noch mal wurden, liegt nicht mehr in der Luft.“ Ein, zwei Themen habe er aber noch in seinen berühmten „Schubladen“ im Arbeitszimmer, die so aufgeräumt sind, dass das Starnberger Finanzamt neidisch darauf sein kann.
  Disziplin und Effizienz sind die Grundlagen des Lebens von Wolf Schneider: Seine Bücher entstehen in Arbeitsteilung mit Frau Lilo, die mit ihrer Berliner Schnauze viel von der Herzlichkeit ausgleicht, die er nicht zeigt – er denkt und schreibt, sie recherchiert, beantwortet E-Mails und hält ihm auch sonst den Rücken frei. Wenn er nicht arbeitet, macht Schneider, früher begeisterter Bergsteiger, Ausflüge mit seiner Frau, guckt Fernsehkrimis, am liebsten amerikanische, der Tatort ist ihm zu langatmig, oder hört laut Musik, Wiener Klassik vor allem – wobei er es auch hier nicht lassen kann, Zensuren zu verteilen: Seit 60 Jahren vermerkt er auf den Platten, welche Titel es verdient haben, noch einmal angehört zu werden. Steht keine Ziffer (mehr) auf der Hülle, kommt die Platte weg. So arbeitet Schneider daran, den Vorrat zu verkleinern. Für ihn ist das: „eine völlig selbstverständliche Selektion. Das Ausmaß, indem die meisten Leute sie nicht betreiben, empfinde ich als erstaunlichen und bedauerlichen Mangel an Lebenskunst.“
  Zu Beginn seiner Autobiografie beschreibt Schneider, wie er an seinem 20. Geburtstag, Deutschland hatte gerade den Krieg verloren, aus Angst vor Zwangsarbeit an Suizid dachte. Die Pistole hatte er schon in der Hand. Doch ein „unvermuteter Anprall von Lebenslust“ ließ ihn sie in einen Tümpel schleudern, die Zwangsarbeit blieb ihm erspart. Eine Entscheidung, die Wolf Schneider allem Anschein nach tief geprägt hat: Wir haben nur dieses eine Leben – verplempern wir es nicht!
Autoritärer Führungsstil? Für
Schneider die Voraussetzung für
den Erfolg seiner Schüler
Auf seinen Schallplatten vermerkt
er, welche Titel es verdient haben,
nochmal angehört zu werden
„Ich bin entsetzt über den Rückgang der Weltkenntnis“: Schneider, mit Weltkenntnis, kommt sogar ohne Google aus.
Foto: Stefan Pielow
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Wolf Schneider ist ein Meister der deutschen Sprache. FAZ