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In recent years, economic growth has been regarded as a self-evident good, with political debate focussed on the best means to achieve it. But there are now signs that this shared assumption is weakening. Anger at 'greedy' bankers and their 'obscene' bonuses has given way to a deeper dissatisfaction with an economic system geared overwhelmingly to the accumulation of wealth. Huge income disparities and an ever-growing gap between the richest and the rest has brought us to one of those rare moments when the underlying assumptions of society, are changing.
In How Much is Enough? Robert and
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Produktbeschreibung
In recent years, economic growth has been regarded as a self-evident good, with political debate focussed on the best means to achieve it. But there are now signs that this shared assumption is weakening. Anger at 'greedy' bankers and their 'obscene' bonuses has given way to a deeper dissatisfaction with an economic system geared overwhelmingly to the accumulation of wealth. Huge income disparities and an ever-growing gap between the richest and the rest has brought us to one of those rare moments when the underlying assumptions of society, are changing.

In How Much is Enough? Robert and Edward Skidelsky argue that wealth is not an end in itself but a means to the achievement and maintenance of a 'good life', and that our economy should be organised to reflect this fact. The book includes a definition of the 'good life', discusses the relevance of 'Happiness Studies' and the environmental impact of our ever-growing need to consume. In doing so, it offers an escape from the trap of excessive specialization and a way to reinvigorate the idea of economics as a 'moral science'. It concludes by offering a radical new model for income re-distribution - and a consideration of what human beings might really want from their lives.
Autorenporträt
Robert Skidelsky wurde 1939 in Harbin, China, als Sohn russischstämmiger Auswanderer geboren; sein Vater betrieb eine Kohlenmine. Mehrmals verlor die Familie ihr Vermögen, zuletzt bei Maos Machtübernahme. Robert Skidelsky studierte Geschichte in Oxford und lehrte als Professor für politische Ökonomie an der Universität Warwick, England.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

Du brauchst
das nicht
Robert und Edward Skidelsky, Vater und Sohn,
haben ein Plädoyer gegen die Unersättlichkeit geschrieben
– und gegen die moralische Blindheit der Ökonomie
VON JOHAN SCHLOEMANN
Eine große Krise ist wie eine Inspektion: Sie bringt die Fehler des gesellschaftlichen Systems ans Licht und fördert die Suche nach Lösungen.“
  Auf diese Beschreibung der Lage können sich derzeit viele einigen. Im fünften Jahr der Finanz- und Schuldenkrise sind die unterschiedlichsten Stimmen im Gleichklang, wenn festgestellt wird, dass irgendetwas schief gegangen sein muss. In der Kritik am gegenwärtigen Kapitalismus, den man jetzt wieder bei diesem Namen nennt, treffen sich neuerdings Kommentatoren aus ganz entgegengesetzten Richtungen.
  In den Schlussfolgerungen endet dann allerdings oft die Harmonie. Die einen sprechen von bestimmten unschönen Auswüchsen und riskanten Fehleinschätzungen, die es in der Tat zu beschneiden gelte, woraufhin dann aber die Erneuerungsfähigkeit der freien Marktwirtschaft, die nun mal zyklischen Charakters sei, wieder aufs Schönste zu Tage treten werde. Die anderen glauben, dass inzwischen prinzipiell etwas faul sei: dass es eine Verharmlosung sei, bloß von der zyklischen Wiederkehr der Wirtschaftskrisen zu sprechen, weil das auf immer neues Wachstum und Wettbewerb eingestellte System unter den Bedingungen der Globalisierung und der schnellen elektronischen Vernetzung einer Steigerung von neuer Qualität unterliege, die so nicht mehr beherrschbar sei.
  Dieser zweiten, grundsätzlicheren Kritik schließen sich auch Robert und Edward Skidelsky in ihrem gemeinsamen Buch „Wie viel ist genug?“ an. Es sind Vater und Sohn: der eine, Lord Skidelsky, anerkannter Ökonom und Wirtschaftshistoriker, parteiloses Mitglied des britischen Oberhauses; der andere, Edward, Philosophiedozent an der Universität von Exeter. Doch anders als Frank Schirrmacher, dessen anregendes Buch „Ego“ gerade an der Spitze der Bestsellerliste steht, erzählen die Skidelskys nicht einen Thriller aus dem Maschinenraum des „Informationskapitalismus“, um darzustellen, wie der Mensch von Ökonomen und deren Automaten zum Vorteilsjäger zugerichtet wird. Ebenso wenig beginnen sie mit abstrakten Überlegungen über Rechte und Gerechtigkeit, mit denen große Teile der gegenwärtigen Moral- und politischen Philosophie so langweilen, dass unsere gähnenden Münder es den offenen Türen, den die Gleichheitsphilosophen einrennen, klaffend gleichtun.
  Nein, die beiden englischen Autoren gehen stattdessen aus von dem, was jeder sieht: Alles Mögliche, was das Streben nach Wachstum in den wohlhabenderen Ländern hervorbringt, braucht eigentlich kein Mensch mehr. Zum Beispiel (willkürliche Liste): Sushi-Bringdienste. Smartphone-Apps, die kleinen Kindern Tiergeräusche vorspielen. Geländewagen in asphaltierten Großstadtvierteln. Die Markteinführung von Tee in Einweg-Aluminiumkapseln von Nespresso. Jeden Tag billiges Fleisch. Siebzehn Cashmere-Pullover im Schrank. Solche Sachen. Hier ist wohlgemerkt die Rede von denjenigen Ländern, „die, wie man vernünftigerweise annehmen kann, genug Wohlstand haben, um ein anständiges Leben aller Menschen dort zu ermöglichen“.
  Damit man aber überhaupt zu der Frage vorstoßen kann und darf, was einer wirklich braucht, muss man, so die Skidelskys, zentrale Annahmen der modernen kapitalistischen Ökonomie aushebeln. In der Aufklärungszeit wurde die böse Habgier zum nützlichen Eigeninteresse umgewertet, was schlafende Kräfte zugunsten des allgemeinen Wohlstands wecken sollte; und die liberale ökonomische Wissenschaft der letzten Jahrzehnte hat die „Präferenzen“ rational agierender Marktteilnehmer bewusst wertfrei zur Grundlage ihrer Modelle gemacht. Durch die entsprechende Reduktion der menschlichen Eigenschaften habe die Wirtschaftswissenschaft zwar „ihre einzigartige analytische Stärke“ erlangt, doch mit demselben Vorgang sei ein Fehler ins System gelangt, sagen Robert und Edward Skidelsky. Vor allem mit wachsendem Lebensstandard sei er immer fataler geworden – der Fehler nämlich, Bedürfnisse und Begierden nicht zu unterscheiden. In Wahrheit gelte: „Bedürfnisse sind ihrer Zahl nach endlich, aber Begierden existieren nur im Kopf und können sich unendlich ausweiten.“
  Nur wenn man diese Differenz missachtet, kann man, so stellen die Autoren fest, die Behauptung stets knapper Ressourcen auch bei Expansion der Wirtschaftsleistung aufrechterhalten: „Wenn die Begierden unbegrenzt sind, dann sind die Ressourcen im Verhältnis dazu definitionsgemäß begrenzt, unabhängig davon, wie reich im absoluten Sinn wir sind. Wir sind zu Mangel verdammt, aber nicht durch das Fehlen von Ressourcen, sondern durch die Extravaganz unserer Gelüste.“ Man dürfe nie aus dem Auge verlieren, „wie der Markt eben die Präferenzen prägt, die nur zu befriedigen er vorgibt“.
  Wer nun die Wertfreiheit gegenüber den Präferenzen, die wir als Konsumenten oder Produzenten haben, überwinden will; wer also den Verdruss an der Unersättlichkeit, den viele im Privaten ja durchaus verspüren, auch zum Thema der Politik und der Ökonomie machen will, der muss auf alteuropäisch-aristotelische Bestände zurückgreifen. Auf die Überzeugung nämlich, dass sich, wenn auch mit einer gewissen Varianz, durchaus bewerten lasse, was das gute Leben ist, und dass diese Bewertung auch im öffentlichen Interesse liege. Und ebendies ist das zentrale Anliegen des Buches von Vater und Sohn Skidelsky. Wenn auch Aristoteles noch nichts von moderner Volkswirtschaft wissen konnte, so lasse sich doch von ihm lernen: „Wenn es so etwas wie ein gutes Leben nicht gibt“, schreiben sie, dann hätten Konsum und Gelderwerb „kein absolutes Ziel, nur ein relatives wie in ,so viel wie‘ oder ,mehr als‘ die anderen; ein Ziel, das, da es von anderen ebenso verfolgt wird, auf ewig in unerreichbarer Ferne bleiben muss.“
  Robert Skidelsky ist der Verfasser der maßgeblichen, dreibändigen Biografie über John Maynard Keynes. Und so geht auch dieses Buch von Keynes aus, der in dem kleinen Vortrag „Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“ – 1928 gehalten, 1930, also mitten in der Weltwirtschaftskrise, publiziert – optimistisch voraussagte, es werde immer mehr Wohlstand und immer weniger Arbeit geben. Die Prophezeiung hat sich nicht in dem Maße erfüllt, wie Keynes dachte; es gibt zwar Effekte der Automatisierung, doch zugleich arbeiten die mittleren und oberen Schichten heute mehr Stunden als damals, weil sie ihren Wohlstand, immer relativ auf sich und die anderen blickend, vermehren wollen oder (vermeintlich) müssen. Keynes berücksichtigte damals in seinem Ausblick nicht genügend das Bevölkerungswachstum, vor allem aber verstand er nicht, so die Skidelskys, „dass der Kapitalismus eine neue Dynamik der Begierdenerzeugung in Gang setzte“.
  Aus all dem folgert das Buch nun: Die Politik hat sich mit dem guten Leben zu beschäftigen, anstatt blind das Wachstum zu forcieren und die Entscheidung darüber, was genug ist, zur Privatsache zu erklären – ein Neutralitäts-Irrtum der Linken wie der Liberalen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen: mehr Teilzeitarbeit; ein bedingungsloses Grundeinkommen als Einmalzahlung; Erziehung zur richtigen Muße; Luxusgesetze, also eine Konsumausgabensteuer nach dem Ökonomen Robert H. Frank und Einschränkung der Produktwerbung. Oberstes Ziel müsse es dabei sein, folgende sieben „Basisgüter“ so gut wie möglich zu gewährleisten: „Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft, Muße“.
  Klingt wie ein Traum? Nun, das Konzept des „guten Lebens“ liest sich ein wenig auch wie der Versuch, den schrankenlosen Egoismus und Konsum anzugreifen, ohne den geliebten englischen Individualismus opfern zu müssen. Ausdrücklich – das sind interessante, aber auch diskutable Passagen – grenzen die Skidelskys sich von der Glücksforschung und der Ökologie als Begründungen für Verzicht ab; die Abwägung der „Basisgüter“ sei der bessere Weg, den Wachstumszwang zu überwinden.
  Gegen Einiges in diesem Buch lassen sich Einwände vorbringen: Ist es in einer komplexen Gesellschaft nicht doch oft schwer festzulegen, was Bedarf, was Luxus ist? Und könnte es sein, dass die Mäßigung, die sich die Autoren wünschen, doch nur innerhalb des umgebenden Unmäßigen möglich ist? Wie geht das auf? Trotzdem sollten viele dieses schwungvolle und zugänglich geschriebene Buch lesen. Man lernt etwas und begegnet wichtigen Fragen, man macht sich Gedanken darüber, welchen Quatsch man in seinem Leben weglassen könnte, und fühlt sich aufgefordert, sich mit anderen darüber zu verständigen. Das ist ja auch dann nicht wenig, wenn sich das System doch nicht ändert.
Robert Skidelsky, Edward Skidelsky: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie guten Lebens. Aus dem Englischen von Thomas Pfeiffer und Ursel Schäfer. Verlag Antje Kunstmann, München 2013. 320 Seiten, 19,95 Euro.
Wachstum? Die Politik sollte
sich auch damit beschäftigen,
was das gute Leben ist
Die Präferenzen der Menschen, sagen die meisten Ökonomen, sind, wie sie sind. Das Buch „Wie viel ist genug?“ sieht es anders: Es ist ein Fehler, Bedürfnisse und Begierden nicht zu unterscheiden.
FOTO: PLAINPICTURE/MASKOT
Ein Keynes-Biograf, ein Philosoph: Robert und Edward Skidelsky.
FOTO: KUNSTMANN
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.06.2013

Sind wir am Ende der Unersättlichkeit?

Wieso lassen sich die Menschen überhaupt noch auf den Hexensabbat des Kapitalismus ein? Der Ökonom Robert und der Philosoph Edward Skidelsky glauben, dass es damit nun eigentlich vorbei sein sollte.

Das "gute Leben" hat Konjunktur: Downshifting lautet das Schlagwort. Und da trotz der anhaltenden Erschütterungen von Ökonomie, Ökologie und Politik eine "sozialistische Utopie" nirgendwo zu sehen ist, kommt die Moral ins Spiel. Ein Mehr an "Ethik" wird gefordert, denn die Lage der Welt sei so, dass man als vernünftiger Mensch sein Leben ändern müsse. Die Frage ist: wie und wozu? Die Antworten fallen unterschiedlich aus - Griechenland wird aktuell niemand ein Downshifting empfehlen wollen, da findet es bereits statt.

Aber für die reicheren Staaten gilt: Weniger ist mehr. Das behaupten zumindest Robert und Edward Skidelsky, der eine Ökonomieprofesser und Keynes-Biograph, der andere Professor für praktische Philosophie. Vater und Sohn plädieren für Verzicht und Abkehr vom kapitalistischen Wachstum - und das mit einer zum Teil verblüffend altmodischen Begründung. Sie träumen keineswegs von einem neuen sozialistischen Experiment. Sie empfehlen vielmehr die Rückkehr zur alteuropäischen Kultur des Maßhaltens.

Ein großer Teil des Buches besteht in der Rekonstruktion der alteuropäischen Traditionen der praktischen Philosophie, insbesondere in der Darlegung der aristotelischen und später thomistischen Vorstellungen von der notwendigen Beschränkung des wirtschaftlichen Verhaltens. Auch in der Gegenwart sehen sie vernünftige, maßvolle Konzepte, namentlich bei John Maynard Keynes, aber auch bei den Vertretern der deutschen "Sozialen Marktwirtschaft".

Das "gute Leben" ist ein Leben außerhalb des Hamsterrades des modernen Kapitalismus. Den sehen sie zwiespältig. Er habe zu unserem Reichtum beigetragen, könne aber jetzt, wo wir genug haben, nicht aufhören. Schon die Vorstellung einer vollkommenen Bedürfnisbefriedigung sei eine Chimäre der Mainstream-Ökonomie. Den Wachstumswahn müsse man vielmehr stoppen, da die Menschen von ihm keine Vorteile mehr haben. Der Verzicht auf Wachstum sei insofern ein Gewinn. Wieso, fragen die Autoren, lassen sich die Menschen überhaupt noch auf den "Hexensabbat" (Max Weber) des gegenwärtigen Kapitalismus ein?

Das Argument, um diesen eigentlich widersinnigen Zustand zu plausibilisieren, ist ein anthropologisches, religiöses und wirtschaftssoziologisches zugleich. Die Menschheit bekomme aus vielerlei Gründen den Hals niemals voll. Das Wissen um diese Unersättlichkeit habe die alte Welt dazu gebracht, ihr Grenzen zu setzen und die "Triebe" des Menschen im Zweifel durch Verbot und Strafe zu sanktionieren. Muße war das Ideal. Dass die aristotelische Ethik Sklavenarbeit nicht nur hinnahm, sondern voraussetzte, bemerken beide eher am Rande. Ein ernsthaftes Gegenargument sei das nicht.

Auch das frühe Christentum, später die Kirche, alle großen, global bedeutsamen Denktraditionen seien dem Ideal eines maßvollen Lebens gefolgt. Diese Begrenzungen nun hätten der Kapitalismus, insbesondere aber die (neo)liberale Wirtschaftsideologie und der politische Liberalismus gesprengt. Mit dem überaus verführerischen Versprechen, eine ungebremste Verfolgung der bislang als schädlich sanktionierten Triebe ermögliche zugleich Reichtum und ein funktionierendes Gemeinwesen, hätten sie Habgier und Maßlosigkeit freigesetzt und jede obrigkeitliche Begrenzung wirtschaftlicher Handlungsmöglichkeiten diskreditiert.

Das Gegenteil sei allerdings eingetreten; die Entfesselung der bis dato als sündig geltenden Triebe habe keinen Zustand der Erfüllung gebracht, die unbestreitbaren wirtschaftlichen Erfolge hätten vielmehr die Unersättlichkeit nur angefeuert. Es sind dabei die Wirkungen des Wirtschafts- und des politischen Liberalismus, die die Skidelskys für fatal halten. Adam Smith, John Rawls, aber auch Herbert Marcuse sind in dieser Sicht die eigentlichen Täter, weil sie der Menschheit das süße Gift vollständiger Bedürfnisbefriedigung bei Auslebung ihrer Triebe eingeträufelt hätten.

Worum es den Autoren geht: Überwindung der Irrlehren des Liberalismus und Rückkehr zu alteuropäischer Idealität, zu Selbstbescheidung und Maß. Es ist freilich keine vollständige Rückkehr, vielmehr ein Innehalten. Man kann ihr Plädoyer für einen erneuerten Aristotelismus so lesen: Erst in der heutigen Welt des materiellen Wohlstands seien die Voraussetzungen für ein "gutes Leben" gegeben. Dass die Skidelskys die Annahmen der modernen Glückstheorien verwerfen, ist ebenso selbstverständlich, wie sie die moderne ökonomische Theorie der Bedürfnisse für eine Anleitung zum Unglücklichwerden halten, die zwangsläufig in die unabschließbare Dynamik des Veblenschen Statuskonsums führe.

Auch der Wertrelativismus des politischen Liberalismus und die Vorstellung der Neutralität des Staates gegenüber den Lebensentwürfen der Menschen sind ihnen unbegreiflich. Selbstverständlich gibt es nach ihrer Auffassung objektive Grundsätze eines "guten Lebens", die die Voraussetzung und Bedingung eines solchen bildeten und denen sich der Staat gegenüber keineswegs neutral verhalten dürfe, im Gegenteil. Bestimmte "Basisgüter" müssten vorhanden sein: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur und Freundschaft. Diese Basisgüter, die die Autoren eher allgemein erläutern, gelte es gegen den modernen Kapitalismus und seine Ideologien zurückzugewinnen und zu behaupten.

Hierbei kommt dem Staat eine wesentliche Rolle zu, und zwar über die Verkürzung der Arbeitszeiten, die Beschränkung des Konsums durch Luxusgesetze und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Angesichts des erreichten Wohlstands sei das finanzierbar, im Interesse von Menschheit und Umwelt wünschenswert, betonen die Autoren. Den letzten Schritt zum guten Leben, so liberal sind sie dann doch, müssten die Menschen allerdings selbst gehen, da Zwang nicht in Frage komme.

So sinnvoll individuelle Mäßigung sein mag, so naiv ist diese Annahme. Die kapitalistische Welt lebt ja nicht im Wohlstand, weil sie ihn als eine Art unverlierbares Niveau sicher hat, sondern weil sie ihn Jahr für Jahr neu produziert. Würden wir willkürlich damit aufhören, nähmen wir nicht nur am Strukturwandel nicht mehr teil, wir könnten von dem bis heute erarbeiteten Wohlstand nicht sehr lange leben. Bald wären die Märkte leer, die Häuser und Straßen zerfielen, die Technik veraltete, der technische Fortschritt bliebe aus. Zumindest das heutige Niveau also müsste jedes Jahr neu produziert werden, was ohne ein entsprechendes Hochhalten der Arbeitsproduktivität kaum möglich ist; zumindest ließe sich ohne eine entsprechende Leistungsfähigkeit das Grundeinkommen für alle kaum bezahlen. Auch die Skidelskys unterliegen entweder dem Trugschluss, man könnte aus der Wachstumsökonomie aussteigen und hätte davon nur Vorteile, oder der Illusion, wir seien so weit, dass die Roboter die Arbeit machen könnten.

Aber Wirtschaft ist nicht irgendein Spiel, das man auf einem bestimmten Level einfach stoppen kann. Es ist eine ständige Auseinandersetzung mit durchaus unterschiedlichem Ausgang, der nicht immer so erfolgreich sein muss wie heute. Die ältere, von den Skidelskys ethisch beschworene Welt war vielleicht für die Oberschichten eine Idylle. In der Gegenwart ist die Lage der Masse der Menschen materiell besser, nicht trotz, sondern wegen des Verzichts auf Beschränkungen. Der Preis für den größeren materiellen Wohlstand ist härtere Arbeit, höhere Produktivität, Ausnutzung aller technischen Handlungschancen auch gegen Widerstände. Das ist zugegeben keine Idylle, aber Idyllen von der Wirtschaft zu erwarten ist auch nicht unbedingt klug.

Das Buch bewirtschaftet zudem einen sich ausbreitenden antimodernen Affekt, der schon bei David Graeber unübersehbar war. Es spekuliert auf eine Art diesseitiger Erlösung, ermöglicht durch eine andere, menschlichere Organisation der Wirtschaft und ein wieder sozial eingehegtes Alltagsverhalten. In der Diesseitigkeit der Erlösungshoffnung ist das Buch nicht unbedingt katholisch, in der übrigen Argumentation schon, wie die Autoren nicht nur in zahlreichen Zwischenbemerkungen zeigen, sondern schließlich auch selbst einräumen: "Ob eine Gesellschaft, der jeglicher religiöser Impuls abhandengekommen ist, sich selbst dazu motivieren kann, das gemeinsame Wohl anzustreben? Wir glauben eher nicht."

Und in der Tat: Wenn nicht aus der Religion - woher nehmen sie dann die Gewissheit der Geltung ihrer "Basisgüter"? Man muss daran schon glauben - sich dann allerdings auch Fragen gefallen lassen, etwa nach der theoretischen und empirischen Stichhaltigkeit der Grundannahme von der Unersättlichkeit des Menschen. Das riecht geradezu nach Erbsünde. Erst so werden auch der Kapitalismus und die (wirtschafts)liberalen Irrlehren zu jenen diabolischen Kräften, die die Sündhaftigkeit des Menschen zugleich nutzen und steigern. Der modernen Wirtschaft den Teufel auszutreiben, den man ihr vorher eingeschrieben hat, das ist der Kern dieses Buches. Wer's glaubt!

WERNER PLUMPE

Robert und Edward Skidelsky: "Wie viel ist genug?" Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens.

Übersetzt von Ursel Schäfer und Thomas Pfeiffer. Antje Kunstmann Verlag, München 2013. 319 S., geb., 19,95 [Euro].

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