Jeder Wanderer in den Alpen freut sich schon zu Beginn einer Tour auf das Ziel: die Berghütte, wo er eine Brotzeit genießt und den Blick über die grandiose Landschaft schweifen lässt. In brillanten Fotografien und lebendigen Reportagen porträtieren Bernd Ritschel und Tom Dauer etwa 50 Hütten in Bayern, Österreich, Südtirol und der Schweiz.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.05.2016Für den Tisch Vergangenen Herbst sind wir zur Rotwandhütte in den Bayerischen Alpen aufgestiegen. Am Spitzingsee hatten wir das Auto geparkt und waren dann, bei elf Grad und einem dichten Nebel, aus dem es in Strömen goss, losmarschiert. Wir hatten uns lange nicht gesehen, hatten diese Tour lange geplant, und dieser eine Tag war nun mal die einzige Möglichkeit. Jedenfalls: Wir trotteten über drei Stunden durch dieses Sauwetter, begegneten niemandem (oder sahen unter unseren Kapuzen zumindest niemanden), da zeichneten sich im Nebel plötzlich die Konturen der Hütte ab. Sie war Erscheinung und Erlösung zugleich. Endlich die nassen Sachen ausziehen, etwas Warmes trinken und einen Speckknödel dazu. Wir saßen mit den Rücken an den Kachelofen gelehnt und unsere Klamotten trockneten an den Holzstangen darüber. Das alles, sagten wir uns, hätten wir bei schönem Wetter nie so intensiv empfunden, und dass offenbar erst die Entbehrung und das Sich-der-unwirtlichen-Natur-Aussetzen zum wahren Genuss führen. Vorausgesetzt, man findet Schutz und Versorgung in einer Hütte, die das neue gleichnamige Buch in der Unterzeile völlig zu Recht als "Sehnsuchtsort in den Alpen" bezeichnet. Der Fotograf Bernd Ritschel und der Autor Tom Dauer stellen darin 38 Hütten in den deutschen, österreichischen, italienischen und schweizerischen Alpen vor - mit kurzen Reportagen, Karten und hilfreichen Hinweisen zu Anfahrt, Zustieg, Hüttenwirten und Schlafplätzen. Angesichts des Booms, den das Bergwandern und damit auch die Hütten seit einigen Jahren erfahren, sind das alles sehr relevante Informationen. "Der Deutsche Alpenverein", schreibt Bernd Ritschel im Vorwort, "zählt in einem normalen Jahr rund 800 000 Hüttenübernachtungen - davon entfallen etwa 720 000 auf den Sommer. Im Rekordjahr 2015 mit seinen lang anhaltenden, trockenen Wetterperioden waren es noch zehn Prozent mehr."
Die trockene Wetterperiode hatten wir auf dem Weg zum Rotwandhaus verpasst - es hörte auch während des Abstiegs nicht auf zu regnen. Dafür hatten wir die Hütte aber umso mehr zu schätzen gewusst. Und damit sind wir beim Manko dieses Bildbandes: Die Fotos sind in ihrer Perfektion einen Tick zu steril für das Thema. Ein bisschen zu viel Alpinkitsch à la Sonnenuntergang-mit-Gipfelkreuz, Vollmond-über-Berggrat, Edelweiß-vor-der-Hüttentüre und Regenbogen-über-dem-Wolkenmeer. Damit wird vielleicht die Sehnsucht geweckt, aber die eigentliche Bedeutung der Schutzhäuser in der oftmals unwirtlichen Realität der Berge ignoriert.
asl
Bernd Ritschel, Tom Dauer: "Hütten: Sehnsuchtsorte in den Alpen". National Geographic, 220 Seiten, 39,99 Euro
Für die Tasche Jeden Monat zieht es ihn für eine Nacht in den Wald. Wenn der erwählte Tag da ist, macht Torbjørn Ekelund früh Feierabend, verabschiedet sich von seiner Familie und fährt in die Nordmarka - ein waldreiches, aber keineswegs unerschlossenes Gebiet nahe Oslo. Hier errichtet er einen Lagerplatz am See und macht weiter nichts, als die Natur auf sich wirken zu lassen. Ein Jahr lang führt er seine "Mikroexpeditionen" durch, von Januar bis Dezember. Ist das nun unerhört oder unspektakulär? Mutig oder schrullig? Aus genau dieser Ambivalenz bezieht das Projekt seinen Charme. Ekelund ist weder ein Outdoorfreak noch ein Ökomissionar. Er arbeitet als Journalist in Oslo, ist leidenschaftlicher Fliegenfischer und geprägt von Kindheitserinnerungen an Ferien. Darüber hinaus ist seine Beziehung zur Natur nicht wesentlich enger als die eines durchschnittlichen Norwegers. Im Buch schlägt sich das angenehm wider: Unpathetisch ist Ekelunds Tonfall, niemals belehrend oder verklärt. "Im Wald" geht er ganz einfach der Frage nach, ob sich die Natur als Hort der Ruhe und Erkenntnis in der Praxis behaupten kann. Herausgekommen ist eine wunderbare kleine Philosophie über die Macht der Jahreszeiten - und der Beweis, dass man von kleinen Fluchten nicht nur träumen muss, sondern sie, auch als berufstätiger Familienvater, in den Alltag integrieren kann. Anhand literarischer Exkurse von Sigmund Freud bis Jon Krakauer lässt uns Ekelund zudem an seiner Zeltlektüre teilhaben, die von der Wildnis erzählt - auch der in uns selbst.
slt
Torbjørn Ekelund: "Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr". Piper, München/Berlin 2016, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die trockene Wetterperiode hatten wir auf dem Weg zum Rotwandhaus verpasst - es hörte auch während des Abstiegs nicht auf zu regnen. Dafür hatten wir die Hütte aber umso mehr zu schätzen gewusst. Und damit sind wir beim Manko dieses Bildbandes: Die Fotos sind in ihrer Perfektion einen Tick zu steril für das Thema. Ein bisschen zu viel Alpinkitsch à la Sonnenuntergang-mit-Gipfelkreuz, Vollmond-über-Berggrat, Edelweiß-vor-der-Hüttentüre und Regenbogen-über-dem-Wolkenmeer. Damit wird vielleicht die Sehnsucht geweckt, aber die eigentliche Bedeutung der Schutzhäuser in der oftmals unwirtlichen Realität der Berge ignoriert.
asl
Bernd Ritschel, Tom Dauer: "Hütten: Sehnsuchtsorte in den Alpen". National Geographic, 220 Seiten, 39,99 Euro
Für die Tasche Jeden Monat zieht es ihn für eine Nacht in den Wald. Wenn der erwählte Tag da ist, macht Torbjørn Ekelund früh Feierabend, verabschiedet sich von seiner Familie und fährt in die Nordmarka - ein waldreiches, aber keineswegs unerschlossenes Gebiet nahe Oslo. Hier errichtet er einen Lagerplatz am See und macht weiter nichts, als die Natur auf sich wirken zu lassen. Ein Jahr lang führt er seine "Mikroexpeditionen" durch, von Januar bis Dezember. Ist das nun unerhört oder unspektakulär? Mutig oder schrullig? Aus genau dieser Ambivalenz bezieht das Projekt seinen Charme. Ekelund ist weder ein Outdoorfreak noch ein Ökomissionar. Er arbeitet als Journalist in Oslo, ist leidenschaftlicher Fliegenfischer und geprägt von Kindheitserinnerungen an Ferien. Darüber hinaus ist seine Beziehung zur Natur nicht wesentlich enger als die eines durchschnittlichen Norwegers. Im Buch schlägt sich das angenehm wider: Unpathetisch ist Ekelunds Tonfall, niemals belehrend oder verklärt. "Im Wald" geht er ganz einfach der Frage nach, ob sich die Natur als Hort der Ruhe und Erkenntnis in der Praxis behaupten kann. Herausgekommen ist eine wunderbare kleine Philosophie über die Macht der Jahreszeiten - und der Beweis, dass man von kleinen Fluchten nicht nur träumen muss, sondern sie, auch als berufstätiger Familienvater, in den Alltag integrieren kann. Anhand literarischer Exkurse von Sigmund Freud bis Jon Krakauer lässt uns Ekelund zudem an seiner Zeltlektüre teilhaben, die von der Wildnis erzählt - auch der in uns selbst.
slt
Torbjørn Ekelund: "Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr". Piper, München/Berlin 2016, 18 Euro
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"Die ganze Palette alpiner Schönheit (...) Die Autoren sprechen von den Hütten und ihrer Geschichte, von den Menschen und ihrem Leben. So kann man mit dem Buch viele Stunden verbringen und sich in die Berge träumen.", alpen-blog.blogspot.de, 01.04.2016