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Als Hugo Gardner, einst ein erfolgreicher Auslandskorrespondent für ein renommiertes Magazin, erfährt, dass seine - wesentlich jüngere - Frau Valerie sich nach vierzig Jahren Ehe von ihm scheiden lassen will, fällt er aus allen Wolken, hatte er sich doch auf einen ruhigen gemeinsamen Lebensabend eingestellt. Während er Valeries Beweggründe zu begreifen versucht, trifft er auf einer Reise nach Paris seine frühere Geliebte Jeanne wieder, die er immer noch hinreißend findet. Die beiden nähern sich einander wieder an und genießen die gemeinsamen Stunden - doch kann ein Neuanfang nach all den…mehr

Produktbeschreibung
Als Hugo Gardner, einst ein erfolgreicher Auslandskorrespondent für ein renommiertes Magazin, erfährt, dass seine - wesentlich jüngere - Frau Valerie sich nach vierzig Jahren Ehe von ihm scheiden lassen will, fällt er aus allen Wolken, hatte er sich doch auf einen ruhigen gemeinsamen Lebensabend eingestellt. Während er Valeries Beweggründe zu begreifen versucht, trifft er auf einer Reise nach Paris seine frühere Geliebte Jeanne wieder, die er immer noch hinreißend findet. Die beiden nähern sich einander wieder an und genießen die gemeinsamen Stunden - doch kann ein Neuanfang nach all den Jahren und angesichts alter Verletzungen wirklich gelingen?

Louis Begleys neuer Roman entführt die Leserinnen und Leser in die Stadt der Liebe und erzählt von einer bittersüßen späten Romanze - lakonisch und unsentimental.
Autorenporträt
Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman Lügen in Zeiten des Krieges weltweit bekannt. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Kurt Kister findet Louis Begleys neuen Roman über einen alternden Alpha-Journalisten kurz vor dem Exitus weise und unterhaltsam. Begleys Sprache scheint ihm angenehm frei von stilistischen Entgleisungen, der Held scheint ihm gut in die Reihe von Begley-Figuren zu passen, die einigermaßen gelassen auf ihr Leben und ihre schwindende Potenz (zurück-)schauen. Apropos Potenz. Hier verlässt den Autor laut Kister zeitweise doch die gewohnte Eleganz. Wenn Begley über Sex im Alter schreibt, hört er sich bisweilen an, als hätte er zu lange mit Martin Walser telefoniert, meint Kister.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2021

Das
Walser-Problem
Louis Begleys erzählt vom Begehren eines älteren
Mannes. Das hat schon so manchen Roman verdorben
VON KURT KISTER
Es gibt viele Möglichkeiten, sich den Romanen von Louis Begley zu nähern. Eine davon ist die Lektüre der „Classifieds“ in der New York Review of Books. Klar, in den Nahezu-Vornetzzeiten, als selbst der heute 87-jährige Begley noch ein junger Mann von 64 war, fand man am Ende der Review viel mehr Kleinanzeigen, in denen pensionierte New Yorker Rechtsanwälte eine Partnerin oder auch einen Partner für eine Europareise suchten, oder ihr Appartement im 9. Arrondissement in Paris vermieten wollten. Heute nehmen die Classifieds nur noch eine oder anderthalb Seiten ein. Aber noch immer möchte die „full-hearted, fit seventysomething widow“ einen „dapper, learned gentleman with a good sense of humor and a twinkle in his eyes“ kennenlernen.
Die Menschen, die in vielen von Begleys Romanen vorkommen, könnten diesen Classifieds entsprungen sein: wohlhabende Pensionisten, die in New York eine Wohnung und in den Hamptons ein Haus haben; missratene Söhne und liebende Töchter; Schauspielerinnen, Anwälte und Medienleute; Menschen, die Paris und Florenz kennen, aber an der US-Ostküste wohnen und in Harvard, Yale oder, nicht so toll, in Stanford studiert haben. Das sind alles andere als „typische“ Amerikaner, die es sowieso nicht gibt, aber dafür typische Vertreter eines bestimmten New Yorker Milieus, in dem die Weißen bei Weitem überwiegen, viele einen jüdischen Hintergrund haben, linksliberal eingestellt sind und nicht wenig Geld verdient haben – zumeist mit Worten, mit der Interpretation von Gesetzen oder der Beratung in Finanzdingen.
Hugo Gardner, der Protagonist von Begleys Roman „Hugo Gardners neues Leben“, ist biografisch der typische Begley-Mann: 84, pensionierter Time-Chefredakteur, gerade verlassen von seiner deutlich jüngeren Frau, mit der er 40 Jahre lang verheiratet war. Er ist auf der Suche nach nichts mehr, aber offen für die Möglichkeit, dass da doch noch etwas sein könnte, und sei es nur die Entwicklung eines besseren Verhältnisses zu seiner Tochter, die zur Mutter hält und ihn als langweiligen, selbstsüchtigen Nie-da-gewesen-Vater sieht. Gardner ist von einer resignierten Gelassenheit, die sich auch in seinem unentschiedenen Umgang mit einer beginnenden Krebserkrankung (Prostata, was sonst?) zeigt. Er überlegt sich außerdem, ob er nicht jetzt, da seine Frau Valerie mit einem jüngeren Restaurantbetreiber zusammen ist, einen Hund kaufen sollte, eine französische Bulldogge, wie seine Freundin Sally eine hat.
In der Tierhandlung findet er einen „Frenchie“, dem er gleich den Namen Sam gibt. Kurz bevor er aber Sam dort abholt, fällt ihm ein, dass er wahrscheinlich vor Sam (Lebenserwartung bis zu 14 Jahren) sterben wird, und dann gibt es niemanden, der Sam zu sich nimmt, weil sein Sohn keine Hunde mag, und seine Tochter ihn, den Vater hasst. Bevor er also „wieder einen gewaltigen Fehler gemacht hätte, einen von vielen, die mein Leben übersäten“, lässt er Sam in der Tierhandlung, zahlt dem Inhaber 200 Dollar Rücktrittsgebühr und ist froh, der sechs Monate alten Bulldogge das ungewisse Schicksal einer Demnächst-oder-später-Waise erspart zu haben. Wenn das nicht achtsames Denken ist, dann weiß man wirklich nicht, was achtsames Denken bedeuten soll.
Begley ist ein großartiger, lakonischer Erzähler, was man seit seinem 1991-Erstling „Lügen in Zeiten des Krieges“ weiß, und in seinen Schmidt-Büchern bestätigt bekam. Zwar hat Begley die längere Zeit seines Lebens als immer erfolgreicherer Rechtsanwalt gearbeitet. Glücklicherweise aber schlägt dies in seinem literarischen Werk nicht durch, obwohl die Juristerei, zumal wenn sie die Grundlage für Vermögensverwaltung, Aufsichtsratstätigkeiten und Ähnliches bildet, nahezu unabdingbar eine Vergurgelung normaler, gar schöner Sprache nach sich zieht. Anwältinnen, Verwaltungsjuristen und in Jura promovierte Firmengroßmoguln (auch Großmogulinnen) werden häufig Opfer einer Deformation professionelle nicht ihrer Ausdrucksfähigkeit, sondern ihrer Ausdrucksart.
Louis Begley ist das nahezu strahlende Gegenbeispiel, dass es nicht so kommen muss. Er nimmt einen in kurzen, oft präzisen Sätzen mit in Seele und Hirn von Hugo Gardner, mit dem man sich, zumal als älterer Mann, manchmal identifizieren kann. Allerdings nur manchmal, denn hin und wieder wird Begley in einer fast unangenehmen Art deutlich, wenn es um die körperliche Liebe geht. Da entsteht dann – und selbstverständlich ist das eine subjektive Empfindung des Rezensenten – ein Walser-Problem.
Martin Walser, sechs Jahre älter als Begley, hat viele herausragende Bücher verfasst, nicht nur die Anselm-Kristlein-Trilogie. Er ist außerdem ein sogenannter umstrittener Schriftsteller, früher links, heute eher kynisch im Sinne von Diogenes. Auf seine ernsthaft alten Tage beschäftigt sich Walser nicht nur mit dem Tod, sondern auch mit dem, was nicht mehr so heftig vor dem Tod kommt, nämlich mit der Alterserotik. Walser tut dies mal als verkleideter Goethe, mal als sterbender Mann oder als Verfasser von Briefen an eine unbekannte Geliebte. Es mag sein, dass man das deswegen so leicht als peinlich empfindet, weil älteren, gar alten Menschen Erotik oder Sex von Jüngeren oft nicht zugestanden wird. Es mag aber auch sein, dass es peinlich wirkt, wenn die Art der Beschreibung erotischer Gedanken oder Akte zwischen dem Stil psychologisierender Zeitschriftentexte und – Vorsicht, Klischee – Altmännerschwulst changiert.
Hugo Gardner jedenfalls fährt zu einer Konferenz nach Paris und sucht dort jene Frau, in die er vor Jahrzehnten als Korrespondent seiner Zeitschrift in Frankreich auch wegen der erotischen Freuden haltlos verliebt war. Er findet Jeanne als Gattin eines dementen, prominenten Adligen und die beiden beginnen – ja, was denn nun? Eine Affäre? Eine erneut fleischwerdende Erinnerung? Die Suche nach der verlorenen Zeit? Begley lässt wenig Zweifel, was die beiden gelegentlich auch miteinander machen; das angenehm zu Herzen gehende Buch bekommt plötzlich „Stellen“, als habe Begley mit Walser telefoniert.
Natürlich hält die Geschichte mit Jeanne nicht an. Sie kehrt zurück zu ihrem dementen Mann sowie einem Ex-Geliebten. Yves, so heißt der Lover, ist gesundheitlich auch angeschlagen, sodass Jeanne sich in Zukunft um den Gatten und den Lover kümmern wird, vielleicht sogar in einem Haus, weil der Gatte ohnehin nicht mehr so viel merkt. Hugo findet das zwar nicht toll, aber erträglich. Wegen Jeanne schleppt er seit Jahrzehnten ein schlechtes Gewissen herum, weil er sie damals rüde im Stich gelassen hatte, um seine nachmalige Gattin Valerie zu heiraten, die jetzt ihn „abserviert“ hat, wie es in der Übersetzung heißt. (Abservieren ist in diesem Zusammenhang ein seltsam altmodisches Wort.)
Als Paris und die Illusion, noch mal 70 sein zu können, vorbei sind, kehrt Hugo wieder in die Hamptons zurück. Da wartet seine Freundin und Cousine Sally, die mit der Bulldogge, die ihn, no strings attached, gerne besucht, und sei es nur, um gemeinsam über Exes zu reden. Wie das mit der Prostata wird, weiß man nicht. Aber wer, der eine Prostata hat, weiß das schon, zumindest langfristig.
Jedes neue Leben, auch das neue Leben des Hugo Gardner, ist immer eine Fortsetzung des alten. So gesehen ist das Bestreben, noch mal neu anzufangen, in aller Regel ungefähr so, wie wenn einer das Dachgeschoß seines alten Hauses ausbaut – was Neues, aber auf dem Alten. Das sagt zwar nicht Louis Begley, aber er weiß trotzdem Bescheid. Ein weises Buch, kurzweilig erzählt.
Begley erzählt von einem 84 Jahre
alten ehemaligen Chefredakteur,
der sich an einer Affäre versucht
Walser beschäftigt sich mit der
Alterserotik, mal als verkleideter
Goethe, mal als sterbender Mann
Louis Begley: Hugo Gardners neues Leben. Aus dem amerikanischen Englisch von Christa Krüger übersetzt. Berlin 2021,
Suhrkamp-Verlag,
235 Seiten, 24 Euro.
In Paris suchen die Protagonisten nach, nun ja, der verlorenen Zeit.
Foto: Alamy
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»Ein weises Buch, kurzweilig erzählt.« Kurt Kister Süddeutsche Zeitung 20210803