From the award-winning author of Life After Life comes Kate Atkinson's Human Croquet, part fairy tale, part mystery, part coming-of-age novel New York Times Book Review Notable Book of the Year Human Croquet tells the story of Isobel Fairfax, a girl growing up in Lythe, a typical 1960s British suburb. But Lythe was once the heart of an Elizabethan feudal estate and home to a young English tutor named William Shakespeare, and as Isobel investigates the strange history of her family, her neighbors, and her village, she occasionally gets caught in Shakespearean time warps. Meanwhile, she gets closer to the shocking truths about her missing mother, her war-hero father, and the hidden lives of her close friends and classmates. A stunning feat of imagination and storytelling, Kate Atkinson's Human Croquet is rich with the disappointments and possibilities every family shares.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.1998Purzelbäume
Atkinsons "Sommernachtsspiel"
Phantasie gibt das Gefühl der Macht, wo Ohnmacht herrscht. Von dieser Illusion zehrt Isobel, die halbwüchsige Heldin in Kate Atkinsons zweitem Roman "Ein Sommernachtsspiel". In seiner gut getarnten Mitte steht ein Mord. Aber nicht der Täter, sondern die Tochter des Opfers vertuscht die Tat geflissentlich. Über der strangulierten Leiche errichtet Isobel das hehre Bauwerk ihrer Unverletzlichkeit: "Ich bin so groß wie England. Meine Hände sind so uferlos wie die Seen des Lake Distrikt, mein Bauch ist so gewaltig wie das Sumpfland des Dartmoor, meine Brüste heben sich wie die Hügel des Peak Distrikt." Die sechzehnjährige Erzählerin hat ein gestörtes Verhältnis zu den Tatsachen. An ihrer Stelle tischt sie uns ein Märchen nach dem anderen auf. Von Feen und Metamorphosen ist viel die Rede. Auch unternimmt sie häufig Zeitreisen und macht dabei nicht nur in der Kindheit ihres Vaters halt, sondern auch beim jungen Shakespeare.
Isobel ist größenwahnsinnig, frühreif und frech: eine britische Pippi Langstrumpf oder Alice im Wunderland der Pubertät. Unter ihrem verächtlichen Blick verwandelt sich die häusliche Gemeinschaft in eine Freakshow. Oma, Vater, Tante, Bruder, Untermieter und Nachbar sind vom Leben ausgespieene Verrückte, die sie weiträumig umzirkelt. Besonders unliebsame Erwachsene werden in einem ihrer Wirklichkeitsentwürfe kaltblütig beseitigt.
Nur einen gibt es, den Isobel mit einer wilden, schmerzlichen Sehnsucht verfolgt: Malcolm Lovat, den Schwarm aller Mädchen. Darf man den narrativen Rückblicken trauen, so ist er ein uneheliches Kind von Isobels geheimnisvoller Mutter. Der Roman quillt über von Findlingen, Waisen und Stiefkindern. Intakte Familien kennt man in ihm nur vom Hörensagen. Sobald einer geboren ist, droht er schon vertauscht, verschenkt oder auf andere Art im Stich gelassen zu werden. Der Inzest ist ein zentrales Motiv des Buches: Er schließt die vom Zerfall bedrohte Familie nach außen hin ab. Nicht nur Isobel steuert ihn an. Wiederholt trifft sie auf Mädchen, die in zartem Alter von ihren Vätern vergewaltigt wurden. Darin ist nicht allein eine weitere Grimasse des mißratenen Familienlebens zu erkennen, sondern auch eine allegorische Ausstellung des literarischen Prinzips, das den Roman regiert.
Atkinsons "Sommernachtsspiel" ist ein Inzest, den der Verstand mit sich selbst treibt. Unaufhörlich entspringen ihm andere Flucht- und Möglichkeitswelten. Konsistenz verleiht diesen Fiktionen nur die Identität ihrer Erfinderin. Aus der subjektiven Struktur ergeben sich die Stärken und Schwächen des Romans. Er besitzt eine markante Erzählerstimme, die durch ihre imaginären Purzelbäume, Ironien und Sarkasmen eine außergewöhnliche Lebendigkeit versprüht. Zugleich wird der Leser von den Bilderwirbeln dieser Vorspiegelungslust in die Unverbindlichkeit entlassen. Die Wirklichkeit mit ihren eisernen Gesetzen, an denen traditionelle Romanfiguren sich stoßen und verbeulen, kommt bei Atkinson immer nur versuchsweise, bei jederzeit möglichem Abbruch, also ohne Konsequenzen vor.
Und doch hat der doppelte Boden der Erzählung seine mürben Stellen. Dort scheint die wunde Kinderseele durch, die das rauhe Faktum der toten Mutter nicht erträgt. Nicht von ungefähr ist Isobels Lieblingsbuch ein Kompendium der ungewöhnlichen Gesellschaftsspiele. Im Reich ihrer Vorstellung sind die realen Menschen zu Brettfiguren geworden, mit denen sie nach eigenem Ermessen umspringt. Nur in den Lücken zwischen den Spielen kommt es zu Déjà-vu-Momenten. Dort trifft die Erfindung auf die Prosa der Verhältnisse, bevor sie sich aufs neue von ihnen abstößt. Der Leser atmet aus und zögert mit dem Urteil: Soll er das aller Wahrscheinlichkeit beraubte Buch verstimmt beiseite legen? Oder darf er als postmoderner Zeitgenosse zur glänzend inszenierten ewigen Wiederkehr des Gleichen gutgelaunt "Da capo" rufen? INGEBORG HARMS
Kate Atkinson: "Ein Sommernachtsspiel". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube. Diana Verlag, München und Zürich 1998. 382 S., geb., 42,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Atkinsons "Sommernachtsspiel"
Phantasie gibt das Gefühl der Macht, wo Ohnmacht herrscht. Von dieser Illusion zehrt Isobel, die halbwüchsige Heldin in Kate Atkinsons zweitem Roman "Ein Sommernachtsspiel". In seiner gut getarnten Mitte steht ein Mord. Aber nicht der Täter, sondern die Tochter des Opfers vertuscht die Tat geflissentlich. Über der strangulierten Leiche errichtet Isobel das hehre Bauwerk ihrer Unverletzlichkeit: "Ich bin so groß wie England. Meine Hände sind so uferlos wie die Seen des Lake Distrikt, mein Bauch ist so gewaltig wie das Sumpfland des Dartmoor, meine Brüste heben sich wie die Hügel des Peak Distrikt." Die sechzehnjährige Erzählerin hat ein gestörtes Verhältnis zu den Tatsachen. An ihrer Stelle tischt sie uns ein Märchen nach dem anderen auf. Von Feen und Metamorphosen ist viel die Rede. Auch unternimmt sie häufig Zeitreisen und macht dabei nicht nur in der Kindheit ihres Vaters halt, sondern auch beim jungen Shakespeare.
Isobel ist größenwahnsinnig, frühreif und frech: eine britische Pippi Langstrumpf oder Alice im Wunderland der Pubertät. Unter ihrem verächtlichen Blick verwandelt sich die häusliche Gemeinschaft in eine Freakshow. Oma, Vater, Tante, Bruder, Untermieter und Nachbar sind vom Leben ausgespieene Verrückte, die sie weiträumig umzirkelt. Besonders unliebsame Erwachsene werden in einem ihrer Wirklichkeitsentwürfe kaltblütig beseitigt.
Nur einen gibt es, den Isobel mit einer wilden, schmerzlichen Sehnsucht verfolgt: Malcolm Lovat, den Schwarm aller Mädchen. Darf man den narrativen Rückblicken trauen, so ist er ein uneheliches Kind von Isobels geheimnisvoller Mutter. Der Roman quillt über von Findlingen, Waisen und Stiefkindern. Intakte Familien kennt man in ihm nur vom Hörensagen. Sobald einer geboren ist, droht er schon vertauscht, verschenkt oder auf andere Art im Stich gelassen zu werden. Der Inzest ist ein zentrales Motiv des Buches: Er schließt die vom Zerfall bedrohte Familie nach außen hin ab. Nicht nur Isobel steuert ihn an. Wiederholt trifft sie auf Mädchen, die in zartem Alter von ihren Vätern vergewaltigt wurden. Darin ist nicht allein eine weitere Grimasse des mißratenen Familienlebens zu erkennen, sondern auch eine allegorische Ausstellung des literarischen Prinzips, das den Roman regiert.
Atkinsons "Sommernachtsspiel" ist ein Inzest, den der Verstand mit sich selbst treibt. Unaufhörlich entspringen ihm andere Flucht- und Möglichkeitswelten. Konsistenz verleiht diesen Fiktionen nur die Identität ihrer Erfinderin. Aus der subjektiven Struktur ergeben sich die Stärken und Schwächen des Romans. Er besitzt eine markante Erzählerstimme, die durch ihre imaginären Purzelbäume, Ironien und Sarkasmen eine außergewöhnliche Lebendigkeit versprüht. Zugleich wird der Leser von den Bilderwirbeln dieser Vorspiegelungslust in die Unverbindlichkeit entlassen. Die Wirklichkeit mit ihren eisernen Gesetzen, an denen traditionelle Romanfiguren sich stoßen und verbeulen, kommt bei Atkinson immer nur versuchsweise, bei jederzeit möglichem Abbruch, also ohne Konsequenzen vor.
Und doch hat der doppelte Boden der Erzählung seine mürben Stellen. Dort scheint die wunde Kinderseele durch, die das rauhe Faktum der toten Mutter nicht erträgt. Nicht von ungefähr ist Isobels Lieblingsbuch ein Kompendium der ungewöhnlichen Gesellschaftsspiele. Im Reich ihrer Vorstellung sind die realen Menschen zu Brettfiguren geworden, mit denen sie nach eigenem Ermessen umspringt. Nur in den Lücken zwischen den Spielen kommt es zu Déjà-vu-Momenten. Dort trifft die Erfindung auf die Prosa der Verhältnisse, bevor sie sich aufs neue von ihnen abstößt. Der Leser atmet aus und zögert mit dem Urteil: Soll er das aller Wahrscheinlichkeit beraubte Buch verstimmt beiseite legen? Oder darf er als postmoderner Zeitgenosse zur glänzend inszenierten ewigen Wiederkehr des Gleichen gutgelaunt "Da capo" rufen? INGEBORG HARMS
Kate Atkinson: "Ein Sommernachtsspiel". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube. Diana Verlag, München und Zürich 1998. 382 S., geb., 42,- DM.
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Vivid, richly imaginative, hilarious and frightening by turns Observer