Ca. 8,2 Millionen Katzen und 5,4 Millionen Hunde leben derzeit in deutschen Haushalten. Nahezu all diese Vierbeiner werden regelmäßig mit sinnlosen Impfungen, chemischen Medikamentenkeulen und abstrusen Diätfuttermitteln traktiert und so regelrecht krank therapiert. Dieses Enthüllungsbuch zeigt die Missstände in unseren Tierarztpraxen und deckt die Verflechtungen zwischen Tierarzt- Geschäft und der Futtermittelindustrie auf. Die Tierärztin Jutta Ziegler informiert anhand von praktischen Fallbeispielen, wie unsere Hunde und Katzen eben nicht behandelt und ernährt werden sollten. Der verantwortungsbewusste Tierbesitzer erhält in diesem Buch Tipps und Ratschläge, wie er sein Tier und sich selbst vor korrupten und gewissenlosen Tierärzten schützen kann, die die Gesundheit der ihnen anvertrauten Tiere zugunsten ihrer eigenen Brieftasche in verantwortungsloser Weise aufs Spiel setzen.
Dieses Buch sollte für jeden Tierhalter, dem das Wohl seines Tieres am Herzen liegt, Pflichtlektüre sein!
Dieses Buch sollte für jeden Tierhalter, dem das Wohl seines Tieres am Herzen liegt, Pflichtlektüre sein!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.2011So geht die Sachkenntnis vor die Hunde
Das "Schwarzbuch Tierarzt" ist zum Bestseller geworden - mit fragwürdigem Verfahren: Forschung und Recherche zählen wenig, Esoterik und Verschwörungstheorien um so mehr.
Die Zahl der Hunde in deutschen Haushalten sinkt, die Zahl der Katzen stagniert. Vor allem die jüngere Generation hält sich keine Haustiere mehr: Die Tierhalter bis 39 Jahre werden stetig weniger; nur noch ein Viertel aller deutschen Haustiere lebt bei unter 40 Jahre alten Besitzern. Der Hund, ebenso wie das Kind, ist die Ausnahme geworden - wohl, weil beides so schwer zu vereinbaren ist mit dem Arbeitsleben in einer mobiler werdenden Gesellschaft.
Wer es doch wagt, sich eins von beiden zuzulegen, lässt sich offenbar auf ein äußerst fragiles Konstrukt ein. Das suggeriert zumindest die Flut an Ratgeberbüchern zu den Themen Ernährung, Erziehung, medizinische Behandlung oder schlicht: Alltagsbewältigung. Eines der Bücher aus diesem florierenden Genre hat es jetzt in die allgemeinen Bestsellerlisten geschafft: Das "Schwarzbuch Tierarzt", angekündigt als Enthüllungsbericht, sucht nach Ursachen, Schuldigen und einfachen Lösungen. Das Buch ist seit vier Monaten auf dem Markt und derzeit regelmäßig in den Top Ten der politischen Bücher bei Amazon zu finden - nach Thilo Sarrazin und Walter Kohl zwar, aber noch vor "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" und dem Tagebuch der Anne Frank. Mehr als vierzig euphorische Leser schreiben bei amazon.de positive Bewertungen, schildern das Leseerlebnis als Offenbarung und fühlen sich erstmals verstanden. 9000 Exemplare setzte die Autorin, eine in Österreich praktizierende Tierärztin aus Deutschland, zunächst über "Books on Demand" ab. Fast noch einmal so viele Bücher wurden anschließend verkauft, nachdem der Münchner MVG-Verlag das Buch unter Vertrag genommen hatte.
Das "Schwarzbuch Tierarzt" ist eine simpel gestrickte Sammlung von Fallbeispielen aus der Praxis der Autorin Jutta Ziegler. Die Veterinärin berichtet über Paule, den Labrador mit Allergieproblemen, über Kater Felix, der unter Harnsteinen leidet, über übergewichtige, hyperaktive und krebskranke Haustiere. Acht Kapitel braucht sie, dann hat sie die häufigsten chronischen Stoffwechselerkrankungen der Haustiere durchexerziert. Jedes dieser Kapitel steuert selbstbewusst auf die Nennung von Schuldigen zu: Es sind die Tierärzte. Ihre Gier, so Ziegler, lasse sie Impfungen, Fertigfutter und Spezialnahrung aggressiv vermarkten, obwohl all diese Produkte die Leiden angeblich nicht nur verschlimmern, sondern sogar auslösen. Auch Gerätemedizin und anspruchsvolle Diagnostik - etwa mit Hilfe von Magnetresonanztomographen - sind der Autorin suspekt.
Sie propagiert die Rückkehr zu einer therapeutischen Herangehensweise, die auf Abwarten setzt statt auf schnelle Problemerkennung und sofortige Intervention. Es ist die Rückkehr zur Veterinärmedizin der Fünfziger und Sechziger, als man notgedrungen vieles auf sich beruhen lassen musste, weil die Praxen noch ohne Röntgen- und Ultraschallgeräte auskommen mussten und man kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheiten von Hund und Katze besaß. Manchmal ging das gut, und die Symptome verschwanden. Manchmal nicht.
Ziegler ist überzeugt, dass die gängigen Haustierkrankheiten - von Adipositas über Diabetes bis hin zu Verhaltensstörungen - sich durch die Fütterung von rohem Fleisch in den Griff bekommen lassen. "Biologisch artgerechte Rohfütterung", kurz "Barf", heißt dieses Konzept, das seit den neunziger Jahren immer populärer wird. Auch in Deutschland hat "Barf" viele Anhänger gefunden. In Internetforen wie gesundehunde.com tauschen sich Hundebesitzer über Rezepte und Bezugsquellen aus, denn "Barfen", so das inzwischen geläufige Verb zur Futterreligion, ist eine Wissenschaft für sich: Wer seinen Hund mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt wissen will, muss etwa Lende mit Leber mischen, Knochenmehl unterrühren, Pansen hineinstückeln und außerdem gekochte Möhren als Beilage servieren.
Es gibt in den Haustierforen Beiträge zu Themen wie "Barfen im Camping-Urlaub", in denen eifrig diskutiert wird, ob man es verantworten könne, während der Reise und mangels Kühlschrank auch einmal auf eine Chappidose zurückzugreifen und ob man das gekochte Biogemüse durch ein Babygläschen aus dem Reformhaus ersetzen könne. Für einige überzeugte Rohfütterer undenkbar: "Ich füttere immer frisch, sogar auf meiner Jakobswanderung wurde gebarft", heißt es einmal. Die Unterzeichner der Forenbeiträge sind fast ausschließlich Frauen. Ähnlich wie in den gängigen Mutter-und-Baby-Foren unterschreiben sie mit "Andrea mit Farina, Princi und mit Bengy für immer im Herzen", manch eine gibt auch die Geburtsdaten ihrer Hunde an.
Kaum jemand unter den Teilnehmern solcher Foren hat weniger als zwei Hunde; man umgibt sich mit einem Rudel, einer Ersatzfamilie. Hunde, so scheint es, legt man sich heute aus ähnlichen Beweggründen zu wie Kinder - um das "Andere" im Leben zu entdecken, das "Kreatürliche" und auch, um sich selbst angesichts der vielen Wahlmöglichkeiten des Lebens Beschränkungen aufzuerlegen. Das "Schwarzbuch Tierarzt" verspricht einfache Lösungen für den Fall, dass diese Beschränkungen zu einschneidend sein sollten. Doch die Autorin bleibt etwas schuldig, das in einem medizinjournalistischen Enthüllungsbuch von zentraler Bedeutung gewesen wäre: Ergebnisse aus wissenschaftlichen Publikationen. So bleibt vieles Behauptung, nur vage wird hier auf "amerikanische Studien" hingewiesen oder ein Expertenzitat aus unbekannter Quelle eingeflochten.
Auch echte Verschwörungstheorien finden sich im "Schwarzbuch Tierarzt", etwa der Hinweis, "Krankheiten wie beispielsweise Autismus" bei Kindern habe etwas mit der Ernährung zu tun. Hier ist auch der vehement vorgetragene Verdacht einzuordnen, regelmäßige Impfungen könnten für viele Tierleiden - vom akuten, zum Tod führenden Organversagen bis zum chronischen Stoffwechseldefekt - verantwortlich sein. Impfskepsis bei Tierhaltern funktioniert ähnlich wie bei Eltern: Weil die meisten heute keine Opfer von Kinderlähmung mehr mit eigenen Augen gesehen haben, halten sie Impfungen für überflüssig. Im ersten Lebensjahr eines Kindes finden Impfungen zudem so dichtgedrängt statt, dass das Auftreten einer Entwicklungsverzögerung und auch jede sonstige Abweichung und Erkrankung zeitlich immer irgendeiner Impfung zugeordnet werden kann. Hunde werden selten älter als fünfzehn Jahre; eine kurze Zeitspanne, in der Impfungen schnell zu Sündenböcken werden können.
Doch Ziegler scheint mit ihrem Schwarzbuch einen Nerv getroffen zu haben. Das mag auch damit zu tun haben, dass viele Tierhalter gesellschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen: In veterinärmedizinischen Fachzeitschriften wird derzeit diskutiert, dass inzwischen etwa dreißig Prozent der Kunden von Kleintierpraxen in Großstädten von Sozialhilfe leben. Gleichzeitig werden hohe Tierarztrechnungen häufiger, denn Haustiere haben heute eine erhöhte Lebenserwartung. Im letzten Lebensdrittel betrifft die Tiere schließlich auch das, was beim Menschen als Multimorbidität bezeichnet wird: Sie leiden an Krebs und Hormonerkrankungen. Ihre Umgebung, die immer weniger für sie geeignet ist, begünstigt zudem Depressionen und Angststörungen, häufig auch Adipositas, weil Nahrung eine der wenigen Möglichkeiten ist, ein Tier eine Zeitlang ruhigzustellen.
Eine Rückkehr zu einer einfachen und zugleich preiswerten Medizin scheint angesichts einer solchen Entwicklung wenig wahrscheinlich. Ein "Schwarzbuch Tierarzt" hätte aber jenseits jeder Esoterik auch ein Enthüllungsbuch über einen Berufsstand sein können, eine investigativ recherchierte und fundierte Kritik. Doch diese Möglichkeit lässt Ziegler verstreichen. Nur ganz sporadisch und am Rande kommt sie auf Fehlentscheidungen, Fehldiagnosen, handwerkliches Ungeschick und mangelndes Einfühlungsvermögen in Tierarztpraxen zu sprechen. Sie beschreibt Einzelfälle und kolportiert Gerüchte, statt ein System zu hinterfragen.
Der Erfolg des Buches zeigt aber modellhaft eines: Der Frust von Patienten führt gerade dann zu wachsendem Druck auf die Behandelnden, wenn es keine Kassen gibt, die die Kosten übernehmen. In einer solchen Situation liegt die Flucht in Esoterik und Fortschrittsmisstrauen nahe. Wünschenswert wäre gerade in einer solchen Situation eine Versorgung mit Informationen gewesen - etwa über das Abrechnungssystem der Tierärzte, oder den derzeitigen Stand der klinischen Forschung.
CHRISTINA HUCKLENBROICH
Jutta Ziegler: "Hunde würden länger leben, wenn . . .". Schwarzbuch Tierarzt.
mvg-Verlag, München 2011. 192 S., geb., 17,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das "Schwarzbuch Tierarzt" ist zum Bestseller geworden - mit fragwürdigem Verfahren: Forschung und Recherche zählen wenig, Esoterik und Verschwörungstheorien um so mehr.
Die Zahl der Hunde in deutschen Haushalten sinkt, die Zahl der Katzen stagniert. Vor allem die jüngere Generation hält sich keine Haustiere mehr: Die Tierhalter bis 39 Jahre werden stetig weniger; nur noch ein Viertel aller deutschen Haustiere lebt bei unter 40 Jahre alten Besitzern. Der Hund, ebenso wie das Kind, ist die Ausnahme geworden - wohl, weil beides so schwer zu vereinbaren ist mit dem Arbeitsleben in einer mobiler werdenden Gesellschaft.
Wer es doch wagt, sich eins von beiden zuzulegen, lässt sich offenbar auf ein äußerst fragiles Konstrukt ein. Das suggeriert zumindest die Flut an Ratgeberbüchern zu den Themen Ernährung, Erziehung, medizinische Behandlung oder schlicht: Alltagsbewältigung. Eines der Bücher aus diesem florierenden Genre hat es jetzt in die allgemeinen Bestsellerlisten geschafft: Das "Schwarzbuch Tierarzt", angekündigt als Enthüllungsbericht, sucht nach Ursachen, Schuldigen und einfachen Lösungen. Das Buch ist seit vier Monaten auf dem Markt und derzeit regelmäßig in den Top Ten der politischen Bücher bei Amazon zu finden - nach Thilo Sarrazin und Walter Kohl zwar, aber noch vor "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" und dem Tagebuch der Anne Frank. Mehr als vierzig euphorische Leser schreiben bei amazon.de positive Bewertungen, schildern das Leseerlebnis als Offenbarung und fühlen sich erstmals verstanden. 9000 Exemplare setzte die Autorin, eine in Österreich praktizierende Tierärztin aus Deutschland, zunächst über "Books on Demand" ab. Fast noch einmal so viele Bücher wurden anschließend verkauft, nachdem der Münchner MVG-Verlag das Buch unter Vertrag genommen hatte.
Das "Schwarzbuch Tierarzt" ist eine simpel gestrickte Sammlung von Fallbeispielen aus der Praxis der Autorin Jutta Ziegler. Die Veterinärin berichtet über Paule, den Labrador mit Allergieproblemen, über Kater Felix, der unter Harnsteinen leidet, über übergewichtige, hyperaktive und krebskranke Haustiere. Acht Kapitel braucht sie, dann hat sie die häufigsten chronischen Stoffwechselerkrankungen der Haustiere durchexerziert. Jedes dieser Kapitel steuert selbstbewusst auf die Nennung von Schuldigen zu: Es sind die Tierärzte. Ihre Gier, so Ziegler, lasse sie Impfungen, Fertigfutter und Spezialnahrung aggressiv vermarkten, obwohl all diese Produkte die Leiden angeblich nicht nur verschlimmern, sondern sogar auslösen. Auch Gerätemedizin und anspruchsvolle Diagnostik - etwa mit Hilfe von Magnetresonanztomographen - sind der Autorin suspekt.
Sie propagiert die Rückkehr zu einer therapeutischen Herangehensweise, die auf Abwarten setzt statt auf schnelle Problemerkennung und sofortige Intervention. Es ist die Rückkehr zur Veterinärmedizin der Fünfziger und Sechziger, als man notgedrungen vieles auf sich beruhen lassen musste, weil die Praxen noch ohne Röntgen- und Ultraschallgeräte auskommen mussten und man kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheiten von Hund und Katze besaß. Manchmal ging das gut, und die Symptome verschwanden. Manchmal nicht.
Ziegler ist überzeugt, dass die gängigen Haustierkrankheiten - von Adipositas über Diabetes bis hin zu Verhaltensstörungen - sich durch die Fütterung von rohem Fleisch in den Griff bekommen lassen. "Biologisch artgerechte Rohfütterung", kurz "Barf", heißt dieses Konzept, das seit den neunziger Jahren immer populärer wird. Auch in Deutschland hat "Barf" viele Anhänger gefunden. In Internetforen wie gesundehunde.com tauschen sich Hundebesitzer über Rezepte und Bezugsquellen aus, denn "Barfen", so das inzwischen geläufige Verb zur Futterreligion, ist eine Wissenschaft für sich: Wer seinen Hund mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt wissen will, muss etwa Lende mit Leber mischen, Knochenmehl unterrühren, Pansen hineinstückeln und außerdem gekochte Möhren als Beilage servieren.
Es gibt in den Haustierforen Beiträge zu Themen wie "Barfen im Camping-Urlaub", in denen eifrig diskutiert wird, ob man es verantworten könne, während der Reise und mangels Kühlschrank auch einmal auf eine Chappidose zurückzugreifen und ob man das gekochte Biogemüse durch ein Babygläschen aus dem Reformhaus ersetzen könne. Für einige überzeugte Rohfütterer undenkbar: "Ich füttere immer frisch, sogar auf meiner Jakobswanderung wurde gebarft", heißt es einmal. Die Unterzeichner der Forenbeiträge sind fast ausschließlich Frauen. Ähnlich wie in den gängigen Mutter-und-Baby-Foren unterschreiben sie mit "Andrea mit Farina, Princi und mit Bengy für immer im Herzen", manch eine gibt auch die Geburtsdaten ihrer Hunde an.
Kaum jemand unter den Teilnehmern solcher Foren hat weniger als zwei Hunde; man umgibt sich mit einem Rudel, einer Ersatzfamilie. Hunde, so scheint es, legt man sich heute aus ähnlichen Beweggründen zu wie Kinder - um das "Andere" im Leben zu entdecken, das "Kreatürliche" und auch, um sich selbst angesichts der vielen Wahlmöglichkeiten des Lebens Beschränkungen aufzuerlegen. Das "Schwarzbuch Tierarzt" verspricht einfache Lösungen für den Fall, dass diese Beschränkungen zu einschneidend sein sollten. Doch die Autorin bleibt etwas schuldig, das in einem medizinjournalistischen Enthüllungsbuch von zentraler Bedeutung gewesen wäre: Ergebnisse aus wissenschaftlichen Publikationen. So bleibt vieles Behauptung, nur vage wird hier auf "amerikanische Studien" hingewiesen oder ein Expertenzitat aus unbekannter Quelle eingeflochten.
Auch echte Verschwörungstheorien finden sich im "Schwarzbuch Tierarzt", etwa der Hinweis, "Krankheiten wie beispielsweise Autismus" bei Kindern habe etwas mit der Ernährung zu tun. Hier ist auch der vehement vorgetragene Verdacht einzuordnen, regelmäßige Impfungen könnten für viele Tierleiden - vom akuten, zum Tod führenden Organversagen bis zum chronischen Stoffwechseldefekt - verantwortlich sein. Impfskepsis bei Tierhaltern funktioniert ähnlich wie bei Eltern: Weil die meisten heute keine Opfer von Kinderlähmung mehr mit eigenen Augen gesehen haben, halten sie Impfungen für überflüssig. Im ersten Lebensjahr eines Kindes finden Impfungen zudem so dichtgedrängt statt, dass das Auftreten einer Entwicklungsverzögerung und auch jede sonstige Abweichung und Erkrankung zeitlich immer irgendeiner Impfung zugeordnet werden kann. Hunde werden selten älter als fünfzehn Jahre; eine kurze Zeitspanne, in der Impfungen schnell zu Sündenböcken werden können.
Doch Ziegler scheint mit ihrem Schwarzbuch einen Nerv getroffen zu haben. Das mag auch damit zu tun haben, dass viele Tierhalter gesellschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen: In veterinärmedizinischen Fachzeitschriften wird derzeit diskutiert, dass inzwischen etwa dreißig Prozent der Kunden von Kleintierpraxen in Großstädten von Sozialhilfe leben. Gleichzeitig werden hohe Tierarztrechnungen häufiger, denn Haustiere haben heute eine erhöhte Lebenserwartung. Im letzten Lebensdrittel betrifft die Tiere schließlich auch das, was beim Menschen als Multimorbidität bezeichnet wird: Sie leiden an Krebs und Hormonerkrankungen. Ihre Umgebung, die immer weniger für sie geeignet ist, begünstigt zudem Depressionen und Angststörungen, häufig auch Adipositas, weil Nahrung eine der wenigen Möglichkeiten ist, ein Tier eine Zeitlang ruhigzustellen.
Eine Rückkehr zu einer einfachen und zugleich preiswerten Medizin scheint angesichts einer solchen Entwicklung wenig wahrscheinlich. Ein "Schwarzbuch Tierarzt" hätte aber jenseits jeder Esoterik auch ein Enthüllungsbuch über einen Berufsstand sein können, eine investigativ recherchierte und fundierte Kritik. Doch diese Möglichkeit lässt Ziegler verstreichen. Nur ganz sporadisch und am Rande kommt sie auf Fehlentscheidungen, Fehldiagnosen, handwerkliches Ungeschick und mangelndes Einfühlungsvermögen in Tierarztpraxen zu sprechen. Sie beschreibt Einzelfälle und kolportiert Gerüchte, statt ein System zu hinterfragen.
Der Erfolg des Buches zeigt aber modellhaft eines: Der Frust von Patienten führt gerade dann zu wachsendem Druck auf die Behandelnden, wenn es keine Kassen gibt, die die Kosten übernehmen. In einer solchen Situation liegt die Flucht in Esoterik und Fortschrittsmisstrauen nahe. Wünschenswert wäre gerade in einer solchen Situation eine Versorgung mit Informationen gewesen - etwa über das Abrechnungssystem der Tierärzte, oder den derzeitigen Stand der klinischen Forschung.
CHRISTINA HUCKLENBROICH
Jutta Ziegler: "Hunde würden länger leben, wenn . . .". Schwarzbuch Tierarzt.
mvg-Verlag, München 2011. 192 S., geb., 17,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Die Flucht in die Esoterik kann Christina Hucklenbroich nicht empfehlen, wenn Waldi mal wieder an Angstzuständen leidet. Die Tierärztin Jutta Ziegler hat in ihrem Buch aber wenig mehr zu bieten als eben das, warnt uns die Rezensentin. Statt Erläuterungen zum Abrechnungssystem der Veterinäre oder zum klinischen Forschungsstand der Haustierkrankheiten stößt Hucklenbroich in diesem trotz allem erstaunlich erfolgreichen Buch auf Hunde mit Harnstein und Krebs, denen die Autorin Frischfleischfressen empfiehlt, weniger Impfungen und die Tiermedizin der 60er Jahre. Einfache Lösungen, die Hucklenbroich nicht überzeugen. Auch, weil Ziegler keine wissenschaftlichen Publikationen heranzieht. Investigative Kritik wäre bei der Rezensentin auf mehr Zuspruch gestoßen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH