Nach »Das Floß der Medusa« und »Die Eroberung Amerikas« erzählt Franzobel in »Hundert Wörter für Schnee« die abenteuerliche Geschichte der Eroberung des Nordpols. Im Herbst 1897 bringt der US-amerikanische Entdecker und Abenteurer Robert Peary sechs Inughuit, so der Name der im Norden Grönlands lebenden Menschen, auf einem Dampfschiff nach New York. Untersucht sollen sie werden, vor allem aber ausgestellt und hergezeigt. Vier von ihnen sterben schnell an Tuberkulose, einer wird zurückgebracht - der neunjährige Minik aber bleibt. Seine Geschichte - Taufe, Schule, betrügerischer Pflegevater, Flucht - sorgt für Schlagzeilen. In Franzobels Roman wird Minik nicht nur zum Spielball zwischen der zivilisierten amerikanischen Kultur und der angeblich primitiven eines Naturvolkes. Sein Schicksal ist ein Heldenlied auf den Überlebenskampf eines beinahe ausgestorbenen Volkes, das bewiesen hat, wie der Mensch selbst in der unwirtlichsten Gegend überleben kann.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensentin Katharina Teutsch trifft sich mit Franzobel in dessen Wiener Wohnung zu Gugelhupf und Schnitzel, gesprochen wurde offenbar wenig, denn über das Gespräch erfahren wir kaum etwas. Das kommt der Kritik des neuen Romans zugute, den sich Teutsch sehr genau vornimmt: Jüngst tritt der österreichische Autor immer häufiger mit Romanen über den Kolonialismus hervor, im aktuellen widmet er sich der Grönland-Expedition des amerikanischen Abenteurers Robert Peary, der gemeinsam mit seinem afroamerikanischen Diener Matthew Henson zum Nordpol aufbrach. Wir lesen von körperlichen und psychischen Strapazen während der Exkursion ebenso wie vom Zusammentreffen zwischen den Amerikanern und den dort lebenden Inughuit - sechs Einheimische nimmt Peary mit nach Amerika, von denen vier kurz darauf starben, resümiert Teutsch. Im Mittelpunkt steht vor allem der neunjährige Minik, der Peary als "Forschungsobjekt" dient. Aber Franzobel erzählt nicht nur davon in einer Mischung aus Mitgefühl und bissiger Satire, sondern er spürt auch nach, wie die "Entdeckten" die Amerikaner beäugten. Es ist genau diese Integrität, beide Perspektiven einzubinden, die Teutsch dem Autor hoch anrechnet. Und so empfiehlt sie gern einen Roman, der mit bitterer Komik, mitunter auch mit Slapstick-Momenten davon erzählt, was solche kulturellen Exkursionen im Namen der Wissenschaft anrichten konnten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein thematisch wie sprachlich äußerst gelungenes Plädoyer für Vielfalt und Offenheit. Keine Leserin, keinen Leser wird dieser Text kalt lassen." Andreas Puff-Trojan, Münchner Merkur, 22.02.25 "Franzobel hat einen bitterkomischen Roman geschrieben." Katharina Teutsch, Die Zeit, 20.02.25 "Ein wunderbarer, trauriger, böser und vor allem menschlicher Roman über das Abenteuer und den Schrecken des Eises und der Finsternis." Bernd Noack, Nürnberger Nachrichten, 20.02.25 "Mit Ironie und teils groteskem Sprachwitz erzählt Franzobel eine reale Antihelden-Saga, die heute ganz ähnlich stattfinden könnte." Jürgen Deppe, NDR Kultur, 16.02.25 "Franzobel entfaltet eindrucksvolle Bilder ... Ihm ist ein großartiger, gelehrsamer Roman gelungen, der nicht belehrend sein will." Irina Kiliminik, Presse Spectrum, 15,02.25 "Ein aufwühlender, entlarvender, abenteuerlich guter Roman." Bernd Melichar, Kleine Zeitung, 15.02.25 "Mit immenser Suggestivität zeichnet Franzobel in seinem Buch ein Porträt der Epoche des Kolonialismus, in der Gier, Raffsucht und Egozentrik dominierten." Ulf Heise, MDR Kultur, 14.02.25 "Franzobel hat ein gutes Gespür für historische Stoffe, formuliert aus, was man bislang vielleicht eher gestreift hat. Er haucht Schicksalen Leben ein, zeichnet seine Figuren klar, versieht sie mit Charakter." Wolfgang Huber-Lang, APA, 14.02.25