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Die Berliner Republik, ein Reformkanzler, Deutschland einig Vaterland, die neue Mitte, blühende Landschaften, Ost und West: Das wird sicher noch werden. Aber wie geht es einstweilen den Leuten? Oder, genauer, wie geht es einem Menschen, der das alles vertreten soll? Was macht beispielsweise eine junge Frau, die als Politikerin nach Berlin geht, mit ihrem ganz normalen Leben? Wohnungssuche, Schwangerschaft, Bürokratie, Fernehe, Überarbeitung und Liebeskummer damit ist Marie Hundertmark, frischgewählte Abgeordnete aus München, ziemlich beschäftigt, vielleicht mehr als mit der Diskussion und…mehr

Produktbeschreibung
Die Berliner Republik, ein Reformkanzler, Deutschland einig Vaterland, die neue Mitte, blühende Landschaften, Ost und West: Das wird sicher noch werden. Aber wie geht es einstweilen den Leuten? Oder, genauer, wie geht es einem Menschen, der das alles vertreten soll? Was macht beispielsweise eine junge Frau, die als Politikerin nach Berlin geht, mit ihrem ganz normalen Leben? Wohnungssuche, Schwangerschaft, Bürokratie, Fernehe, Überarbeitung und Liebeskummer damit ist Marie Hundertmark, frischgewählte Abgeordnete aus München, ziemlich beschäftigt, vielleicht mehr als mit der Diskussion und Durchsetzung aktueller politischer Anliegen. Ihr elfterTag in der Stadt beginnt in einem komfortablen Hotel an der Berliner Friedrichstraße und wird 24 Stunden später irgendwo in der Küche einer Wohnung am Prenzlauer Berg enden. Es ist ein Tag, der mühsam startet, voller Unsicherheit, Zweifel, voller Zumutungen, ein Tag, der Marie Hundertmark kreuz und quer durch teure Einkaufsviertel, chaotische Büros, repräsentative Regierungsgebäude und heruntergekommene Altbauwohnungen führt, hin zu den Menschen, die letztlich diese Stadt ausmachen: schnoddrige Taxifahrer, glatte Lobbyisten, müde Reporter, grinsende Bundeskanzler, vergessene Liebhaber. Das ist die Geschichte, die hier erzählt wird: 24 Stunden im Leben der Marie Hundertmark, eine Reise also durch Berlin, durch Zeiten und Straßen, ein Blick auf fremde Gesichter, Zufälle, Geschicke, eine Agenda des Scheiterns, der Verlorenheit und eine Irrfahrt der Gefühle. Peter Handke sagt über den Erzählstil Kratzerts: Selten ist mir Lässigkeit im Schreiben so positiv oder luftig oder durchlässig begegnet. Und zugleich spürt man Ernst und Ernstnahme noch und noch.
Autorenporträt
Armin Kratzert, geboren 1957 in Augsburg, aufgewachsen bei Rosenheim. Studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Arbeitet als Schriftsteller, Kritiker und Journalist, lebt in München und im Salzkammergut.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.11.2006

Am Anfang war der Kanzler
Armin Kratzerts neuer Roman über einen Tag in Berlin
Was würde der Literaturredakteur Armin Kratzert den Romanautor Armin Kratzert fragen? Da schmunzelt er, Armin Kratzert, muss überlegen und weiß gar nicht so genau, was. Sein neuer Roman „Hundertmark” ist kürzlich erschienen, und für ihn, der in seiner BR-Sendung „Lesezeichen” regelmäßig mit Schriftstellern spricht, wäre er selbst nicht der schlechteste Gast. Wobei Selbstgespräche im Fernsehen ja meist eher langweilig sind. Ganz anders Kratzerts schmales Buch, indem er auf 135 Seiten einen Tag im Leben der Marie Hundertmark schildert. Von morgens, 5.17 Uhr, bis nachts, 0.11 Uhr.
Angefangen hat alles mit dem Kanzler. Als Kratzert, beruflich oft in Berlin, dort einmal aus dem Hotelfenster blickte und Gerhard Schröder unten auf derStraße sah, kam ihm die Idee, „Hundertmark” (A1 Verlag) zu schreiben. Über eine junge Münchner Abgeordnete, die aus Bayern in dieHauptstadt kommt und als erstes das sieht, was er selbst sah: eben den Kanzler. So beginnt die Geschichte, und sie geht weiter damit, wie die schwangere Marie ihren Arbeitstag beginnt. Warum überhaupt eine Frau als Protagonistin? „Ich interessiere mich eben für Frauen”, sagt Kratzert grinsendund erläutert: „Ich finde es spannender, eine Hauptfigur zu schaffen,die einem nicht ähnlich ist. Das ist eine Herausforderung.” Und was diese Frau erlebt, wirkt nicht nur deshalb so authentisch, weil der Autor in einer angenehm leichten, klaren, lebensnahen Sprache darüber schreibt, sondern auch, weil er gut recherchiert hat.
Mit mehreren Abgeordneten hat er für sein viertes Buch gesprochen, sie zu ihrem Berufsleben befragt und auch zu Privatem. Ihre Sorgen und Ängste erkennt man als Leser in Marie Hundertmark wieder. Sie fragt: „Kann man sich heute überhaupt mit den Idealen der sozialen Marktwirtschaft identifizieren? Und welche genau wären das eigentlich?” Marie erscheint menschlich: „Raoul! Dieser Tag fühlt sich so seltsam an: Als wäre es mein erster in der Stadt”, schreibt sie ihrem Mann in einer SMS.
Aber trotz des politischen Milieus, in dem Marie sich bewegt, möchte Kratzert keine Bundestagsanalyse liefern, keine politischen Aussagen treffen. Ein „Blitzlicht” sei sein Roman, durch die Schilderung eines einzigen Tages ganz bewusst nicht verallgemeinerbar. Und überhaupt stehe Marie als Mensch im Mittelpunkt der Geschichte: ihre Schwangerschaft, von der ihr Mann noch nichts weiß, die Einsamkeit in der Fremde, ihre Freundin mit der schwer kranken Tochter, der junge Journalist Kowalski, der ihr am Telefon sagt, dass er ihre Stimme so gern höre, und sie später in seine Wohnung einlädt, die Angst nach einer Explosion, der Abend, nicht mehr einsam in einer Stadt, die inzwischen weniger fremd ist.
Schon vor der Veröffentlichung des Romans hat Armin Kratzert, der in Augsburg geboren ist und jetzt in München wohnt, in Berlin aus „Hundertmark” gelesen. Mit positivem Feedback, wie er erzählt. „Ich freue mich, dass die Berliner ihre Stadt darin wiedererkannt haben, wie sie ist.” Und wie geschickt Kratzert viele Ereignisse in wenige Stunden einpasst, ohne sie konstruiert wirken zu lassen, während er gleichzeitig fast lakonisch die Hauptstadt beschreibt, ist für den Leser eine wahre Freude. Das politische Berlin, aus den Medien hinlänglich bekannt als kalt und routiniert, ist nunmehr nur noch Kulisse für Wesentlicheres. So wird schließlich die Geschichte eines Ortswechsels erzählt, die Geschichteeines Arbeitstages, aber vor allem die Geschichte einer Frau: die von Marie Hundertmark.
FRIEDERIKE HAUPT
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