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From the guitarist of the pioneering band Sleater-Kinney, a candid, funny, and deeply personal look at making a life-and finding yourself-in music.

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Produktbeschreibung
From the guitarist of the pioneering band Sleater-Kinney, a candid, funny, and deeply personal look at making a life-and finding yourself-in music.
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Autorenporträt
Carrie Brownstein is a musician, writer and actor who first became widely known as the guitarist and vocalist of the band Sleater-Kinney and later as a creator, writer and co-star of the Emmy-nominated, Peabody Award winning television show Portlandia. Brownstein's writing has appeared in The New York Times, The Believer, Slate, and numerous anthologies on music and culture. She lives in Portland, Oregon and Los Angeles.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2016

Differenz!

Was wird eine Heldin der Gegenkultur wie die Musikerin und Autorin Carrie Brownstein am Dienstag wählen?

Die Alte Welt hat in der Neuen vor allem als Ortsname überlebt: Athens, Georgia, zum Beispiel. Oder Olympia, Washington - mythische Orte der achtziger und neunziger Jahre, Städte, an denen eine subversive Popkultur entstand, die bis heute die amerikanische Gegenwart prägt, weil sie abgemildert im Massengeschmack aufgegangen ist. Leute, die beim Sport immer zuletzt gewählt worden waren, wurden damals zu Stars. Der Verlierer wurde ein Held, weil er nicht mehr über seine Handicaps zu triumphieren versuchte - und genau damit seinen Platz in der Masse behauptete. Das funktionierte als Punkhymne für ein paar Eingeweihte genauso wie als Serie für viele: Lisa Simpson, die "Smells Like Teen Spirit" von Nirvana singt, sozusagen.

Immer noch schwer zu sagen, warum das eigentlich so kam, aber damals setzte sich ein neues Ideal durch, in der Musik, im Kino, in Fernsehserien. Brüche und Widersprüche, das Unaufgelöste, Unglatte und Disparate einer menschlichen Existenz, all das, was man im Bildungsroman eines durchschnittlichen Lebens mit den vorgefundenen Verhältnissen in Einklang zu bringen versucht: Es durfte auf einmal quer zu diesen Verhältnissen stehen bleiben. Musste nicht überwunden, konnte ausgelebt werden. Dass man gleichzeitig erfolgreich und nicht damit einverstanden sein kann, wurde auf einmal möglich - solange man diesen Widerspruch permanent zur Sprache bringen würde. Es gab keine Erlösung, die Spannung hielt einen am Leben. Jeder und jede war immer einmal komplizierter als alle anderen. Es ging um Differenz, immer. Dieser Schlüsselbegriff poststrukturalistischer Theorie, den bis heute schon die Erstsemester an amerikanischen Hochschulen lernen, wurde in der Musik zur Praxis. Differenzen zu respektieren und auszustellen - das verband das Seminar mit dem Club.

Die Musikerin, Schauspielerin und Autorin Carrie Brownstein ist eine typische Vertreterin dieser differenten Generation - wie ihre enge Freundin Miranda July, wie ihr Förderer Dave Eggers, wie die Musikerin Catpower oder der Regisseur Wes Anderson: lauter Außenseiterberühmtheiten, die aus einem Mikrokosmos kamen, wie es die College-Stadt Olympia im nordwestlichen Bundesstaat Washington in den Neunzigern war. Carrie Brownstein, die damals dort studierte und ihre Band Sleater-Kinney gründete, hat jetzt ihre Autobiographie geschrieben: "Modern Girl" ist auch die Geschichte der letzten zwanzig Jahre Amerikas und des Siegeszugs des sogenannten Gegenentwurfs, "politisch und sexuell andersdenkend", wie es gleichzeitig hier in der Bundesrepublik die Band Blumfeld auf den Punkt brachte.

Nicht nur Punkrock, nicht nur Hollywood, auch die amerikanische Akademie ist ja ein Exportprodukt: Universitäten wie Harvard werben längst auf der ganzen Welt um Studenten. Andererseits kultiviert und fördert diese Akademie eine Andersartigkeit, die überhaupt nicht zum Abziehbild-Amerika (Nasa, Coca-Cola) passt. Wenn jetzt am Dienstag ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt wird, fragt man sich schon, auf welche Seite sich dieses andere Amerika schlagen wird. Bernie Sanders hat es lange binden können, aber der tritt nicht an. Zwei Kandidaten tun es, die entweder für rücksichtslose Marktförmigkeit stehen - oder für etablierte Macht. Für Differenz ist da kein Platz. Beim letzten Mal war Obama noch diese Differenz gewesen, ob er das wollte oder nicht. Aber jetzt? Wie geht man mit der Spaltung und dem Hass um, den dieser Präsidentschaftswahlkampf freigesetzt hat, wo lässt man sich danach nieder?

"Die Verzweiflung ist spürbar", sagt Carrie Brownstein, am Telefon aus Alaska, wo sie gerade an der neuen Staffel ihrer Fernsehserie "Portlandia" dreht. "Und Sorge und Fassungslosigkeit. Ich will das gar nicht kleinreden. Aber ich glaube auch, dass es die Menschen wachgerüttelt hat. Eine große Bewegung ist hier losgetreten worden."

Carrie Brownstein ist auch mal Teil einer Bewegung gewesen. Man nannte sie die "Riot Grrrls", auch wenn sich keine von diesen Aufruhrmädchen dieses Etikett je anheften wollte, weil so etwas festlegt und ausschließt. Nach Olympia, wo sich die feministischen Riot Grrrls formierten, war Brownstein 1994 gezogen, mit zwanzig: "So wie ich es mir vorstellte", schreibt sie heute in "Modern Girl", "war es Paris oder Berlin in den Zwanzigern, es war die Bloomsbury Group, die Wiege der Zivilisation". Carrie gründet mit ihrer Freundin Corin Tucker eine Band: Sleater-Kinney. Zwei Gitarren, ein Schlagzeug, kein Bass, die Instrumente steigern sich polar, die Stimmen (Brownsteins wärmer, Tuckers schneidend) stacheln sich gegenseitig an: ein brodelnder, existentialistischer Punkrock, in dem es jederzeit um alles ging. Nie entspannend. Immer am Anschlag.

Sieben Jahre später erklärte der renommierte Kulturjournalist Greil Marcus dann Sleater-Kinney im "Time"-Magazin zur "besten Band Amerikas". Dass Brownstein dieses ungeheure Lob in ihrer Autobiographie wie nebenbei erwähnt, ist nicht kokett. Es verrät viel über die Autorin und die Szene, aus der sie kommt. Und in der angestammte Institutionen nicht viel gelten, aber Integrität alles.

"Modern Girl" ist einerseits die klassische Musikerbiographie: Brownstein erzählt die Geschichte ihrer Band von damals bis heute - wie sie ihre Schlagzeugerin Janet Weiss fanden, wie sie wo auf welchen Sofas und Fußböden schliefen, die erste Platte aufnahmen, dann die zweite, "Dig Me Out", mit der alles explodierte, und dann die nächste und immer so weiter. Wie Carrie und Corin erst ein Paar waren und dann nicht mehr, und das in Musik verwandelt wurde. Es gibt "Yoko macht die Beatles kaputt"-artige Anekdoten über den neuen Freund von Corin oder Freundinnen von Carrie, es gibt Durchbrüche, Zweifel und Triumphe, lange Passagen über Fans und ihre Bedürfnisse ("Wie sollte ich ihnen helfen, wenn ich doch genauso war wie sie?") und die Presse ("Ich kann gar nicht sagen, wie es ist, Frau im Musikgeschäft zu sein. Ich habe ja keinen Vergleich.")

Aber gleichzeitig erzählt "Modern Girl" Mentalitätsgeschichte aus einem Amerika, das man schnell aus dem Blick verliert, wenn man nur die Testosterontweets von Donald Trump liest. Oder von dem man nichts weiß, weil man denkt, Amerika sei so etwas wie der Super Bowl aus Bundesstaaten mit Cowboystiefeln untendran. Der Grad an Selbstreflexion ist dort aber gerade in den benachbarten Sphären von Kunst und Akademie enorm. Man lernt das, wie gesagt, früh an der Uni, und selbst wenn man davon nur gestreift wird, steht es im Lehrplan und hinterlässt Spuren. "Wir waren selbstbewusst, klar, aber wir wussten, dass Unsicherheit erst den Drang schürt, sich zu beweisen und etwas unbedingt zu wollen", schreibt Carrie Brownstein. "Sobald du erklären musst, was du tust und warum und warum nicht anders, ist es schwer, Legende zu sein. Jedes Mal, wenn du darüber reden musst, fühlst du dich kleiner." Was Trump wohl von so einem Satz hielte?

Irgendwann implodierte die Bewegung aber, vielleicht unvermeidlich bei so viel Skrupel: "Es lastete zu viel Druck auf dieser einzelnen Indie- und Punkbewegung, die unmöglich für alle Arten von Persönlichkeiten oder Anderssein stehen konnte." Exakt diese Erfahrung ist es aber offenbar, die Carrie Brownstein jetzt einigermaßen optimistisch auf die Wahl vom Dienstag schauen lässt. Sie ist für Hillary Clinton, aber ihr ist klar, dass sie für jemanden stimmt, der sie nicht vollends repräsentiert. "Ich glaube nicht", sagt sie am Telefon, "dass ein Kandidat allein auf jedes Anliegen eine Antwort haben kann, das einen Menschen, eine Familie oder eine Stadt bewegt. Besser, man sucht sich jemanden aus seiner Community, geht zur Lokalwahl, hilft mit, ein System zu schaffen, dass sich selbst regeneriert - von ganz unten. Ich glaube nicht, dass die Leute all ihre Hoffnungen auf einen Kandidaten setzen - eher auf sich selbst und ihre Umgebung."

Das ist, in einer verfahrenen Situation, eine verblüffend einfache Antwort: Trump oder Clinton? Nein: mein Bürgermeister. Meine Bezirksverordnete. Alles fängt irgendwo immer gerade an, eins baut auf dem anderen auf. Fast hätte man, angesteckt vom Zynismus dieses Wahlkampfs, vergessen, dass es gar nicht schwer sein muss. Man schaut auf den Ort, von dem aus man die Welt betrachtet, und von dort beginnt es dann: ein Punksong, eine Bürgerinitiative, Demokratie.

TOBIAS RÜTHER

Carrie Brownstein: "Modern Girl". Übersetzt von Stefanie Jacobs. Benevento-Verlag, 368 Seiten, 24 Euro

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The author writes focused and uncluttered prose, choosing the best, most telling details, as she recounts stories that show what it means to perform for the first time and what it means for a woman to be both a fan and a star in a staunchly male-dominated world. Unlike many rock star memoirs, there's no sense that this book is a chore or a marketing effort. It's revealing and riveting. On the page as in her songs, Brownstein finds the right words to give shape to experience Kirkus