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`Hure` ist die Geschichte einer exzessiv gelebten Doppelexistenz: Eine junge Frau flieht vor der beklemmenden Enge ihres Elternhauses in der kanadischen Provinz in die Großstadt. Dort beginnt die Literatur-Studentin, ihr Geld als Prostituierte zu verdienen und steigt zur begehrten Nobel-Hure auf. Die Freier sind gut situierte Männer, die ihre Professoren sein könnten oder ihre Väter. Ihnen gibt sie sich mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination hin. Bald nicht mehr nur wegen des Geldes, sondern um ihre Weiblichkeit zu beweisen, zwischen Macht und Unterwerfung. Tag für Tag schlüpft die…mehr

Produktbeschreibung
`Hure` ist die Geschichte einer exzessiv gelebten Doppelexistenz: Eine junge Frau flieht vor der beklemmenden Enge ihres Elternhauses in der kanadischen Provinz in die Großstadt. Dort beginnt die Literatur-Studentin, ihr Geld als Prostituierte zu verdienen und steigt zur begehrten Nobel-Hure auf. Die Freier sind gut situierte Männer, die ihre Professoren sein könnten oder ihre Väter. Ihnen gibt sie sich mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination hin. Bald nicht mehr nur wegen des Geldes, sondern um ihre Weiblichkeit zu beweisen, zwischen Macht und Unterwerfung. Tag für Tag schlüpft die Studentin in die Rolle von `Cynthia`, der Frau mit dem perfekten Körper, die sich der männlichen Begierde ausliefert, im selben Maße, wie sich ihre Mutter dieser Begierde verweigert hat.
Von der Mutter, die für die Erzählerin eine "Larve" bleibt, weil sie nie aus ihrem Kokon geschlüpft ist, und vom Vater, der sich in seine Religiosität verschlossen hat, versucht sich die junge Frau zu emanzipieren. Das Leben wird zum Befreiungsschlag, der so lange über den eigenen Körper ausgefochten wird, bis `Cynthia` ein anderes Mittel findet - die Sprache.
Mit Hure hat Nelly Arcan einen provozierenden und zugleich poetischen Bericht einer zerrissenen Persönlichkeit und ihrer Suche nach sich selbst vorgelegt.

Autorenporträt
Nelly Arcan wurde 1975 in Québec geboren. Sie lebt in Montréal, wo sie Literatur studiert. Hure, ihr Debüt, wurde sowohl von der Kritik als auch vom Publikum in Kanada und Frankreich mit Begeisterung aufgenommen.
Rezensionen
Edelprostituierte
Cynthia, die Ich-Erzählerin in Nelly Arcans Hure, ist eine Edelprostituierte, die an ihren Arbeitstagen bis zu 8 Männern hintereinander das kleine Glück beschert. Sie ist jung und schön - und sie besitzt bereits reichlich Erfahrung in ihrem Metier. Ihre Freier sind alt, "Männer, die ihr Vater hätten sein können", und haben Geld. Eine Kombination, die, wie Cynthia weiß, schon immer für gute Konjunktur sorgte.
Studentin
Doch die auf den ersten Blick zynische Cynthia führt ein Doppelleben. Aus einem konservativen Elternhaus in der kanadischen Provinz stammend, führte sie ihr Weg nach der Schule zum Literaturstudium nach Montreal. In einer Art Vorwort deutet sie an, was sie hinter sich lassen wollte, und sei es mit Hilfe der Prostitution: eine kränkliche Mutter, einen krankhaft frömmelnden Vater sowie eine Erziehung durch Klosterschwestern, die sie "Mutter" nennen musste. Aus dieser lust- und lebensfeindlichen Atmosphäre begibt sie sich in das Extrem der bezahlten und hemmungslosen Lust, um sich zu emanzipieren.
Für ihr Leben als Hure gibt sie sich den Namen ihrer verstorbenen Schwester Cynthia. Die zum Teil drastisch, manchmal aber auch in schönen Metaphern geschilderten Beschreibungen der unendlich wiederholten Kopulationen verbergen jedoch nicht, dass "jedes Mal, wenn ein Freier mich beim Namen nennt, er zwischen den Toten" nach Cynthia ruft. In solchen wie nebenbei eingeflochtenen Bemerkungen bringt sie das ganze Leid zum Ausdruck, das sie durch die Prostitution erfährt. Sie stellt fest, dass sie im Eiltempo altert und erzählt von den Tränen, die sie manchmal ungesehen verliert, während die Freier sich angestrengt an ihr abarbeiten.
Eine mitreißende und spannende Lektüre
Hure ist ein poetischer und intelligenter Bericht einer zerrissenen Existenz, geschrieben in einer eigenständigen und reifen Sprache. Indem sie aus ihrem Leben erzählt, befreit sich die Ich-Erzählerin von den Neurosen, die durch ihre Prostitution nur erstickt werden konnten, aber nicht geheilt. Es offenbart sich eine sensible junge Frau mit Ängsten und Komplexen, die viele mit ihr teilen. Trotzt der extremen Lebenssituation wird dadurch ein großes Identifikationspotential erzeugt, das dieses Buch zu einer spannenden und mitreißenden Lektüre macht.
(Andreas Rötzer)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.11.2002

Diagnose Ruhmsucht
Nelly Arcans Hure plappert auf der Analytikercouch

Nachdem Christine Angot und Catherine Millet durch erotische Bekenntnisprosa Sensationserfolge feiern konnten, schlägt Nelly Arcan mit ihrem Roman "Hure" sozusagen in die gleiche Kerbe. Sie verbindet den inneren Monologstil Angots, die den Inzest literarisch zu verarbeiten versuchte, mit Millets Gegenstand: der sexuellen Gier. Doch während Millet in ihrer von Reflexionen durchbrochenen Reportage aus dem Swingerklub-Milieu der siebziger Jahre noch Einblick in eine Welt der klassenüberspannenden Promiskuität gewährte, situiert die in Montréal lebende Kanadierin Arcan ihr Buch in einem historischen Niemandsland. So vage die Außenwelt bleibt, so überdeterminiert ist die Erzählerin.

Alles, was ein lüsterner Sinn an Klischees mit der Dirne verbinden mag, trifft auf das Callgirl Cynthia zu: Sie wurde von Nonnen erzogen, von der Mutter eifersüchtig ignoriert und vom religiösen Vater begehrt. Schon als Schulmädchen - in Uniform natürlich - sehnte sie sich danach, vergewaltigt zu werden. Sie studiert Literatur, haßt andere Frauen, gibt gerne viel Geld aus, grübelt über den Selbstmord und sehnt sich danach, von ihrem Vater, ihren Dozenten und ihrem Psychoanalytiker beschlafen zu werden. Wenn irgendein Faden in der heillosen Sturzflut dieser ichzentrierten Litanei zu finden ist, dann sind es die Therapiestunden, die Cynthia in ihrem von Seminaren und Freiern vollgestopften Stundenplan unterbringt. Da "die Analyse zu nichts führte", will sie "niederschreiben, was ich mit aller Kraft verschwiegen hatte". Wir haben es bei diesem "Roman" demnach mit der ungeordneten Rede einer Couchpatientin zu tun, die sich in öffentliche Behandlung begeben hat. Dabei sucht sie offenbar keine Heilung, sondern Mitleid. Glauben sollen wir, daß sie durch irgendein psychisches Handicap, das der Arzt nicht finden konnte, ins Martyrium der sexuellen Selbstausbeutung gezwungen wurde. Angesichts der eintönigen Schilderung ihrer Qualen meint man es mit einer verschleppten Zwangsprostituierten zu tun zu haben. Doch dann hagelt es wieder Versicherungen der Lust, die Cynthia bei der aus freien Stücken gewählten Arbeit empfindet.

Nur in einem Punkt ist "Hure" schlüssig, denn das Buch gibt seinen Entstehungsgrund unverfroren an: Er ist die Selbstliebe. Pathologisch an dieser verschenkten Chance, den Alltag der Prostitution literarisch urbar zu machen, ist der grenzenlose Narzißmus der Protagonistin. Der berufsbedingte Hunger, jeder Frau den Rang abzulaufen, hat sich schließlich bei ihr auch auf die geistigen Werte erstreckt. Obwohl das Studium für Cynthia nur "daraus besteht, Buchseiten umzublättern", beneidet sie ihre Geschlechtsgenossinnen darum, "sich Schriftstellerin nennen zu können".

Dem wurde mit einem zähflüssigen Roman Abhilfe geschaffen, dessen größte Herausforderung an den Leser darin besteht, noch eine weitere Seite umzublättern. Gegenwärtig, erklärt die Erzählerin, "leide ich allerdings daran, daß ich meine Krankheit nicht benennen kann". Wie wäre es mit "Ruhmsucht"?

INGEBORG HARMS

Nelly Arcan: "Hure". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller. Verlag C. H. Beck, München 2002. 191 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Andreas Merkel findet einige faszinierende Aspekte an diesem Buch, das seinem Eindruck nach "eine radikale Abrechnung mit dem Sex, mit der Familie und den Geschlechtern, betrieben im Geist der Psychoanalyse ist". Trotzdem urteilt er, dass das Debüt der Kanadierin Nelly Arcan ein Dokument des Scheiterns auf ganzer Linie sei und "trotz furioser, hellsichtiger Passagen eine Zumutung jenseits aller intendierten Zumutung", "die Totalverweigerung eines Romans". Zwar fragt sich der Rezensent auch, ob er dem Buch "etwas vorhalten kann, was es gar nicht sein will". Trotzdem bleibt bei ihm einfach ein genervtes Grundgefühl zurück. Ihn stört vor allem der Ton, in dem die Erzählung gehalten ist: "Was nüchtern und hard-boiled wirken soll, klingt allzu oft einfach nur nuttig und altklug", so sein Kommentar zu Arcans "endlosem Analyse-Monolog". Das Fazit ist zwiespältig: Das Buch sei "auch in seinem Scheitern noch zu unversöhnlich und gut, um es einfach wohlwollend wegzuloben".

© Perlentaucher Medien GmbH