Zwölf meisterhaft erzählte Porträts von Menschen, die dem Holocaust zum Opfer fielen oder ihn überlebt haben. Sie zeigen, wie gegenwärtig die Folgen des Zweiten Weltkriegs auch heute noch sind - und handeln zugleich von den ewigen Dingen des Lebens: von Angst, Tod, Eifersucht und Liebe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1997Im Schnee, da saß ein Mädchen
Mehr als ein Mahnmal: Hanna Krall berichtet von polnischen Juden / Von Heinz Ludwig Arnold
Als in Deutschland Kunst und Literatur der Forderung nach dokumentarischer Aufklärung zu erliegen drohten, begann in Polen eine junge Schriftstellerin mit zwei erfolglosen Jugenderzählungen. Danach schrieb sie als Auslandskorrespondentin Reportagen über das Leben von Arbeitern und Wissenschaftlern in Sibirien: "Östlich von Arbat" (1972). Weil die Berichte der Wirklichkeit zu nahe kamen, blieben Konflikte mit dem sozialistischen Quietismus nicht aus, und die Reporterin begann, ihre Texte als "Literarische Reportagen" zu verstecken. Und sie suchte nun ihre Themen in der Vergangenheit; doch das, was sie ausgrub, war nicht minder brisant; denn diese Vergangenheit war nicht vergangen.
Die erste große literarische Reportage von 1977, "Dem Herrgott zuvorkommen", erzählt die Geschichte des Kardiologen Marek Edelmann, eines Führers der "Jüdischen Kampforganisation", die im April 1943 den Aufstand im Warschauer Getto begann. Mit diesem Buch wurde Hanna Krall über die Grenzen Polens hinaus bekannt. Sie wurde auch heftig kritisiert, weil sie das idealisierende Bild vom jüdischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten zerbrach und Menschen beschrieb, die am Ende ihrer Kraft bloß noch vegetierten, bis sie ermordet wurden.
Die Vernichtung der Juden ist seither Hanna Kralls zentrales Thema: vor allem verknüpft mit der Geschichte des osteuropäischen Judentums, dem schwierigen Umgang der Polen mit den Juden und immer auch den Folgen der Vernichtung, unter denen jene leiden, die sie überlebten. Seit 1977 hat Hanna Krall fünf weitere Bücher veröffentlicht, die diese Themen in "literarischen Reportagen" bearbeiten; aber auch die Romane "Die Untermieterin" (1985) und "Fenster" (1987) folgen ihrem inzwischen unverwechselbaren Darstellungsprinzip. Zuletzt kam der Band "Hypnose". Er bietet einen Querschnitt durch Hanna Kralls Werk aus zwanzig Jahren. "Erzählungen" steht auch auf diesem Buch. Doch es sind strenggenommen nicht Kralls Erzählungen, sondern die Erzählungen anderer, die sie reportiert - auf ihre besondere Weise weitererzählt: "Alles, worüber ich schreibe, hat sich wirklich zugetragen. Alle Menschen, über die ich schreibe, haben wirklich existiert, sind also in der Tat Mitautoren meiner Bücher."
Und zwar im genaueren Sinne als jene Objekte der deutschen Dokumentarliteratur, die zu Subjekten gemacht werden sollten, aber doch immer nur jene Objekte blieben, die ihre "Autoren" aus ihnen machten. Hanna Kralls "dokumentarische" Methode bleibt dagegen ihren "Mitautoren" verpflichtet. Sie zeigt Menschen, Opfer und Täter, in außerordentlichen Situationen und bewahrt ihre Erinnerung in fast kühl wirkenden Berichten von Leid und Verzweiflung, Verlassenheit und Einsamkeit, Bangen und Hoffen; und die Täter in ihrer moralischen Indifferenz, in ihrer monströsen Unmenschlichkeit.
"Im Schnee, neben dem Keller oder dem Magazin, saß ein Mädchen. Es war etwa zehn Jahre alt. Rundherum wurde geschossen, manche flüchteten in Richtung Landstraße, andere lagen schon zwischen den Häusern - am Anfang benutzten die Deutschen so kleine fünfgeschossige Pistolen, doch damit schafften sie es nicht, die Juden rannten schon über das Feld, also holten sie ein Maschinengewehr und feuerten eine Garbe ab, aber das Mädchen achtete nicht darauf. Sie saß still da, die Schultern leicht angezogen, als wollte sie sich gegen den Lärm schützen. Als die Deutschen vom Feld zurückkamen - vielleicht auch später, als sie aus Plebanki kamen -, entdeckte einer das Mädchen. Er zückte den Revolver. Schoß ihr in den Hinterkopf. Sie bleib weiter sitzen, nur das Haar hob sich unter dem Luftzug, huiiii - so flog ihr Haar auf, ringsherum lagen die Juden verstreut, aber sie saß weiter da, als wenn nichts geschehen wäre, nur noch etwas mehr in sich zusammengesunken, und nur das schwarze Haar, das flog so - huiiii - so . . ."
Die Passage steht in der Erzählung "Das Eckhaus mit dem Türmchen". Dieses Haus stand in Kock und wurde vor langen Zeiten von einem Zaddik bewohnt: einem, wie das kleine Glossar am Ende von "Hypnose" aufklärt, vollendet frommen Juden. Über ihn hatte schon Martin Buber in seinen "Erzählungen des Chassidim" (1947) geschrieben, und dieser Darstellung Bubers folgt Krall, wenn sie das Haus beschreibt und Gegenstände, die darin herumliegen und auf seine Geschichte verweisen. Krall berichtet in vielen kurzen Kapiteln, die einzelnen Erzählstränge immer wieder abbrechend und aufnehmend, alte und neue Geschichten aus dem Hause und Geschichten, die dort geschehen sind, wohin man aus den drei Fenstern des zehneckigen Türmchens blicken konnte.
Die Passage vom Mädchen im Schnee gehört zur Geschichte vom "Keller der Apolonia Machczynska". In diesem Keller versteckte "die Pola", Mutter von drei Kindern, im Winter 1942 fünfundzwanzig Juden. Verraten wurden sie von einer anderen Jüdin, die mit ihren vier Kindern den Deutschen in die Hände gefallen war und sich durch den Verrat freikaufte. "Zuerst erschossen sie vierundzwanzig Juden", dann "kam Apolonia Machczynska an die Reihe, die nach Plebanki geflüchtet war, auf dem Rückweg aus Plebanki aber fiel den Deutschen die Jüdin mit den Kindern wieder ein, denen sie das Leben versprochen hatten. In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, sie hätten die Jüdin mit den Kindern sofort nach den vierundzwanzig erschossen und wären dann nach Plebanki gefahren, andere, sie seien zurückgekommen und hätten sich erst dann an die Jüdin erinnert . . ."
Doch Hanna Krall schreibt keine Betroffenheitsgeschichten; im Gegenteil: "Tränen trüben den Blick." Es gibt keinerlei Psychologisierung, die erklären und verständlich machen soll. Das, was Hanna Krall berichtet, ist nicht zu begreifen. Sie nutzt auch ihre erzählenden Gewährsleute nicht aus, verstellt dem Leser nicht den Blick auf sie. Ihr scheinbar distanziertes Erzählen aber evoziert Nähe, die unter die Haut geht. So im "Bericht" von einer Erschießung durch das Reserve-Polizeibataillon 101 im Städtchen Józefów. "Sie trieben die Juden auf den Marktplatz und fuhren sie mit dem Lastwagen zum Waldrand. Jeder Polizist trat einzeln zu den zusammengetriebenen Juden, zeigte auf einen, ging mit ihm unter die Bäume und schoß. Er kam zurück, zeigte auf den nächsten und führte ihn zu den Bäumen. Der Weg, den sie gemeinsam zurücklegten, dauerte mehrere Minuten . . . Sie sahen die Gesichter der Opfer, hörten ihr Bitten, ihr Weinen und ihre Gebete. Es war ein langer Julitag." Mit dem einen Wort "gemeinsam" zieht Krall dem Leser einen tiefen Riß ins Bewußtsein.
Einige Male, und es sind die einzigen Passagen, da Hanna Krall sich selbst ins Spiel bringt, reflektiert Hanna Krall mittelbar über ihr Schreiben. "Eine Story für Hollywood" ist, wenn man so will, eine poetologische Geschichte: Eine Jüdin, die ihren Mann mit allen Mitteln aus dem Konzentrationslager zu befreien versuchte und sich dabei selbst, auch körperlich, preisgab, will sich von der Erzählerin ihre Lebensgeschichte schreiben lassen, die dann in Hollywood verfilmt werden soll. Es wird ein erzählerischer Diskurs über Realität und Legende. Kralls Heldin, die Erzählerin, schreibt nämlich so, wie sie, Hanna Krall, schreibt, und als sie ihr Buch abliefert, moniert die Auftraggeberin: ",Schrecklich schmal ist der Roman . . . ein dickes Buch sollte es werden, und herausgekommen ist ein Büchelchen . . . Ich habe Ihnen so viel erzählt.' . . . Wut überkam mich. Meine Heldin führte sich auf wie eine Kundin, die der Schneiderin einen Stoff gebracht und eine Kreation mit Volants und Rüschen, mit Puffärmeln und Falbeln erwartet und ein schlichtes, bescheidenes Kleid bekommen hat. ,Je aufwendiger der Stoff, um so schlichter hat die Fassung zu sein', wiederholte ich mein Argument mit anderen Worten."
Einfacher und treffender läßt sich Hanna Kralls literarisches Credo nicht auf einen Begriff bringen: das Unbegreifliche begreifbar machen, ohne es in seiner Substanz zu verändern. Der Band "Hypnose", der die Essenz ihres gesamten Werks vorstellt, belegt dies auf jeder Seite. Es ist mehr wert als steinerne oder eiserne Mahnmale.
Hanna Krall: "Hypnose". Erzählungen. Aus dem Polnischen übersetzt von Roswitha Matwin-Buschmann. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1997. 245 S., geb., 39,80 DM.
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Mehr als ein Mahnmal: Hanna Krall berichtet von polnischen Juden / Von Heinz Ludwig Arnold
Als in Deutschland Kunst und Literatur der Forderung nach dokumentarischer Aufklärung zu erliegen drohten, begann in Polen eine junge Schriftstellerin mit zwei erfolglosen Jugenderzählungen. Danach schrieb sie als Auslandskorrespondentin Reportagen über das Leben von Arbeitern und Wissenschaftlern in Sibirien: "Östlich von Arbat" (1972). Weil die Berichte der Wirklichkeit zu nahe kamen, blieben Konflikte mit dem sozialistischen Quietismus nicht aus, und die Reporterin begann, ihre Texte als "Literarische Reportagen" zu verstecken. Und sie suchte nun ihre Themen in der Vergangenheit; doch das, was sie ausgrub, war nicht minder brisant; denn diese Vergangenheit war nicht vergangen.
Die erste große literarische Reportage von 1977, "Dem Herrgott zuvorkommen", erzählt die Geschichte des Kardiologen Marek Edelmann, eines Führers der "Jüdischen Kampforganisation", die im April 1943 den Aufstand im Warschauer Getto begann. Mit diesem Buch wurde Hanna Krall über die Grenzen Polens hinaus bekannt. Sie wurde auch heftig kritisiert, weil sie das idealisierende Bild vom jüdischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten zerbrach und Menschen beschrieb, die am Ende ihrer Kraft bloß noch vegetierten, bis sie ermordet wurden.
Die Vernichtung der Juden ist seither Hanna Kralls zentrales Thema: vor allem verknüpft mit der Geschichte des osteuropäischen Judentums, dem schwierigen Umgang der Polen mit den Juden und immer auch den Folgen der Vernichtung, unter denen jene leiden, die sie überlebten. Seit 1977 hat Hanna Krall fünf weitere Bücher veröffentlicht, die diese Themen in "literarischen Reportagen" bearbeiten; aber auch die Romane "Die Untermieterin" (1985) und "Fenster" (1987) folgen ihrem inzwischen unverwechselbaren Darstellungsprinzip. Zuletzt kam der Band "Hypnose". Er bietet einen Querschnitt durch Hanna Kralls Werk aus zwanzig Jahren. "Erzählungen" steht auch auf diesem Buch. Doch es sind strenggenommen nicht Kralls Erzählungen, sondern die Erzählungen anderer, die sie reportiert - auf ihre besondere Weise weitererzählt: "Alles, worüber ich schreibe, hat sich wirklich zugetragen. Alle Menschen, über die ich schreibe, haben wirklich existiert, sind also in der Tat Mitautoren meiner Bücher."
Und zwar im genaueren Sinne als jene Objekte der deutschen Dokumentarliteratur, die zu Subjekten gemacht werden sollten, aber doch immer nur jene Objekte blieben, die ihre "Autoren" aus ihnen machten. Hanna Kralls "dokumentarische" Methode bleibt dagegen ihren "Mitautoren" verpflichtet. Sie zeigt Menschen, Opfer und Täter, in außerordentlichen Situationen und bewahrt ihre Erinnerung in fast kühl wirkenden Berichten von Leid und Verzweiflung, Verlassenheit und Einsamkeit, Bangen und Hoffen; und die Täter in ihrer moralischen Indifferenz, in ihrer monströsen Unmenschlichkeit.
"Im Schnee, neben dem Keller oder dem Magazin, saß ein Mädchen. Es war etwa zehn Jahre alt. Rundherum wurde geschossen, manche flüchteten in Richtung Landstraße, andere lagen schon zwischen den Häusern - am Anfang benutzten die Deutschen so kleine fünfgeschossige Pistolen, doch damit schafften sie es nicht, die Juden rannten schon über das Feld, also holten sie ein Maschinengewehr und feuerten eine Garbe ab, aber das Mädchen achtete nicht darauf. Sie saß still da, die Schultern leicht angezogen, als wollte sie sich gegen den Lärm schützen. Als die Deutschen vom Feld zurückkamen - vielleicht auch später, als sie aus Plebanki kamen -, entdeckte einer das Mädchen. Er zückte den Revolver. Schoß ihr in den Hinterkopf. Sie bleib weiter sitzen, nur das Haar hob sich unter dem Luftzug, huiiii - so flog ihr Haar auf, ringsherum lagen die Juden verstreut, aber sie saß weiter da, als wenn nichts geschehen wäre, nur noch etwas mehr in sich zusammengesunken, und nur das schwarze Haar, das flog so - huiiii - so . . ."
Die Passage steht in der Erzählung "Das Eckhaus mit dem Türmchen". Dieses Haus stand in Kock und wurde vor langen Zeiten von einem Zaddik bewohnt: einem, wie das kleine Glossar am Ende von "Hypnose" aufklärt, vollendet frommen Juden. Über ihn hatte schon Martin Buber in seinen "Erzählungen des Chassidim" (1947) geschrieben, und dieser Darstellung Bubers folgt Krall, wenn sie das Haus beschreibt und Gegenstände, die darin herumliegen und auf seine Geschichte verweisen. Krall berichtet in vielen kurzen Kapiteln, die einzelnen Erzählstränge immer wieder abbrechend und aufnehmend, alte und neue Geschichten aus dem Hause und Geschichten, die dort geschehen sind, wohin man aus den drei Fenstern des zehneckigen Türmchens blicken konnte.
Die Passage vom Mädchen im Schnee gehört zur Geschichte vom "Keller der Apolonia Machczynska". In diesem Keller versteckte "die Pola", Mutter von drei Kindern, im Winter 1942 fünfundzwanzig Juden. Verraten wurden sie von einer anderen Jüdin, die mit ihren vier Kindern den Deutschen in die Hände gefallen war und sich durch den Verrat freikaufte. "Zuerst erschossen sie vierundzwanzig Juden", dann "kam Apolonia Machczynska an die Reihe, die nach Plebanki geflüchtet war, auf dem Rückweg aus Plebanki aber fiel den Deutschen die Jüdin mit den Kindern wieder ein, denen sie das Leben versprochen hatten. In dieser Frage gehen die Meinungen auseinander. Die einen sagen, sie hätten die Jüdin mit den Kindern sofort nach den vierundzwanzig erschossen und wären dann nach Plebanki gefahren, andere, sie seien zurückgekommen und hätten sich erst dann an die Jüdin erinnert . . ."
Doch Hanna Krall schreibt keine Betroffenheitsgeschichten; im Gegenteil: "Tränen trüben den Blick." Es gibt keinerlei Psychologisierung, die erklären und verständlich machen soll. Das, was Hanna Krall berichtet, ist nicht zu begreifen. Sie nutzt auch ihre erzählenden Gewährsleute nicht aus, verstellt dem Leser nicht den Blick auf sie. Ihr scheinbar distanziertes Erzählen aber evoziert Nähe, die unter die Haut geht. So im "Bericht" von einer Erschießung durch das Reserve-Polizeibataillon 101 im Städtchen Józefów. "Sie trieben die Juden auf den Marktplatz und fuhren sie mit dem Lastwagen zum Waldrand. Jeder Polizist trat einzeln zu den zusammengetriebenen Juden, zeigte auf einen, ging mit ihm unter die Bäume und schoß. Er kam zurück, zeigte auf den nächsten und führte ihn zu den Bäumen. Der Weg, den sie gemeinsam zurücklegten, dauerte mehrere Minuten . . . Sie sahen die Gesichter der Opfer, hörten ihr Bitten, ihr Weinen und ihre Gebete. Es war ein langer Julitag." Mit dem einen Wort "gemeinsam" zieht Krall dem Leser einen tiefen Riß ins Bewußtsein.
Einige Male, und es sind die einzigen Passagen, da Hanna Krall sich selbst ins Spiel bringt, reflektiert Hanna Krall mittelbar über ihr Schreiben. "Eine Story für Hollywood" ist, wenn man so will, eine poetologische Geschichte: Eine Jüdin, die ihren Mann mit allen Mitteln aus dem Konzentrationslager zu befreien versuchte und sich dabei selbst, auch körperlich, preisgab, will sich von der Erzählerin ihre Lebensgeschichte schreiben lassen, die dann in Hollywood verfilmt werden soll. Es wird ein erzählerischer Diskurs über Realität und Legende. Kralls Heldin, die Erzählerin, schreibt nämlich so, wie sie, Hanna Krall, schreibt, und als sie ihr Buch abliefert, moniert die Auftraggeberin: ",Schrecklich schmal ist der Roman . . . ein dickes Buch sollte es werden, und herausgekommen ist ein Büchelchen . . . Ich habe Ihnen so viel erzählt.' . . . Wut überkam mich. Meine Heldin führte sich auf wie eine Kundin, die der Schneiderin einen Stoff gebracht und eine Kreation mit Volants und Rüschen, mit Puffärmeln und Falbeln erwartet und ein schlichtes, bescheidenes Kleid bekommen hat. ,Je aufwendiger der Stoff, um so schlichter hat die Fassung zu sein', wiederholte ich mein Argument mit anderen Worten."
Einfacher und treffender läßt sich Hanna Kralls literarisches Credo nicht auf einen Begriff bringen: das Unbegreifliche begreifbar machen, ohne es in seiner Substanz zu verändern. Der Band "Hypnose", der die Essenz ihres gesamten Werks vorstellt, belegt dies auf jeder Seite. Es ist mehr wert als steinerne oder eiserne Mahnmale.
Hanna Krall: "Hypnose". Erzählungen. Aus dem Polnischen übersetzt von Roswitha Matwin-Buschmann. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1997. 245 S., geb., 39,80 DM.
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