Zeitgeschichte von innen: Joschka Fischers Erinnerungen an dramatische Wendepunkte der Zeitgeschichte.
Der 11. September 2001 leitete eine Zeitwende ein, die die deutsche Regierung und den damaligen Außenminister Joschka Fischer vor dramatische Herausforderungen stellte. Die erste Antwort auf die New Yorker Anschläge war der Krieg in Afghanistan, der bis in die Gegenwart die deutsche Politik in Atem hält. Das Gleiche gilt für den Krieg der USA gegen den Irak, dem sich die rot-grüne Koalition entgegenstellte und der zu heftigen Konflikten zwischen den USA und Deutschland führte.
Joschka Fischer berichtet von innen über die dramatischen Hintergründe dieses Zerwürfnisses und die schwierige Gratwanderung zwischen seinem Nein zum Krieg und der Rolle Deutschlands als wichtigstem Bündnispartner der USA in Europa.
Aber auch viele andere politische Groß-Themen von Heute haben in den Jahren der rot-grünen Regierung ihren Ursprung, seien es die Debatten über Laufzeiten von Atomkraftwerken, die Agenda 2010 und die Hartz IV-Gesetze, die drohende atomare Bewaffnung des Iran, die Krisen der Europäischen Union und nicht zuletzt die Auseinandersetzungen um die NS-Geschichte des Auswärtigen Amtes, deren kritische Erforschung durch Joschka Fischer angestoßen wurde und zu erschreckenden Ergebnissen geführt hat.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Der 11. September 2001 leitete eine Zeitwende ein, die die deutsche Regierung und den damaligen Außenminister Joschka Fischer vor dramatische Herausforderungen stellte. Die erste Antwort auf die New Yorker Anschläge war der Krieg in Afghanistan, der bis in die Gegenwart die deutsche Politik in Atem hält. Das Gleiche gilt für den Krieg der USA gegen den Irak, dem sich die rot-grüne Koalition entgegenstellte und der zu heftigen Konflikten zwischen den USA und Deutschland führte.
Joschka Fischer berichtet von innen über die dramatischen Hintergründe dieses Zerwürfnisses und die schwierige Gratwanderung zwischen seinem Nein zum Krieg und der Rolle Deutschlands als wichtigstem Bündnispartner der USA in Europa.
Aber auch viele andere politische Groß-Themen von Heute haben in den Jahren der rot-grünen Regierung ihren Ursprung, seien es die Debatten über Laufzeiten von Atomkraftwerken, die Agenda 2010 und die Hartz IV-Gesetze, die drohende atomare Bewaffnung des Iran, die Krisen der Europäischen Union und nicht zuletzt die Auseinandersetzungen um die NS-Geschichte des Auswärtigen Amtes, deren kritische Erforschung durch Joschka Fischer angestoßen wurde und zu erschreckenden Ergebnissen geführt hat.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2011Die rot-grüne Verweigerung
Joseph Fischer blickt zurück auf den Irak-Krieg und die große Spaltung des Westens
Das war großes Kino damals, vor acht Jahren, im Saal des Bayerischen Hofs in München, als der deutsche Außenminister, theatralisch leicht vor Erregung bebend, dem amerikanischen Verteidigungsminister auf Englisch zurief: "Excuse me, I am not convinced." Es war natürlich kein Kino, die Szene mit Fischer und Rumsfeld war nicht gestellt, sie war real: Ein Publikum, dem der Atem stockte, erlebte auf dramatische Weise das Schisma des Westens, gewissermaßen personalisiert. Die Regierung Bush suchte den Krieg gegen den Irak, die rot-grüne Bundesregierung hielt ein solches Vorgehen für einen großen strategischen Fehler. Es war das erste Mal, dass sich das wiedervereinigte Deutschland gegen eine Schlüsselentscheidung Amerikas stellte und die Gefolgschaft verweigerte; es war, wie Joseph Fischer jetzt schreibt, eine "kleine Revolution" - eine Revolution, welche die zum Regimewechsel in Bagdad entschlossene Regierung Bush bekanntermaßen nicht von ihrem Vorhaben abbrachte, der aber die Mehrheit der Deutschen kräftig applaudierte. Nicht nur, aber auch wegen der Haltung in der Irak-Frage war Rot-Grün schließlich 2002 der Abwahl entkommen.
Es ist kein Zufall also, dass Fischer den Irak-Konflikt ins Zentrum des zweiten Teils seiner Erinnerungen als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in einer rot-grünen Koalition stellt. Diese Erinnerungen setzen ein mit dem "11. September" und mit der Ahnung, dass, als Konsequenz des "globalen Krieges gegen Terror", ein weltpolitischer Orkan losbrechen werde. Umgehend bot Kanzler Schröder den Vereinigten Staaten die "uneingeschränkte Solidarität" Deutschlands an; dieses Angebot war auch militärisch ernst gemeint, sein Kern war die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan. Für die deutsche Psyche und die deutsche Politik bedeutete freilich auch das eine - unvollendete - Revolution.
Fischer sah seine Aufgabe 2002 und zu Beginn des Jahres 2003 darin, bei der Gratwanderung nicht abzustürzen: auf der einen Seite die Ablehnung des Irak-Kriegs durch die Bundesregierung, auf der anderen die Fortdauer der Bündnisverpflichtungen und die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten (was die Ablehnung ihrer Politik nicht ausschloss). Vor allem als Kanzler Schröder sich Ende Januar 2003 auf ein Nein im UN-Sicherheitsrat, dem Deutschland damals angehörte, festlegte, drohten die Isolierung Berlins und der Absturz der Koalition, Letzteres allerdings auch wegen der innen- und wirtschaftspolitischen Misshelligkeiten. Beides, Absturz und Isolierung, wurde vermieden, wobei außenpolitisch Putin und Chirac der Regierung zu Hilfe eilten. Interessant dabei ist, wie viel Misstrauen Fischer der französischen Führung entgegenbrachte. Fast bis zuletzt hielt er es für möglich, dass Paris der amerikanischen Politik letztlich zustimmen könnte.
Der atlantischen Arena, im geographischen wie im politischen Sinne und erweitert um das nahöstliche Konfliktfeld, widmete Fischer in jenen dramatischen Jahren die meiste physische und intellektuelle Energie. Andere Themen und Akteure mied er, ob aus Desinteresse oder aufgrund der Konzentration auf die diplomatischen Hauptkampflinien. Den innenpolitischen Kämpfen entzog er sich nicht, aber das Klein-Klein und der Provinzialismus der deutschen Innenpolitik waren ihm lästig. Das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wollte er nicht durch den kaum verhüllten Antiamerikanismus eines "deutschen Weges", den sein Koalitionspartner gehen wollte, zusätzlich belastet sehen. Einsehen musste er jedoch, dass zumindest das Amerika des George W. Bush sich nicht von ihm, nicht von Deutschland, nicht von Europa, schon gar nicht von einem gespaltenen Europa beeinflussen ließ. Amerika sah sich nach dem Angriff auf New York und Washington im Krieg; da ließ es sich weder Fesseln anlegen noch von guten Argumenten überzeugen. Fischer, ein Mann mit ausgeprägtem Ego, erlebte auch, wie seine Vorgänger und Nachfolger im Amt, dass Kanzler Gefallen an den großen Themen der Außenpolitik finden und dass das Kanzleramt immer mehr Raum beansprucht auf einem Terrain, dass andere traditionell als das ihre betrachten.
Fischer war nicht überzeugt von den Argumenten der amerikanischen Regierung, er ist heute nicht überzeugt von der Europa-Politik der Kanzlerin Merkel. In einem Nachwort eigener Art gibt er der Neigung vieler nach, die ins gut gepolsterte Lager weiser Elder Statesmen gewechselt sind, Zensuren zu verteilen. Frau Merkel hält er mehr oder weniger explizit Versagen bei der Wahrnehmung von Führung in der EU vor; sie sei quasi schuld daran, dass die Euro-Krise zu einer politischen Existenzkrise der EU geworden sei. Fischer, ganz traditioneller Föderalist, will die Vereinigten Staaten von Europa, und er will die Mitgliedschaft der Türkei. Ob das eine sich mit dem anderen so einfach verträgt, steht dahin. Würde man überdies einwenden, dass eine Mehrheit der Deutschen weder das eine noch das andere wolle, so hielte er entgegen: Deutschlands Schicksal wird im 21. Jahrhundert in Europa entschieden.
KLAUS-DIETER FRANKENBERGER
Joschka Fischer: "I am not convinced". Der Irak-Krieg und die rot-grünen Jahre, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2011, 372 Seiten, 22,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Joseph Fischer blickt zurück auf den Irak-Krieg und die große Spaltung des Westens
Das war großes Kino damals, vor acht Jahren, im Saal des Bayerischen Hofs in München, als der deutsche Außenminister, theatralisch leicht vor Erregung bebend, dem amerikanischen Verteidigungsminister auf Englisch zurief: "Excuse me, I am not convinced." Es war natürlich kein Kino, die Szene mit Fischer und Rumsfeld war nicht gestellt, sie war real: Ein Publikum, dem der Atem stockte, erlebte auf dramatische Weise das Schisma des Westens, gewissermaßen personalisiert. Die Regierung Bush suchte den Krieg gegen den Irak, die rot-grüne Bundesregierung hielt ein solches Vorgehen für einen großen strategischen Fehler. Es war das erste Mal, dass sich das wiedervereinigte Deutschland gegen eine Schlüsselentscheidung Amerikas stellte und die Gefolgschaft verweigerte; es war, wie Joseph Fischer jetzt schreibt, eine "kleine Revolution" - eine Revolution, welche die zum Regimewechsel in Bagdad entschlossene Regierung Bush bekanntermaßen nicht von ihrem Vorhaben abbrachte, der aber die Mehrheit der Deutschen kräftig applaudierte. Nicht nur, aber auch wegen der Haltung in der Irak-Frage war Rot-Grün schließlich 2002 der Abwahl entkommen.
Es ist kein Zufall also, dass Fischer den Irak-Konflikt ins Zentrum des zweiten Teils seiner Erinnerungen als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in einer rot-grünen Koalition stellt. Diese Erinnerungen setzen ein mit dem "11. September" und mit der Ahnung, dass, als Konsequenz des "globalen Krieges gegen Terror", ein weltpolitischer Orkan losbrechen werde. Umgehend bot Kanzler Schröder den Vereinigten Staaten die "uneingeschränkte Solidarität" Deutschlands an; dieses Angebot war auch militärisch ernst gemeint, sein Kern war die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan. Für die deutsche Psyche und die deutsche Politik bedeutete freilich auch das eine - unvollendete - Revolution.
Fischer sah seine Aufgabe 2002 und zu Beginn des Jahres 2003 darin, bei der Gratwanderung nicht abzustürzen: auf der einen Seite die Ablehnung des Irak-Kriegs durch die Bundesregierung, auf der anderen die Fortdauer der Bündnisverpflichtungen und die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten (was die Ablehnung ihrer Politik nicht ausschloss). Vor allem als Kanzler Schröder sich Ende Januar 2003 auf ein Nein im UN-Sicherheitsrat, dem Deutschland damals angehörte, festlegte, drohten die Isolierung Berlins und der Absturz der Koalition, Letzteres allerdings auch wegen der innen- und wirtschaftspolitischen Misshelligkeiten. Beides, Absturz und Isolierung, wurde vermieden, wobei außenpolitisch Putin und Chirac der Regierung zu Hilfe eilten. Interessant dabei ist, wie viel Misstrauen Fischer der französischen Führung entgegenbrachte. Fast bis zuletzt hielt er es für möglich, dass Paris der amerikanischen Politik letztlich zustimmen könnte.
Der atlantischen Arena, im geographischen wie im politischen Sinne und erweitert um das nahöstliche Konfliktfeld, widmete Fischer in jenen dramatischen Jahren die meiste physische und intellektuelle Energie. Andere Themen und Akteure mied er, ob aus Desinteresse oder aufgrund der Konzentration auf die diplomatischen Hauptkampflinien. Den innenpolitischen Kämpfen entzog er sich nicht, aber das Klein-Klein und der Provinzialismus der deutschen Innenpolitik waren ihm lästig. Das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wollte er nicht durch den kaum verhüllten Antiamerikanismus eines "deutschen Weges", den sein Koalitionspartner gehen wollte, zusätzlich belastet sehen. Einsehen musste er jedoch, dass zumindest das Amerika des George W. Bush sich nicht von ihm, nicht von Deutschland, nicht von Europa, schon gar nicht von einem gespaltenen Europa beeinflussen ließ. Amerika sah sich nach dem Angriff auf New York und Washington im Krieg; da ließ es sich weder Fesseln anlegen noch von guten Argumenten überzeugen. Fischer, ein Mann mit ausgeprägtem Ego, erlebte auch, wie seine Vorgänger und Nachfolger im Amt, dass Kanzler Gefallen an den großen Themen der Außenpolitik finden und dass das Kanzleramt immer mehr Raum beansprucht auf einem Terrain, dass andere traditionell als das ihre betrachten.
Fischer war nicht überzeugt von den Argumenten der amerikanischen Regierung, er ist heute nicht überzeugt von der Europa-Politik der Kanzlerin Merkel. In einem Nachwort eigener Art gibt er der Neigung vieler nach, die ins gut gepolsterte Lager weiser Elder Statesmen gewechselt sind, Zensuren zu verteilen. Frau Merkel hält er mehr oder weniger explizit Versagen bei der Wahrnehmung von Führung in der EU vor; sie sei quasi schuld daran, dass die Euro-Krise zu einer politischen Existenzkrise der EU geworden sei. Fischer, ganz traditioneller Föderalist, will die Vereinigten Staaten von Europa, und er will die Mitgliedschaft der Türkei. Ob das eine sich mit dem anderen so einfach verträgt, steht dahin. Würde man überdies einwenden, dass eine Mehrheit der Deutschen weder das eine noch das andere wolle, so hielte er entgegen: Deutschlands Schicksal wird im 21. Jahrhundert in Europa entschieden.
KLAUS-DIETER FRANKENBERGER
Joschka Fischer: "I am not convinced". Der Irak-Krieg und die rot-grünen Jahre, Kiepenheuer&Witsch, Köln 2011, 372 Seiten, 22,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Verglichen mit dem, was es in diesem Genre sonst oft zu lesen gibt, hält Micha Brumlik die Erinnerungen des grünen Außenministers a.D. an die rot-grünen Jahre für durchaus gelungen. Sicher, er erkennt in dem Werk ein Musterbeispiel für "professionelle Rollenprosa", das Fischers Vorstellungen von diplomatischer Seriosität spiegelt. Das hat er nicht anders erwartet. Genauso wenig, wie er erwartet hat, dass Fischer, wenn er Rechenschaft ablegt, auch Selbstkritik übt. An Selbstkritik findet er immerhin Fischers Eingeständnis, die Hartz-IV-Reformen allzu "technokratisch" mitgetragen zu haben. Inhaltlich dominieren für Brumlik aber die Terroranschläge vom 11. September 2001 und deren Folgen: der Eintritt in den Afghanistan-Krieg und der Irak-Krieg. Brumlik attestiert Fischer einen gut lesbaren, wenn auch manchmal etwas altväterlichen "Kanzleistil". Besonders hebt er das etwas melancholisch wirkende Nachwort hervor, in dem sich Fischer auch kritisch mit der Gattung der Erinnerungen auseinandersetzt und festhält, Akteure taugten nicht zur Geschichtsschreibung in eigener Sache.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Es sind diese schlaglichtartigen Blicke auf Fraktionssitzungen, Verhandlungen, Gesprächsrunden und politische Einschätzungen, die den Reiz des Buches von Joschka Fischer ausmachen.« Mannheimer Morgen
Verglichen mit dem, was es in diesem Genre sonst oft zu lesen gibt, hält Micha Brumlik die Erinnerungen des grünen Außenministers a.D. an die rot-grünen Jahre für durchaus gelungen. Sicher, er erkennt in dem Werk ein Musterbeispiel für "professionelle Rollenprosa", das Fischers Vorstellungen von diplomatischer Seriosität spiegelt. Das hat er nicht anders erwartet. Genauso wenig, wie er erwartet hat, dass Fischer, wenn er Rechenschaft ablegt, auch Selbstkritik übt. An Selbstkritik findet er immerhin Fischers Eingeständnis, die Hartz-IV-Reformen allzu "technokratisch" mitgetragen zu haben. Inhaltlich dominieren für Brumlik aber die Terroranschläge vom 11. September 2001 und deren Folgen: der Eintritt in den Afghanistan-Krieg und der Irak-Krieg. Brumlik attestiert Fischer einen gut lesbaren, wenn auch manchmal etwas altväterlichen "Kanzleistil". Besonders hebt er das etwas melancholisch wirkende Nachwort hervor, in dem sich Fischer auch kritisch mit der Gattung der Erinnerungen auseinandersetzt und festhält, Akteure taugten nicht zur Geschichtsschreibung in eigener Sache.
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