Unsterblich. Unvollkommen. Unbezähmbar.
Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob siezu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen - die sie lieben gelernt hat.
"Eine mutige und rebellische Neuerzahlung der Gottinnengeschichte" New York Times
Der Welt-Bestseller endlich auf Deutsch
New-York-Times-Bestseller #1
"Dieses Buch ist göttlich. Ich war ganz traurig, als es zu Ende war. Große Leseempfehlung!" Gwyneth Paltrow
Circe ist Tochter des mächtigen Sonnengotts Helios und der Nymphe Perse, doch sie ist ganz anders als ihre göttlichen Geschwister. Ihre Stimme klingt wie die einer Sterblichen, sie hat einen schwierigen Charakter und ein unabhängiges Temperament; sie ist empfänglich für das Leid der Menschen und fühlt sich in deren Gesellschaft wohler als bei den Göttern. Als sie wegen dieser Eigenschaften auf eine einsame Insel verbannt wird, kämpft sie alleine weiter. Sie studiert die Magie der Pflanzen, lernt wilde Tiere zu zähmen und wird zu einer mächtigen Zauberin. Vor allem aber ist Circe eine leidenschaftliche Frau: Liebe, Freundschaft, Rivalität, Angst, Zorn und Sehnsucht begleiten sie, als sie Daidalos, dem Minotauros, dem Ungeheuer Scylla, der tragischen Medea, dem klugen Odysseus und schließlich auch der geheimnisvollen Penelope begegnet. Am Ende muss sie sich als Magierin, liebende Frau und Mutter ein für alle Mal entscheiden, ob siezu den Göttern gehören will, von denen sie abstammt, oder zu den Menschen - die sie lieben gelernt hat.
"Eine mutige und rebellische Neuerzahlung der Gottinnengeschichte" New York Times
Der Welt-Bestseller endlich auf Deutsch
New-York-Times-Bestseller #1
"Dieses Buch ist göttlich. Ich war ganz traurig, als es zu Ende war. Große Leseempfehlung!" Gwyneth Paltrow
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2019Kampf der Titanin
Mythologie in neuem Licht: Madeline Millers "Circe"
Gelangweilt vom monotonen und oberflächlichen Leben der Götter, sehnt sich Circe danach, einen Sinn in ihrer Existenz zu finden. Nach einem emotionsgeladenen Zwischenfall wird sie von Zeus auf eine Insel verbannt. Ein Fluch, der sich als Segen entpuppt: Die Verbannung bietet ihr die Freiheit, nach der sie sich immer verzehrt hat. Nach und nach sagt sie sich von ihrer Familie und fremden Erwartungen los und beginnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu führen. Während Circe Tränke braut und Zauber wirkt, ziehen die Ereignisse der Jahrhunderte an ihrer Insel vorbei. Protagonisten berühmter Heldengeschichten werden zu Nebencharakteren. Mit ihren stetigen Veränderungen und den immerwährenden Leiden haben Menschen eine besondere Anziehungskraft auf Circe. Bald fühlt sie sich unter ihnen wohler als unter Göttern. Doch sie muss sich entscheiden. Der Leser begleitet sie auf ihrem Weg von einem schüchternen jungen Mädchen zu einer - sofern man bei Göttern davon sprechen kann - reifen und erwachsenen Frau. Gerade diese Unveränderlichkeit der Göttin ist es auch, die einem beim Lesen keine Ruhe lässt: Wo wird sie ankommen? Wie endet eine Geschichte, die eigentlich nicht enden kann?
Die 1978 in Boston geborene Autorin Madeline Miller schreibt aus Sicht Circes, der Titanin und Hexe aus Homers "Odyssee". Dabei lässt sie den Leser verschiedene Geschichten aus der griechischen Mythologie erleben. Mit der Ankunft des Odysseus beginnt eine Liebesgeschichte zwischen den beiden, und dem Leser eröffnet sich ein ganz neuer Blick auf das alte Epos.
Das Werk ist in siebenundzwanzig Kapitel aufgeteilt, daran schließt sich ein Überblick über sämtliche Personen an, sortiert nach Göttern und Sterblichen, die im Buch auftauchen. Das ist hilfreich, um während des Lesens zwischen den vielen Gestalten der teils doch recht verworrenen griechischen Mythologie nicht den Überblick zu verlieren. Millers Wortwahl ist wenig lebendig, dafür schnörkellos, was eine gewisse Distanz erzeugt. Stellenweise aber wird die Beschreibung äußert genau: Miller gelingt es mühelos, ein Bild von Circes Blick auf die prunkvollen Handelsschiffe und das emsige Treiben im Hafen bei ihrer Ankunft auf Kreta entstehen zu lassen. Anstatt den Leser mit einem Schwall an Informationen zu überfordern, flicht die Autorin geschickt Details über verschiedene Götter oder die Wirkung der in den Zaubertränken enthaltenen Kräuter in den Text ein.
Nach "Das Lied des Achill" ist "Ich bin Circe" Madeline Millers zweites mythologisches Buch. Die Figur der Circe findet seit Jahrhunderten Beachtung in der Literatur; Millers Ausdeutung von ihr ist kurzweilig und eröffnet durch die ungewohnte Perspektive einen erfrischend aktuellen und feministischen Blick auf die griechische Sagenwelt.
MADELEINE BRÜHL
Madeline Miller:
"Ich bin Circe". Roman.
Eisele Verlag, München, 2019. 514 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mythologie in neuem Licht: Madeline Millers "Circe"
Gelangweilt vom monotonen und oberflächlichen Leben der Götter, sehnt sich Circe danach, einen Sinn in ihrer Existenz zu finden. Nach einem emotionsgeladenen Zwischenfall wird sie von Zeus auf eine Insel verbannt. Ein Fluch, der sich als Segen entpuppt: Die Verbannung bietet ihr die Freiheit, nach der sie sich immer verzehrt hat. Nach und nach sagt sie sich von ihrer Familie und fremden Erwartungen los und beginnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu führen. Während Circe Tränke braut und Zauber wirkt, ziehen die Ereignisse der Jahrhunderte an ihrer Insel vorbei. Protagonisten berühmter Heldengeschichten werden zu Nebencharakteren. Mit ihren stetigen Veränderungen und den immerwährenden Leiden haben Menschen eine besondere Anziehungskraft auf Circe. Bald fühlt sie sich unter ihnen wohler als unter Göttern. Doch sie muss sich entscheiden. Der Leser begleitet sie auf ihrem Weg von einem schüchternen jungen Mädchen zu einer - sofern man bei Göttern davon sprechen kann - reifen und erwachsenen Frau. Gerade diese Unveränderlichkeit der Göttin ist es auch, die einem beim Lesen keine Ruhe lässt: Wo wird sie ankommen? Wie endet eine Geschichte, die eigentlich nicht enden kann?
Die 1978 in Boston geborene Autorin Madeline Miller schreibt aus Sicht Circes, der Titanin und Hexe aus Homers "Odyssee". Dabei lässt sie den Leser verschiedene Geschichten aus der griechischen Mythologie erleben. Mit der Ankunft des Odysseus beginnt eine Liebesgeschichte zwischen den beiden, und dem Leser eröffnet sich ein ganz neuer Blick auf das alte Epos.
Das Werk ist in siebenundzwanzig Kapitel aufgeteilt, daran schließt sich ein Überblick über sämtliche Personen an, sortiert nach Göttern und Sterblichen, die im Buch auftauchen. Das ist hilfreich, um während des Lesens zwischen den vielen Gestalten der teils doch recht verworrenen griechischen Mythologie nicht den Überblick zu verlieren. Millers Wortwahl ist wenig lebendig, dafür schnörkellos, was eine gewisse Distanz erzeugt. Stellenweise aber wird die Beschreibung äußert genau: Miller gelingt es mühelos, ein Bild von Circes Blick auf die prunkvollen Handelsschiffe und das emsige Treiben im Hafen bei ihrer Ankunft auf Kreta entstehen zu lassen. Anstatt den Leser mit einem Schwall an Informationen zu überfordern, flicht die Autorin geschickt Details über verschiedene Götter oder die Wirkung der in den Zaubertränken enthaltenen Kräuter in den Text ein.
Nach "Das Lied des Achill" ist "Ich bin Circe" Madeline Millers zweites mythologisches Buch. Die Figur der Circe findet seit Jahrhunderten Beachtung in der Literatur; Millers Ausdeutung von ihr ist kurzweilig und eröffnet durch die ungewohnte Perspektive einen erfrischend aktuellen und feministischen Blick auf die griechische Sagenwelt.
MADELEINE BRÜHL
Madeline Miller:
"Ich bin Circe". Roman.
Eisele Verlag, München, 2019. 514 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019Olympier und Titanen bei Hofe
Die amerikanische Altphilologin Madeline Miller verleiht Kirke, der Tochter des Sonnengottes, eine eigene Subjektivität
Kann das gutgehen, aus einem Mythos einen Roman zu machen? Der Mythos reicht in älteste Zeiten zurück, sein Personal besteht aus Göttern und Heroen; sie handeln und sprechen nach Gesetzen, die mit dem bürgerlichen Zeitalter, als dessen charakteristisches Produkt der Roman gelten darf, wenig oder nichts zu tun haben. Seine typische Gestalt hat der Mythos im epischen Gedicht gefunden, einer Form, die am Anfang der Literatur steht und sich vom Gesang, der Musik noch nicht mit Bestimmtheit abgelöst hat. Und nun vollends der Mythos von Kirke, der göttlichen Hexe auf der Insel Aiaia, die mit ihrem Zauberstab Männer in Schweine verwandelt und sich in einer für beide Seiten gefährlichen Liebschaft mit dem weitgereisten Dulder und Trickster Odysseus verbindet: Heißt nicht, diesen Stoff noch einmal zu bearbeiten, mit dem fast dreitausend Jahre alten Klassiker Homer in eine hoffnungslose Konkurrenz zu treten?
Erstaunlicherweise lautet die Antwort, die man nach der Lektüre von Madeline Millers Buch geben muss: ja, es kann gutgehen; und nein, die Konkurrenz ist mitnichten hoffnungslos. Das liegt zunächst an der Wesensart des Mythos überhaupt, der ja keine heilige Schrift darstellt wie Bibel oder Koran, welche ein für allemal auf einen bestimmten Wortlaut festgelegt sind. Der Mythos, wie der Witz, bleibt immer ein Stoff, der seine Form, sein Leben jeweils erst im Mund des Erzählers findet; und dass Homer es auch schon gemacht hat, braucht niemanden abzuschrecken. Mythos realisiert sich als Dichtung, nicht als Sakralobjekt, er ist plastisch und der unendlichen Erneuerung fähig.
Zum anderen aber hat sich Madeline Miller, geboren 1978, ihres Zeichens Altphilologin und Lehrerin für Latein und Griechisch in Cambridge, genau überlegt, was sie tut. Sie hat die Lücken abgetastet, die jeder altgestaltete Mythos in seiner relativen Kürze aufweist. Im Mythos versteht sich immer alles von selbst; darin bezeugt er seine Nähe zum frühkindlichen Denken, denn auch Kinder nehmen ja fraglos hin, was sich ihrer ersten Erfahrung darbietet, mag es einem Erwachsenen auch noch so verquer vorkommen. Dem Verfasser der Odyssee fällt es nicht ein zu fragen, warum die Tochter des Sonnengottes weltabgeschieden auf einer einsamen Insel weilt oder warum sie ihre Verschweinungen offenbar gewohnheitsmäßig betreibt.
Weshalb ist das so? Das stellt eine moderne, eine psychologische, eine historische Frage dar – keine, die am Denkhorizont des Mythos Sinn hätte. Das heißt aber mitnichten, dass sie überhaupt sinnlos wäre. Verfehlt wäre es freilich, all den Gottheiten, Nymphen und Helden eine Mentalität wie unsere heutige unterzuschieben; dann würde der Mythos in seinem alten Glanz zu etwas Entbehrlichem und reiner Fassade. Miller hat die Lösung gefunden, die göttlich-mythische Welt hinüberzuspiegeln in etwas, das hinter uns liegt, aber eben nur so weit, dass wir es noch zu erkennen und zu begreifen vermögen: Die Verhältnisse bei Olympiern und Titanen gleichen bei ihr denen an Europas frühneuzeitlichen Fürstenhöfen. Ihr Sonnengott, Circes Vater, ist ein Sonnenkönig, in dessen strahlendem Umkreis sich alle Macht personalisiert, der Reichtum sichtbar glitzert, den Einzelnen keine Gewaltenteilung vor Willkür schützt und ein Überfluss an märchenhaft grausamen Strafen herrscht.
Zugleich aber werden die Einzelnen in ihrem Interesse und ihrer Seelenlage sehr deutlich, und eine subordinierte Teilnehmerin dieser glanzvollen Welt besitzt hinreichend Perspektive, das Ganze aus ihrer Sicht darzustellen wie weiland Lieselotte von der Pfalz am Hof Ludwigs XIV. Die riskanteste Entscheidung der Autorin bestand darin, ihre Circe „ich“ sagen zu lassen, und sie zieht es radikal durch. „Ich bin Circe“, lautet der Titel des Buchs. Dieses Ich verneint die überkommene Bewusstlosigkeit des Mythos, mit ihm blickt das Licht der Aufklärung in die archaische Dämonie hinein.
Miller beschränkt sich, was ihre Quellen betrifft, nicht auf die Odyssee, sie zieht zahlreiche kleinere Erzählungen heran, von denen etliche ihren Platz in den Metamorphosen des Ovid gefunden haben, die Verwandlungen des Glaucus, der Scylla usw.; vorsichtig ergänzt sie es, wo es ihr nötig scheint, um die eigene Erfindung. Aus all dem erstellt sie eine durchgehende Biografie ihrer Heldin und damit etwas, das der episodisch verfahrende Mythos weder kann noch will. Circe ist wie gesagt die Tochter des Sonnengottes, eines aufbrausenden Patriarchen; ihre Mutter Perse, sonst eine wenig ausgearbeitete Figur, wird zu einer intriganten, kaltherzigen Aristokratin – einer der besten Charaktere des Romans. Circe, mit einer blechern menschlichen Stimme begabt, muss den Spott ihrer Verwandtschaft erdulden (wie bei Hofe üblich, sind natürlich alle mit allen verwandt) und verscherzt sich schließlich durch ihre Widerrede das Bleiberecht in der aus Obsidian erbauten Burg der Titanen; sie wird nach Aiaia verbannt. Da erfahren wir endlich den Grund für ihr Domizil: eine Strafe ist es, verhängt nicht über eine große Göttin, wie sie bei Homer erschien, sondern eine ganz kleine, kaum höher stehend in der Hierarchie als das Gewusel der Nymphen, die ihre Tage damit verbringen, vor ihren zudringlichen Lovern davonzulaufen, und zum Schluss immer eingefangen werden.
BURKHARD MÜLLER
Madeline Miller: Ich bin Circe. Roman. Aus dem Englischen von Frauke Brodd. Eisele Verlag, München 2019. 528 Seiten, 24 Euro.
Die Quellen des Romans
stammen aus der „Odyssee“ und
Ovids „Metamorphosen“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die amerikanische Altphilologin Madeline Miller verleiht Kirke, der Tochter des Sonnengottes, eine eigene Subjektivität
Kann das gutgehen, aus einem Mythos einen Roman zu machen? Der Mythos reicht in älteste Zeiten zurück, sein Personal besteht aus Göttern und Heroen; sie handeln und sprechen nach Gesetzen, die mit dem bürgerlichen Zeitalter, als dessen charakteristisches Produkt der Roman gelten darf, wenig oder nichts zu tun haben. Seine typische Gestalt hat der Mythos im epischen Gedicht gefunden, einer Form, die am Anfang der Literatur steht und sich vom Gesang, der Musik noch nicht mit Bestimmtheit abgelöst hat. Und nun vollends der Mythos von Kirke, der göttlichen Hexe auf der Insel Aiaia, die mit ihrem Zauberstab Männer in Schweine verwandelt und sich in einer für beide Seiten gefährlichen Liebschaft mit dem weitgereisten Dulder und Trickster Odysseus verbindet: Heißt nicht, diesen Stoff noch einmal zu bearbeiten, mit dem fast dreitausend Jahre alten Klassiker Homer in eine hoffnungslose Konkurrenz zu treten?
Erstaunlicherweise lautet die Antwort, die man nach der Lektüre von Madeline Millers Buch geben muss: ja, es kann gutgehen; und nein, die Konkurrenz ist mitnichten hoffnungslos. Das liegt zunächst an der Wesensart des Mythos überhaupt, der ja keine heilige Schrift darstellt wie Bibel oder Koran, welche ein für allemal auf einen bestimmten Wortlaut festgelegt sind. Der Mythos, wie der Witz, bleibt immer ein Stoff, der seine Form, sein Leben jeweils erst im Mund des Erzählers findet; und dass Homer es auch schon gemacht hat, braucht niemanden abzuschrecken. Mythos realisiert sich als Dichtung, nicht als Sakralobjekt, er ist plastisch und der unendlichen Erneuerung fähig.
Zum anderen aber hat sich Madeline Miller, geboren 1978, ihres Zeichens Altphilologin und Lehrerin für Latein und Griechisch in Cambridge, genau überlegt, was sie tut. Sie hat die Lücken abgetastet, die jeder altgestaltete Mythos in seiner relativen Kürze aufweist. Im Mythos versteht sich immer alles von selbst; darin bezeugt er seine Nähe zum frühkindlichen Denken, denn auch Kinder nehmen ja fraglos hin, was sich ihrer ersten Erfahrung darbietet, mag es einem Erwachsenen auch noch so verquer vorkommen. Dem Verfasser der Odyssee fällt es nicht ein zu fragen, warum die Tochter des Sonnengottes weltabgeschieden auf einer einsamen Insel weilt oder warum sie ihre Verschweinungen offenbar gewohnheitsmäßig betreibt.
Weshalb ist das so? Das stellt eine moderne, eine psychologische, eine historische Frage dar – keine, die am Denkhorizont des Mythos Sinn hätte. Das heißt aber mitnichten, dass sie überhaupt sinnlos wäre. Verfehlt wäre es freilich, all den Gottheiten, Nymphen und Helden eine Mentalität wie unsere heutige unterzuschieben; dann würde der Mythos in seinem alten Glanz zu etwas Entbehrlichem und reiner Fassade. Miller hat die Lösung gefunden, die göttlich-mythische Welt hinüberzuspiegeln in etwas, das hinter uns liegt, aber eben nur so weit, dass wir es noch zu erkennen und zu begreifen vermögen: Die Verhältnisse bei Olympiern und Titanen gleichen bei ihr denen an Europas frühneuzeitlichen Fürstenhöfen. Ihr Sonnengott, Circes Vater, ist ein Sonnenkönig, in dessen strahlendem Umkreis sich alle Macht personalisiert, der Reichtum sichtbar glitzert, den Einzelnen keine Gewaltenteilung vor Willkür schützt und ein Überfluss an märchenhaft grausamen Strafen herrscht.
Zugleich aber werden die Einzelnen in ihrem Interesse und ihrer Seelenlage sehr deutlich, und eine subordinierte Teilnehmerin dieser glanzvollen Welt besitzt hinreichend Perspektive, das Ganze aus ihrer Sicht darzustellen wie weiland Lieselotte von der Pfalz am Hof Ludwigs XIV. Die riskanteste Entscheidung der Autorin bestand darin, ihre Circe „ich“ sagen zu lassen, und sie zieht es radikal durch. „Ich bin Circe“, lautet der Titel des Buchs. Dieses Ich verneint die überkommene Bewusstlosigkeit des Mythos, mit ihm blickt das Licht der Aufklärung in die archaische Dämonie hinein.
Miller beschränkt sich, was ihre Quellen betrifft, nicht auf die Odyssee, sie zieht zahlreiche kleinere Erzählungen heran, von denen etliche ihren Platz in den Metamorphosen des Ovid gefunden haben, die Verwandlungen des Glaucus, der Scylla usw.; vorsichtig ergänzt sie es, wo es ihr nötig scheint, um die eigene Erfindung. Aus all dem erstellt sie eine durchgehende Biografie ihrer Heldin und damit etwas, das der episodisch verfahrende Mythos weder kann noch will. Circe ist wie gesagt die Tochter des Sonnengottes, eines aufbrausenden Patriarchen; ihre Mutter Perse, sonst eine wenig ausgearbeitete Figur, wird zu einer intriganten, kaltherzigen Aristokratin – einer der besten Charaktere des Romans. Circe, mit einer blechern menschlichen Stimme begabt, muss den Spott ihrer Verwandtschaft erdulden (wie bei Hofe üblich, sind natürlich alle mit allen verwandt) und verscherzt sich schließlich durch ihre Widerrede das Bleiberecht in der aus Obsidian erbauten Burg der Titanen; sie wird nach Aiaia verbannt. Da erfahren wir endlich den Grund für ihr Domizil: eine Strafe ist es, verhängt nicht über eine große Göttin, wie sie bei Homer erschien, sondern eine ganz kleine, kaum höher stehend in der Hierarchie als das Gewusel der Nymphen, die ihre Tage damit verbringen, vor ihren zudringlichen Lovern davonzulaufen, und zum Schluss immer eingefangen werden.
BURKHARD MÜLLER
Madeline Miller: Ich bin Circe. Roman. Aus dem Englischen von Frauke Brodd. Eisele Verlag, München 2019. 528 Seiten, 24 Euro.
Die Quellen des Romans
stammen aus der „Odyssee“ und
Ovids „Metamorphosen“
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Circe ist eine unwiderstehliche Frau: Tochter des Helios, Liebhaberin von Hermes und Odysseus, Hexe, Heilerin und leidenschaftliche Kämpferin gegen den Mutwillen der Götter. Großartig! ZEIT Hamburg
Ein erfrischend aktueller und feministischer Blick auf die griechische Sagenwelt. Frankfurter Allgemeine Zeitung