Wenn Özlem, eine in Deutschland geborene Türkin, sich mit ihrem Namen vorstellt, geschieht das fast nie, ohne dass ihr Gegenüber Zuschreibungen vornimmt. Bestimmte Erwartungen und Vorstellungen scheinen unweigerlich mit ihrem Namen verknüpft zu sein. Özlem ist mit einem Deutschen verheiratet, ihre
Kinder haben deutsche Namen und sie kennt das Herkunftsland ihrer Eltern nur von Besuchen. Dennoch…mehrWenn Özlem, eine in Deutschland geborene Türkin, sich mit ihrem Namen vorstellt, geschieht das fast nie, ohne dass ihr Gegenüber Zuschreibungen vornimmt. Bestimmte Erwartungen und Vorstellungen scheinen unweigerlich mit ihrem Namen verknüpft zu sein. Özlem ist mit einem Deutschen verheiratet, ihre Kinder haben deutsche Namen und sie kennt das Herkunftsland ihrer Eltern nur von Besuchen. Dennoch wird sie immer wieder damit konfrontiert, dass sie andere Wurzeln hat. Äußerst nachvollziehbar ist dargestellt, wie diese Erwartungshaltungen und auch die Abwertungen der Türkei gegenüber, die Özlem immer wieder erleben muss, auch zu einem Wandel in ihrem eigenen Denken und in ihrer Gefühlswelt führen.
Man erlebt mit, wie Özlem innerlich immer angespannter und letztlich auch wütender wird, nicht nur auf Grund von offen zur Schau gestelltem Rassismus, sondern auch durch die Mikroaggressionen, die sie in ihrem Freundeskreis erleben muss. Wenn zum Beispiel darüber gesprochen wird, dass eine Schule, auf der viele türkische Kinder sind, die angeblich kaum Deutsch sprechen, keine gute Schule sei.Dilek Güngör lässt ihre Protagonistin verletzlich und zugleich stark erscheinen, wenn sie sich immer wieder einer Welt stellt, die ihr das Gefühl gibt, dass ihr etwas fehlt, um vollkommen dazuzugehören. Leser*innen sind ganz nah bei ihr, wenn sie ihren Alltag bestreitet, sich auch mit ihren türkischen Eltern auseinandersetzt, die bestimmte Erwartungen haben, wie zum Beispiel, dass eine schwangere Frau den Vater ihres Kindes auch heiraten sollte. Ihr Ehemann steht hinter ihr, versteht aber gleichzeitig nicht alle Hürden, die Özlem zu nehmen hat und kann ihre Verletzung im Angesicht von Diskriminierung nicht immer nachvollziehen.
Ich fand es unglaublich spannend und bereichernd, die Welt durch Özlems Augen wahrnehmen zu dürfen und es hat mich dazu gebracht, einige Verhaltensweisen meinserseits nochmal zu überdenken, denn selbst was als Kompliment gemeint ist kann, wenn dadurch othering betrieben wird wiederum verletzend wirken. Sehr deutlich wird hier, wie schwierig es ist, einer Mehrheitsgesellschaft, die sich dauerhaft in den eigenen Verhaltensweisen bestärkt, gegenüberzutreten. Immer wieder sehen sich Menschen, denen Özlem ihre eigenen Verletzungen offenbar, selbst als Opfer.
Für mich ein absolut wichtiger Roman, der mich trotz oder vielleicht gerade wegen der sachlichen Sprache oft sehr getroffen hat. Dilek Güngör wurde mit ihrem Roman „Vater und Ich“ für den Deutschen Buchpreis nominiert und auch auf diesen Roman freue ich mich sehr.