In seinen letzten zwei Lebensjahren trafen sich Truman Capote und Lawrence Grobel mehrmals, aus einem ursprünglich geplanten einmaligen Interview wurde dieses lange intime Gespräch. Funkelnd, scharfzüngig und sehr persönlich erzählt Capote aus seinem Leben, spricht offen über sein Schreiben, seine Probleme mit Drogen und Alkohol, seine Homosexualität, Depressionen und Ängste.Ein unverzichtbarer Schlüssel zu Truman Capotes Person und seinem Werk.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2017Ein einstürzender, strahlender Bau
Endlich wieder aufgelegt: Truman Capotes Gespräche mit Lawrence Grobel
Ich könnte ein Häufchen Wörter nehmen und in die Luft werfen, und sie würden genau richtig herabfallen", sagt Truman Capote in diesem Buch. Und das ist nicht das einzige Mal, dass man denkt: Wie unglaublich eingebildet dieser Typ nur war! Und ihm gleichzeitig recht geben muss. Capote war ja nie durch eine einfache Meinung zu fassen. Zu sehr bewegte er sich zwischen Extremen: zwischen der Herzlichkeit von "Frühstück bei Tiffany" und der Brutalität des Meisterwerks "Kaltblütig", der Wärme früher Erzählungen wie "Weihnachtserinnerungen" und dem Gift der letzten literarischen Experimente - und nicht zuletzt zwischen den hässlichen und den liebevollen Bemerkungen über die Menschen, die ihm nahestanden.
Capotes "intime Gespräche" mit dem Star-Interviewer Lawrence Grobel sind jetzt endlich neu aufgelegt worden. Sie sind beeindruckende Belege jener Extreme. Die Gespräche entstanden in den letzten zwei Jahren vor Capotes Tod am 25. August 1984 - in einer Zeit, in der alles längst aus den Fugen geraten war: Der Tatsachenroman "Kaltblütig" hatte Capote reich gemacht, aber auch literarisch und emotional erschöpft; die Veröffentlichung von Fragmenten seines geplanten Schlüsselromans über die New Yorker Elite, "Erhörte Gebete", hatte 1975 zu einer gesellschaftlichen Verbannung geführt; geplagt von Depression, Sucht und Halluzinationen, lebte er total zurückgezogen, unterbrochen nur von beschämenden öffentlichen Auftritten.
In den Gesprächen erzählt Capote von seiner Kindheit mit einem abwesenden Vater und einer trinkenden Mutter, die sich das Leben nahm. Empört berichtet er über seinen Aufstieg und Fall als Liebling der High Society. Er sinniert zärtlich über die Liebe und das Leben mit seinem langjährigen Partner Jack Dunphy. Und er lästert gewaltig über Kollegen wie Norman Mailer, Gore Vidal oder John Updike, die er für minderbemittelte Deppen hielt.
Und bei alledem zeigt sich der große Capote als das, was er eben auch war: ein verletzter und verletzender kleiner Mann. Über Joyce Carol Oates sagt er: "Sie ist eine Monster-Witzfigur, die öffentlich geköpft werden sollte." Und lacht dann. Kurz bevor man beginnt, ihn zu hassen, spürt man aber plötzlich das ganze Drama der letzten Jahre. "Ich wollte gewisse Dinge ausradieren, mit dem größten Radiergummi, den es gibt", sagt Capote, "nichts im Zusammenhang mit meiner Arbeit. In meinem Leben."
Und so schwankt man zwischen Begeisterung über Capotes intellektuelle Schärfe und Erstaunen über seine Schrulligkeit; zwischen Amüsement über seine Bosheiten und Abscheu, weil er so gemein ist - und ist am Ende doch immer wieder traurig: Man sieht einen Mann, der einem wie ein enormes, strahlendes Bauwerk vorkommt, das dabei ist, einzustürzen.
Trotzdem funkelt immer wieder der alte Glanz. Befragt über die Recherchen für "Kaltblütig", bei denen er etliche Stunden mit zwei zum Tode verurteilten Mördern verbrachte, sagt Capote: "Diese Erfahrung hat meinen Sinn für die Tragik des Lebens geschärft, eine Betrachtungsweise, die ich immer vertreten habe und die jene scheinbar äußerst frivole Seite an mir erklären mag . . . Das ist der Grund, warum ich Champagner liebe und im ,Ritz' wohne." Dafür könnte man Capote fast wieder lieben.
Hernán D. Caro
Truman Capote: "Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie". Übersetzt von Thomas Lindquist. Kein & Aber, 304 Seiten, 13 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Endlich wieder aufgelegt: Truman Capotes Gespräche mit Lawrence Grobel
Ich könnte ein Häufchen Wörter nehmen und in die Luft werfen, und sie würden genau richtig herabfallen", sagt Truman Capote in diesem Buch. Und das ist nicht das einzige Mal, dass man denkt: Wie unglaublich eingebildet dieser Typ nur war! Und ihm gleichzeitig recht geben muss. Capote war ja nie durch eine einfache Meinung zu fassen. Zu sehr bewegte er sich zwischen Extremen: zwischen der Herzlichkeit von "Frühstück bei Tiffany" und der Brutalität des Meisterwerks "Kaltblütig", der Wärme früher Erzählungen wie "Weihnachtserinnerungen" und dem Gift der letzten literarischen Experimente - und nicht zuletzt zwischen den hässlichen und den liebevollen Bemerkungen über die Menschen, die ihm nahestanden.
Capotes "intime Gespräche" mit dem Star-Interviewer Lawrence Grobel sind jetzt endlich neu aufgelegt worden. Sie sind beeindruckende Belege jener Extreme. Die Gespräche entstanden in den letzten zwei Jahren vor Capotes Tod am 25. August 1984 - in einer Zeit, in der alles längst aus den Fugen geraten war: Der Tatsachenroman "Kaltblütig" hatte Capote reich gemacht, aber auch literarisch und emotional erschöpft; die Veröffentlichung von Fragmenten seines geplanten Schlüsselromans über die New Yorker Elite, "Erhörte Gebete", hatte 1975 zu einer gesellschaftlichen Verbannung geführt; geplagt von Depression, Sucht und Halluzinationen, lebte er total zurückgezogen, unterbrochen nur von beschämenden öffentlichen Auftritten.
In den Gesprächen erzählt Capote von seiner Kindheit mit einem abwesenden Vater und einer trinkenden Mutter, die sich das Leben nahm. Empört berichtet er über seinen Aufstieg und Fall als Liebling der High Society. Er sinniert zärtlich über die Liebe und das Leben mit seinem langjährigen Partner Jack Dunphy. Und er lästert gewaltig über Kollegen wie Norman Mailer, Gore Vidal oder John Updike, die er für minderbemittelte Deppen hielt.
Und bei alledem zeigt sich der große Capote als das, was er eben auch war: ein verletzter und verletzender kleiner Mann. Über Joyce Carol Oates sagt er: "Sie ist eine Monster-Witzfigur, die öffentlich geköpft werden sollte." Und lacht dann. Kurz bevor man beginnt, ihn zu hassen, spürt man aber plötzlich das ganze Drama der letzten Jahre. "Ich wollte gewisse Dinge ausradieren, mit dem größten Radiergummi, den es gibt", sagt Capote, "nichts im Zusammenhang mit meiner Arbeit. In meinem Leben."
Und so schwankt man zwischen Begeisterung über Capotes intellektuelle Schärfe und Erstaunen über seine Schrulligkeit; zwischen Amüsement über seine Bosheiten und Abscheu, weil er so gemein ist - und ist am Ende doch immer wieder traurig: Man sieht einen Mann, der einem wie ein enormes, strahlendes Bauwerk vorkommt, das dabei ist, einzustürzen.
Trotzdem funkelt immer wieder der alte Glanz. Befragt über die Recherchen für "Kaltblütig", bei denen er etliche Stunden mit zwei zum Tode verurteilten Mördern verbrachte, sagt Capote: "Diese Erfahrung hat meinen Sinn für die Tragik des Lebens geschärft, eine Betrachtungsweise, die ich immer vertreten habe und die jene scheinbar äußerst frivole Seite an mir erklären mag . . . Das ist der Grund, warum ich Champagner liebe und im ,Ritz' wohne." Dafür könnte man Capote fast wieder lieben.
Hernán D. Caro
Truman Capote: "Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie". Übersetzt von Thomas Lindquist. Kein & Aber, 304 Seiten, 13 Euro
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