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Aus der Sicht seiner Frau erzählt der tschechische Autor Bohumil Hrabal die Geschichte seiner eigenen Ehe und damit die einer ganz und gar ungewöhnlichen Liebe. Während er, ein lange erfolgloser Schriftsteller, endlich den Durchbruch schafft, sieht sie, seine Frau, nur seine Schwächen und seine unmöglichen Freunde, bei denen er der Champion ist, die Nummer eins, besonders in der Kneipe "Zum Goldenen Tiger". Das Buch ist gleichzeitig ein burlesker Gesellschaftsroman mit einer unkonventionellen Schilderung des Prager Frühlings.

Produktbeschreibung
Aus der Sicht seiner Frau erzählt der tschechische Autor Bohumil Hrabal die Geschichte seiner eigenen Ehe und damit die einer ganz und gar ungewöhnlichen Liebe. Während er, ein lange erfolgloser Schriftsteller, endlich den Durchbruch schafft, sieht sie, seine Frau, nur seine Schwächen und seine unmöglichen Freunde, bei denen er der Champion ist, die Nummer eins, besonders in der Kneipe "Zum Goldenen Tiger". Das Buch ist gleichzeitig ein burlesker Gesellschaftsroman mit einer unkonventionellen Schilderung des Prager Frühlings.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.10.2007

Das Kleinod und wie seine Frau ihn sieht
Bohumil Hrabal: „Ich dachte an die goldenen Zeiten”
Die tschechische Geschichte ist reich an defenestrace, an Fensterstürzen, doch keiner von ihnen geht mehr zu Herzen als der vom 3. Februar 1997, der Bohumil Hrabal das Leben kostete. Hrabal lag damals im Prager Krankenhaus „Na Bulovce”. Bei dem Versuch, Tauben zu füttern, stürzte er aus einem Fenster im fünften Stock, und bis heute ist nicht geklärt, ob es sich dabei um einen Unfall handelte oder um Selbstmord.
Wie makaber es um Hrabals Leben bereits vor seiner Geburt bestellt war, kann man in seinem Roman „Ich dachte an die goldenen Zeiten” nachlesen, dem dritten Teil der autobiographischen Trilogie, deren andere zwei Stücke den Titel „Hochzeiten im Hause” tragen. Die „Goldenen Zeiten” gewinnen ihren Zauber aus der charmanten Konstruktion, dass Hrabal sich hinter einer fiktiven Erzählerin verbirgt: seiner Frau Eliška, genannt Pipsi. Als diese sich einmal mit der Schwiegermutter über diverse Eigenheiten ihres „Kleinods” ausspricht, erfährt sie eine hochgroteske Geschichte. Der Vater der Schwiegermutter war über deren ledige Schwangerschaft so erbost, dass er das Mädchen auf den Hof schleifte und zu erschießen drohte. Verhindert wurde das durch seine Frau, die heraustrat und an Vordringlicheres erinnerte: „Lasst das, kommt essen, es wird sonst kalt.”
Der Roman schildert die Jahre zwischen Hrabals literarischem Durchbruch mit dem „Perlchen auf dem Grunde” und dem Umzug von der Wohnung am Damm zur Ewigkeit in eine Plattensiedlung am Stadtrand von Prag. Das klingt nach Einordnung und Aufarbeitung und ist es insofern auch, als Hrabal natürlich um sich und seine dichterische Arbeit kreist. Da diese Kreise indessen krumm und schief sind, wie sich das für einen Wirtshausbruder seines Schlages geziemt; da zudem jeder Ansatz zu analytischer Selbstbefragung – und wir Leser höchst lustvoll mit ihm – in einem Sumpf von Anekdoten und Schnurren versinkt; da schließlich drittens all das über die Figur der mit liebevoller Ironie gezeichneten und ihrerseits liebevoll ironisch auf ihren Mann und Schöpfer zurückstrahlenden Gattin abgehandelt wird: darum stehen wir Seite für Seite mitten im Vergnügen.
Hierin wiederum etwas vom Vergnüglichsten sind die Passagen, in denen unser verehrter Heinrich Böll in Prag auftaucht. Weil er, seiner Frau zufolge, im Lauf des Lebens „bestimmt zehn Zisternen Whisky geleert hat”, ist seine Leber in einem betrüblichen Zustand, und Hrabal findet, dass er „wie ein gekreuzigter Bauer” aussieht. Einmal, kurz nach dem Einmarsch der „Bruderarmeen”, sitzen Hrabal und Böll im Braní-Keller, und Böll skizziert derart lange den Gang der Dinge und den Lauf der Welt, dass am Nebentisch schließlich einer aufsteht und sagt: „Sie wollen wohl eine in die Goschen!” Selig ein Volk, das mit den Dichtern auf so herzhaft vertrautem Fuße steht. HERMANN UNTERSTÖGER
Bohumil Hrabal Foto: Corbis Sygma
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.1999

Auf Bierschlucklänge
Die Welt ist schön: Bohumil Hrabal denkt an goldene Zeiten

Über den gottbegnadeten Verrückten Bohumil Hrabal, der das Geschwätz der Prager Bierkneipen zu einer einzigartigen Kunstform, dem "Bafeln", erhoben hat, ließe sich das eine oder andere sagen. Davon hat auch der eine oder andere Gebrauch gemacht, das eine oder andere Mal. Im selben Ausmaß, wie Hrabal es lässlich fand, den Punkt am Satzende wegzulassen und stattdessen drei davon hinzusetzen, die den Satz verrinnen lassen, auf Bierschlucklänge, so unerlässlich findet es jeder, der sich Hrabal vom trockenen Schreibtisch aus nähert, bestimmte Fakten über ihn festzustellen. Dass er erst spät, mit knapp fünfzig, zu veröffentlichen begann. Dass er vorher die irrwitzigsten Berufe, vom Stahlgießer über Altpapierpacker bis Kulissenschieber, ausgeübt hatte. Dass er sich mit dem kommunistischen Regime Ende der siebziger Jahre in einer Art und Weise arrangiert hatte, die von anderen als Verrat empfunden werden musste - Václav Havel hat das später einmal verzeihend "Leben im grauen Bereich" genannt. Es scheint ein Spezifikum der Tschechen, der Erfinder der "Samtenen Revolution" zu sein, dass dieser Fehltritt Hrabals nie geahndet wurde, wie es früheren DDR-Autoren widerfuhr, ja dass seine Landsleute ihn ungebrochen lieben, mehr als etwa die standhaft gebliebenen Exilanten Kohout oder Kundera.

Als Bohumil Hrabal vor mehr als zwei Jahren starb, schwoll das Gerede über ihn zum letzten Mal an: Kaum ein Nachrufer, dem der seltsame Tod Hrabals nicht wie "direkt aus einer seiner Geschichten" vorkam. Beim Taubenfüttern zu Tode gestürzt, lautete die offizielle Version, die aber von seiner Vertrauten und kongenialen Übersetzerin Susanna Roth erbittert angefochten wurde. Sie wollte, dass Hrabal wenigstens im Freitod ernst genommen werde. Wenn er beim Saufen zum letzten Mal unter den Tisch gefallen wäre, hätte man allerdings ebenso gut von Selbstmord sprechen können, bei einem wie ihm. Wie es sich bei einer Legende dieser Größe gehört, tauchten verschiedene "letzte Willen" auf, die Rechte waren ungeklärt und lange konnte nichts veröffentlicht werden. Nun ist mit "Ich dachte an die goldenen Zeiten" der dritte Teil seiner Autobiographie in Romanform erschienen, veröffentlicht erstmals 1988 in Josef Skvoreckys Emigrantenverlag "68 Publishers" in Toronto. Die anderen Teile sind in "Hochzeiten im Hause" vereint.

Bohumil Hrabal ist so berühmt, dass längst alles gesagt schien. Doch in diesem Buch kann man Neues und sehr Persönliches finden. Es kommt daher wie jeder Hrabal, irres Geplaudere, Fress- und Saufexzesse und mehr. Darunter liegen, für das feine Ohr, unerhörte persönliche Bekenntnisse. Wie in "Hochzeiten im Hause" so spricht auch hier eine weitere schrullige Volte für eine Autobiographie, seine Frau Eliska. "Sie" gibt ohne Aufhebens im leichten Konversationston auch das Privateste preis: Dass sie ihm als einzige beim Schreiben nicht über die Schulter schauen darf, weil er sich sonst fühlt, als würde ihm der "Penis durch den Fleischwolf" gedreht. Wie ihr "Kleinod" wegrennt, sobald sie heimkommt, wie er säuft, wie er kotzt, einmal ausgerechnet im Kino, und wie sie dann, heldenhaft, aufsteht und laut verkündet, ihr Mann habe sich leider "an einem Fischschwänzchen verschluckt". Wie erst ein Kater, den sie ihm schenkt, den Mann ein bisschen zivilisiert. So abgöttisch liebt er das Tierchen, dass er schon nachmittags mit dem Biertrinken aufhört und sich sorgfältig die Zähne putzt - denn sonst wendet sich der Kater ab. Als dieser Kater eines Tages für immer verschwindet, finden die beiden im Gedenken an ihn ein Stück ihrer Ehe wieder: "Wir, die wir uns schon lange nicht mehr aus Liebe küssten, berührten uns, wenn wir gleichzeitig an unseren Kater dachten, mit der Stirn und gaben uns ein Küsschen . . . und die Küsse bedeuteten mit der Zeit mehr als das, womit wir unsere merkwürdige Ehe begonnen hatten, eine Ehe, in der wir beide wussten, dass wir uns überhaupt nicht mochten und dennoch irgendwie zusammengehörten . . ."

An der Kunst ihres Mannes lässt die Erzählerin Eliska kein gutes Haar. Die ganze "konfuse Literatur" ihres "Kleinods" würde sie gegen eine einzige Erzählung von Tschechow eintauschen, und überdies sei sein Schreiben mit dem Schlachten eines Schweins vergleichbar: "Und genau das war meinem Mann wichtig, er war begeistert, wenn er seinen Text halb fertig, verstümmelt beiseite legen konnte, wenn der Putz von ihm blätterte und die kahle Mauer, die bröckelnden Ziegelsteine zum Vorschein traten . . ."

Selten hat ein Mensch so gnadenlos über sich selbst geschrieben, und selten war einer dabei so beiläufig. In den leichten, witzigen Gesprächen zwischen Hrabals Mutter und seiner Ehefrau ersteht ein Psychogramm des Autors. In diesen Mutter-Schwiegertochter-Gesprächen zeichnet Hrabal das Bild eines Kindes, das seine Schüchternheit mit Angeberei überspielte, der als Junge zwar weder fettes Fleisch noch Schnaps mochte, sich dennoch vor Besuchern überfraß und betrank, so dass er tagelang zu Bette lag. Getrieben war er vom schlechten Gewissen, "er selbst sagt immer, dass er dauernd das Gefühl habe, als hätte er ein schlechtes Zeugnis bekommen und deshalb Angst, nach Hause zu kommen".

Auf stille Art arbeitet Hrabal seine Kindheit, die Umstände seiner ersten Jahre auf. Ein uneheliches Kind, die Mutter von ihrem Vater deswegen mit dem Gewehr bedroht, und darauf hat sie einen genommen, den sie nicht liebte. Eines Tages, als der Sohn schon ein gefeierter Schriftsteller ist, kommt eine fremde Frau nach einer Lesung auf ihn zu und sagt ihm, sie wäre seine Schwester und dass sein leiblicher Vater ihn gern sehen würde. Doch Hrabal geht nicht hin. Vor der Geheimpolizei kann er sich nicht auf dieselbe Weise drücken. Als der junge Mann in Zivil das erste Mal bei den Hrabals erscheint, jubelt Hrabal nach einer ersten Schrecksekunde, weil der Mann keiner ist, der den Autor zu einer der verhassten Lesungen oder Diskussionen einladen will. Doch als er zurückkommt vom Verhör, ist er "noch jämmerlicher als nach seinen Gesprächsrunden, bei denen er in letzter Zeit gern über die Freiheit geredet hatte, in dem Sinne, dass die Freiheit für ihn, einen Schriftsteller, das bedeute, was er sich von ihr nehme . . ." Ohne viel Aufhebens erzählt er seiner Frau, dass er alles unterschrieben habe, was man ihm vorlegte, zum Beispiel, dass er den "Landesverräter" Pavel Tigrid getroffen und ihm geholfen habe. Und da ist es wieder, das alte Schuldgefühl, gepaart mit dem Verdacht, vielleicht wirklich mit einem Landesverräter gesprochen zu haben. Ja, so funktionieren Schuldgefühle: Man lässt sich von jedem bezichtigen und nimmt noch den falschen Vorwurf als berechtigt an. Die Frau, die das alles weiß und auch, dass sie ihn nicht ändern kann, schaut ihr Kleinod, ihren Feigling, ihren Säufer nur streng an. Und bleibt bei ihm. "Ich dachte an die goldenen Zeiten" ist auch eine Liebeserklärung an Eliska, die 1987 starb, und ein schönes, reifes, dichtes, für jeden Hrabal-Liebhaber wichtiges Buch. Ein verstörter, trauriger, unsicherer Hrabal spricht hier. Doch der eitle und unzugängliche Selbstdarsteller ist auch immer dabei.

Nicht zufällig scheint Tschechien eines der letzten Länder zu sein, wo sich selbsternannte Surrealisten, die es deshalb schon zweifellos sind, noch an Stammtischen treffen, um sich zu besaufen. Hrabal war einer von ihnen und in seinem Sinne trinken sie weiter, bis die Welt untergeht und so lange stimmt, was er in diesem Buch schrieb: "Diese Welt ist schön, zum Verrücktwerden schön, nicht, dass sie es wäre, aber ich sehe sie so . . ."

EVA MENASSE

Bohumil Hrabal: "Ich dachte an die goldenen Zeiten" Roman. Aus dem Tschechischen übersetzt von Susanna Roth. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 219 S., geb., 38.- DM.

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