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Ein gut bezahlter Hilfeschrei eines einsamen Mannes
Ahne lebt in Berlin. Is so! Gerhard Schröder lebt auch in Berlin und Frau Ziervogel vom Konnopke Currywurststand ebenfalls. Igel schmatzen ziemlich laut, das Sozialamt hat zu, und manchmal kommt sogar ein amerikanischer Präsident vorbei. Was das alles miteinander zu tun hat? Lesen Sie Ahnes Geschichten, und Sie werden sich seiner alles-zusammen-denkenden und dann wiederum alles-zersetzenden Logik nicht entziehen können. Der Sinn, der uns in unserem Leben so oft abhanden kommt, hier finden wir ihn, wenn auch in unerwarteter Form. Woche für…mehr

Produktbeschreibung
Ein gut bezahlter Hilfeschrei eines einsamen Mannes

Ahne lebt in Berlin. Is so! Gerhard Schröder lebt auch in Berlin und Frau Ziervogel vom Konnopke Currywurststand ebenfalls. Igel schmatzen ziemlich laut, das Sozialamt hat zu, und manchmal kommt sogar ein amerikanischer Präsident vorbei. Was das alles miteinander zu tun hat? Lesen Sie Ahnes Geschichten, und Sie werden sich seiner alles-zusammen-denkenden und dann wiederum alles-zersetzenden Logik nicht entziehen können. Der Sinn, der uns in unserem Leben so oft abhanden kommt, hier finden wir ihn, wenn auch in unerwarteter Form.
Woche für Woche liest Ahne in Berlin und sonstwo einem entgeisterten Publikum irgendwas vor. Es beginnt meist einfach, ja banal: Uhrzeit, Möbelstücke, die Sonne scheint. Dann stirbt Gilbert Bécaud. Ahne erzählt, und alles klingt ganz einleuchtend und plausibel. Schön wär`s. Die Geschichten drehen ab, doch da kann Ahne nun wirklich nichts für. Denn, was als normal und alltäglich gilt, ist noch lange nicht in Ordnung.
Mit skurrilem Humor und einem Sog ins Absonderliche betreibt Ahne geschickte Realitätsverschiebungen. Seine Geschichten tragen Titel wie: »Vermutlich is noch nich mal der Ball rund« oder »Wie ich mal doch noch erkannt hab, dass die ganzen Schallplatten mir selber gehörten« oder »Mein Bruder kann heute noch nicht thailändisch essen«. Sie sollten sie lesen und wenn nicht, dann wenigstens nicht rumjammern. Is so!

Autorenporträt
Ahne, am 5. Februar 1968 in Berlin-Buch geboren, hat nach der Schule einen Beruf (Drucker) und Schießen gelernt. Dann kam die Wende und er wurde arbeitslos. Hat rumgehangen, aber auch ein Haus instandbesetzt. Dann hat er so richtig mit dem Schreiben begonnen und ist Vater geworden. Seit 6 Jahren bringt er bei der Reformbühne "Heim & Welt", seit 4 Jahren bei den "Surfpoeten" seine Geschichten zum Vortrag. Dass nicht nur die Berliner die Surfpoeten (www.surfpoeten.de) zu schätzen wissen, hat ihre bundesweite Tournee im Frühjahr 2000 bewiesen, sicher nicht ihre letzte.
Rezensionen
»Weil seine Geschichten offen, dilettantisch und durchgeknallt sind, liebt ihn sein Publikum.« (TagesJournal)

»Ahne ist Rock `n` Roll.« (Wladimir Kaminer)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2003

Die ungehorsame Schreibhand
Ohne System: Ahne liefert Geschichten, die das Leben stammelt

Es gibt den einenden und den entzweienden Humor. Loriot hat das Land im versöhnlichen Lachen geeint. Ein Beispiel für den trennenden Humor ist Helge Schneider. Daß viele über ihn nicht recht lachen können, stimuliert die Begeisterung seiner Anhänger nur um so mehr. Auch die Szene-Kultur der Berliner Vorlesebühnen will nicht das Allgemeine stiften, sondern die Differenz, vor allem die Differenz zum herkömmlichen Literaturbetrieb. Einer ihrer komischen Antihelden ist Ahne, der seit Jahren mit viel Erfolg bei den "Surfpoeten" und der "Reformbühne Heim & Welt" vorliest. Die einen würden über ihn den Kopf schütteln oder die Augäpfel nach oben rollen, wenn sie überhaupt zu solchen Veranstaltungen gingen, die anderen - nämlich die, die hingehen - amüsieren sich auf geradezu demonstrative Weise.

"Ich fang noch mal von vorne an" - das klingt wie ein bitterer existentieller Entschluß im Monopoly des Lebens: Gehen Sie zurück auf Los, ziehen Sie nicht zweitausend Euro ein. Aber so groß ist es nicht gemeint, nicht bei Ahne. Der Bühnenliterat pflegt diese Formel zu sprechen, wenn er sich allzusehr verlesen hat. Solche kunstvoll ins Läppische tendierenden Pointen sind das Markenzeichen seiner Anti-Geschichten. Sie sind dahingeplaudert wie die Prosa-Stückli von Robert Walser, mit denen die besten (aber nur die) verglichen werden dürfen. Wie bei Walser gibt es viel Selbstreferentialität; regelmäßig wird das Schreiben sich selbst zum Anlaß: "Wie ich mal im Bett lag und begann eine neue Geschichte zu schreiben", lautet ein symptomatischer Titel.

Während Robert Walser durch die putzigen Schweizerorte und die grünen Wälder läuft, spaziert Ahne durch das frischverputzte Ost-Berlin und den Friedrichshain: "Hier tummelt sich ein drolliges Völkchen. Ausgeschlafene Pennbrüder, verlebte Lolitas, ausgebuffte Kinderschurken und Hunde, die an die Macht wollen." Ist das nicht schön gesagt? Atmosphärisch dichte Großstadt-Impressionen und Minimalismus sind für Ahne kein Widerspruch: "Draußen auf dem Fensterbrett liegt ein halber Döner / müffelt in die Stube rein / ohne ihn wär's schöner." Schwerpunktmäßig bieten die fast hundert kurzen Texte die literarische Alltagsbewältigung eines Underdogs. Geschichten aus dem Leben also - aber das Leben schreibt keine Geschichten, es stolpert vor sich hin von Tag zu Tag, und so stolpern auch Ahnes Texte nach dem Assoziationsprinzip voran, bis die durchschnittlich drei Seiten voll sind.

Es geht immer um Ahne, aber nebenbei auch um Gott und die Welt, und zwar ganz buchstäblich, denn dieser Autor hat keine Bedenken, Gott oder den Tod oder einen fürchterlichen Arzt mit sechs Augen leibhaftig durch den Kiez schlurfen zu lassen und in dadaistische Debatten zu verstricken. Der Sog ins Absonderliche, der in den besseren Geschichten zur Wirkung kommt und in einigen gar zum reißenden Strom wird, ähnelt halb dem alkoholischen Kater, in dessen Logik sich die Dinge zersetzen, und halb dem frischen Kinderblick, unter dem sie kuschlig zusammenrücken. Dank der Wucherung der Jugendkultur in die mittleren Lebensjahrzehnte ist oft schwer zu unterscheiden, ob jemand siebzehn oder fünfundvierzig ist. Dieses diffuse Lebensgefühl spricht Ahne an. Er hat selbst bereits einen Sohn, schildert sich gerne in der Vaterrolle und plädiert für Erziehungsmaßnahmen wie den "pädagogisch wertvollen Blick". Aber als erwachsen im herkömmlichen Sinn möchte man ihn trotzdem nicht bezeichnen.

Manches wirkt denn auch bloß infantil. Aber das Streichen einmal geschriebener Sätze gehört nicht zur Poetik Ahnes: "Blödes Wortspiel, aber was soll man machen, wenn die schreibende Hand nicht gehorchen will." Diese undomestizierte Hand ist schon der halbe Ahne. Das krampfhaft Ambitionierte, das die Texte der Schreibwilligen aller Literaturinstitute oft so langweilig macht, beeinträchtigt seine Stegreifprosa nicht. Die Selbstermächtigung des Autors aus dem Geist des puren Dilettantismus, das ist sein Programm. Die Sätze kurz und wie gesprochen, oft auch wie versprochen und gestammelt. Ausdrucksversagen wird stilbildend: "Diese anderen Dinger hier, diese ..., na, fällt mir jetzt nicht ein. So was Schwarzes, nicht rund, mit 'n paar Ecken, was so ähnlich ..., nee, weiß ich jetzt auch nich, wie ich das beschreiben soll. Auch ein Gerät eben, aber ohne elektrisch." Der Szene-Simpel hält die Sprache flach; mit möglichst viel Berliner Grammatik und "dis" und "dit" gelingt das mühelos.

Zum Lokalkolorit kommen zeitgeschichtliche Tupfer. Gelegentlich läßt Ahne Ost-Jugend-Erinnerungen einfließen oder DDR-Kalauer wie "Mir bleibt nichts Walter Ulbricht". Demnach nur ein weiterer Fall von Ostalgie? "Ich war heute zur Magenspiegelung. Der Schlauch, den man schlucken muß, ist nicht mehr so dick wie zu DDR-Zeiten." Ist manches also doch besser geworden? "Ich wollte mal sehen, ob es trotzdem immer noch so grauenhaft ist wie damals. Tja, was soll ich sagen, is noch so." Am durchschnittlichen Gesamtelend der menschlichen Existenz hat sich nichts Grundlegendes geändert. Ahne trägt das Oppositionsgefühl mit sich durch die Systeme.

Zugegeben, vieles in diesem Buch liest sich dürftig ohne Ahnes liebenswürdigen Muffel-Ton. Kabarett-Texte funktionieren auf der Bühne, aber wenn man sie liest, weiß man oft nicht mehr, worüber man gelacht hat. Vor allem: Ahnes Methode reicht für eine halbe Stunde. Dieses Buch jedoch ist zweihundertsechzig Seiten dick. Wer es von Anfang bis Ende durchzulesen versucht, für den ist bald Schluß mit lustig. Aber ab und zu ein paar Seiten Ahne - das kann Spaß machen.

WOLFGANG SCHNEIDER

Ahne: "Ich fang noch mal von vorne an". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 264 S., br., 8,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Der Wechsel von der Lesebühne ins Verlagswesen bekommt nicht jedem Autor gut, fürchtet Sebastian Domsch. Autor Ahne ist in Berlin kein Unbekannter, erklärt er; Dauergast beziehungsweise Mitglied bei den "Surfpoeten" und in der "Reformbühne Heim & Welt", wo Ahne seine Gelegenheitstexte vorträgt. Dort seien seine absurden Alltagsbeobachtungen bestens aufgehoben, auch die "selbstverliebten Spracheigenheiten und aufdringlichen Manierismen" stören dort nicht weiter. In seinen besten Momenten sei Ahne eine männliche Sybille Berg, bloß nicht so böse, meint Domsch. Eine kleinere Auswahl davon, live vorgetragen, mag durchaus amüsant und heiter und bekömmlich sein, sinniert der Rezensent, aber die Masse der Ahne-Sammlung findet er schlicht "unverdaulich". Sie umfasst etwa hundert Texte auf etwa dreihundert Seiten; eine Geschichte pro Tag auf einem Abrisskalender zu veröffentlichen, das wäre vielleicht die angemessene Form dieser kleinen Vortragsgeschichten, schlägt Domsch vor; man könnte sie dann sogar Freunden laut vorlesen.

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