Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 2,99 €
  • Broschiertes Buch

Hat Brecht tatsächlich seinen Weltruhm im Austausch von 'sex for text' erworben? Auf Kosten seiner Mitarbeiterinnen also, wie es der amerikanische Literaturprofessor John Fuegi behauptet? Sabine Kebir tritt mit einer temperamentvollen Streischrift gegen diese weltweit verbreitete Auffassung an. Ihre Zeugin ist Elisabeth Hauptmann, langjährige Mitarbeiterin Brechts, deren bislang kaum beachtete Selbstaussagen - wie ihr Tagebuch von 1926 - hier erstmals umfangreich präsentiert und ausgewertet werden. Sie belegen gegenseitige Inspiration und gemeinsames Engagement des Duos Brecht-Hauptmann und…mehr

Produktbeschreibung
Hat Brecht tatsächlich seinen Weltruhm im Austausch von 'sex for text' erworben? Auf Kosten seiner Mitarbeiterinnen also, wie es der amerikanische Literaturprofessor John Fuegi behauptet? Sabine Kebir tritt mit einer temperamentvollen Streischrift gegen diese weltweit verbreitete Auffassung an. Ihre Zeugin ist Elisabeth Hauptmann, langjährige Mitarbeiterin Brechts, deren bislang kaum beachtete Selbstaussagen - wie ihr Tagebuch von 1926 - hier erstmals umfangreich präsentiert und ausgewertet werden. Sie belegen gegenseitige Inspiration und gemeinsames Engagement des Duos Brecht-Hauptmann und die Befindlichkeiten einer Frau, die zu den Pionierinnen der freien Liebe gehörte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.1998

Im Sog des Staubsaugers
Alle Frauen lieben Brecht: Eine Verteidigungsrede von Sabine Kebir

Sabine Kebir hat bereits 1987 ein Buch über Bertolt Brecht geschrieben. Gleich im dritten Absatz ihrer neuesten Arbeit wird der Leser darüber unterrichtet. Und auch sonst erfahren wir auf den nächsten dreihundert Seiten manches über Sabine Kebir. Offen bekennt die Autorin, was sie "frappiert" und was sie "stört"; immer wieder läßt sie durchblicken, was ihr die Forschung verdankt, den Vergleich Brechts "mit einem riesigen Staubsauger" zum Beispiel. In seinem Sog hängt sie sich an Elisabeth Hauptmann, an die liebende Mitarbeiterin Brechts, mit der sich ihr Buch dem Titel nach befassen soll. Von Frau zu Frau erörtert sie das Schicksal des Dichters. In seinem Namen macht sie der Nachwelt den Prozeß. Den Amerikaner John Fuegi vor allem setzt sie auf die Anklagebank, da er Brecht Unredlichkeiten nachsagte, was die Autorin für böswillige Unterstellungen hält.

Schließlich gehe es den Männern bei dem Versuch, den tatsächlichen Anteil des Dichters an seinem Werk zu ermitteln, immer nur darum, die "Sympathien des weiblichen Publikums von Brecht weg auf sich selbst zu lenken". Seiner "erotischen Ausstrahlung" aber sei keine Kritik gewachsen; "sie wirkt auch post mortem". Zwar bezeichnet sie ihren Standpunkt als den "des historisch und soziologisch argumentierenden Differenzfeminismus", doch grenzt sie sich zugleich und entschieden von denen ab, die das Recht der Frauen über die Ansprüche des Genies stellen. Erregt mischt sich die Nachgeborene unter die Geliebten, die von jeher zusammenstanden, wo der Mann, um den sie stritten, von Dritten angegriffen wurde. Eifersucht, glaubt sie, habe in diesem Kreis keine Rolle gespielt, zumal die Frauen, die Weigel wie die Hauptmann oder die Steffin, die Berlau und andere mehr, dem Künstler ohnehin auf höhere Weise verbunden waren - verbunden durch "das gemeinsame politische Engagement", "aus dem zunächst ein anderer als ein materieller Gewinn zu ziehen war", weshalb es auch unsinnig sei, nach dem Anteil der einzelnen am Gesamtwerk zu fragen.

Denn "die kollektive Arbeitsweise", die der Dialektiker zum "Grundprinzip" erhob, ist "eben mehr als patriarchale Instrumentalisierung spezifisch weiblicher Fähigkeiten gewesen". Dahinter stand "das Ideal einer sozial befriedeten und selbstregierten Gesellschaft, in der die Kunst nicht in erster Linie Ware, sondern eine der Kommunikationsformen freier Individuen sein sollte". Daß Brecht dann gleichwohl die Last der alleinigen Autorschaft auf sich nahm, daß er sich bereit fand, den größten Teil des Gewinns selbst zu versteuern, war der Not geschuldet. Nicht die Originalität, mit der er verfremdete, was ihm Elisabeth Hauptmann neben anderen bisweilen zureichte, nicht die Einmaligkeit seiner Einfälle, die "gesellschaftlichen Verhältnisse" vielmehr zwangen den Schriftsteller zum Bekenntnis der Urheberschaft. Erst indem er sich verhielt, wie es der Kapitalismus erwartete, konnte der Marxist den Kapitalismus provozieren. Auch das hat Sabine Kebir herausgefunden.

Die Dialektik der Liebe ist ihr durchaus vertraut, mitfühlend rettet sie das Ansehen ihrer Helden. Nur um die Intimität der kollektiven Autorschaft zu wahren, erklärte sie, habe Elisabeth Hauptmann bis zuletzt im Hintergrund gestanden: "Eine Pionierin der freien Liebe" im Sog von Frau Kebirs "riesigem Staubsauger". THOMAS RIETZSCHEL

Sabine Kebir: "Ich fragte nicht nach meinem Anteil". Elisabeth Hauptmanns Arbeit mit Bertolt Brecht. Aufbau-Verlag, Berlin 1997. 292 S., geb., 39,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr