Literatur ist ein Mittel, um ein Ich sichtbar zu machen. Das ist ein Kernsatz aus Maiers Poetik. So, wie man sein eigenes Gesicht nicht ohne Hilfsmittel sehen kann, kann auch ein anderes Ich nur mit einem Hilfsmittel sichtbar gemacht werden. »Die Bücher waren eigentlich die Menschen«, so beschreibt Maier seine erste Begegnung mit Literatur. In einer Selbstanalyse zwischen Psychologie und Religion forscht der Autor seinem Entwicklungsgang hinterher, von der Verweigerung des Kindergartens, von den Schwierigkeiten des Suchens nach einer Form bis hin zu der Gewißheit, daß sich alles von selbst einstellt, wenn man aufhört, danach zu suchen. Maiers Poetik ist auch eine Polemik gegen das Interessante in der Literatur. Literatur, sagt er, stellt immer die einfachsten Fragen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als Dokument der Wut und der Trauer eines Schriftstellers, der sich missverstanden fühlt, liest Steffen Martus die "Frankfurter Poetikvorlesungen" von Andreas Maier. Was er damit anfangen soll, ist ihm offensichtlich nicht ganz klar. Einerseits äußert er Verständnis für Maiers wütenden Rundumschlag gegen seinen alten Lektor und Verleger, den Literaturbetrieb, gegen Leser, Kritiker und Interpreten und vor allem gegen die allgemeine Gedankenlosigkeit. "Sympathisch, richtig und wichtig" findet Martus diese Revolte gegen den Gang der Dinge. Andererseits mag er Maier nicht den Gefallen tun, ihn wieder einmal misszuverstehen und mit einer Lobeshymne zu ehren. Denn im Grunde wirke das Ganze auf ihn nur bedingt originell. Zudem kann er in dem Text "überraschende Findungsgabe", "Beobachtungsfähigkeit" und "überragende Intelligenz" nicht entdecken.
© Perlentaucher Medien GmbH
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