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"Meine Kindheit war völlig anders als die anderer Kinder. Aber das war nicht nur die Schuld meines Vaters, und ich hätte ohnehin mit niemandem tauschen wollen. Aber wie sollte es mir gelingen, ihn davon zu überzeugen, ohne dass es klang, als versuchte ich, mich selbst davon zu überzeugen?"Die ergreifende Geschichte einer ungewöhnlichen Vater-Tochter-Beziehung: über das Aufwachsen bei einem zwar liebevollen, aber alkoholkranken und letztlich überforderten, allein erziehenden schwedischen Stahlarbeiter in den 70er Jahren. Schweden in den siebziger Jahren. Die kleine Åsa lebt allein mit ihrem…mehr

Produktbeschreibung
"Meine Kindheit war völlig anders als die anderer Kinder. Aber das war nicht nur die Schuld meines Vaters, und ich hätte ohnehin mit niemandem tauschen wollen. Aber wie sollte es mir gelingen, ihn davon zu überzeugen, ohne dass es klang, als versuchte ich, mich selbst davon zu überzeugen?"Die ergreifende Geschichte einer ungewöhnlichen Vater-Tochter-Beziehung: über das Aufwachsen bei einem zwar liebevollen, aber alkoholkranken und letztlich überforderten, allein erziehenden schwedischen Stahlarbeiter in den 70er Jahren.
Schweden in den siebziger Jahren. Die kleine Åsa lebt allein mit ihrem Vater, dem Stahlarbeiter Leif, in einer kleinen Wohnung im mittelschwedischen Västerås, nachdem die Mutter beide wegen eines anderen Manns verlassen hat. Als die Erzählerin ihre Mutter später darauf anspricht, warum sie sie zurückgelassen habe, entgegnet diese, sie habe dem Vater nicht nehmen wollen, was dieser am meisten liebte. Der Alltag der kleinen Restfamilie gestaltet sich in Folge ziemlich unkonventionell. Die kleine Åsa darf so viele Süßigkeiten essen, wie sie will, überhaupt bleibt es ihr selbst überlassen, sich etwas Essbares zu besorgen, das Beziehen von Betten hält Vater Leif für überflüssig, auch Körperhygiene ist nicht seine Stärke. Gegessen wird bei den Großeltern, weil das Geld bis zum Monatsende nicht reicht. Der Grund für die Finanzsorgen: Leif ist zwar ein pflichtbewusster und kompetenter Facharbeiter, der gut verdient, aber er ist auch Alkoholiker, der den Großteil seines Geldes in die Sucht steckt.
Die besondere Qualität von Linderborgs ungewöhnlichem Buch liegt im Erzählton der Autorin. Hier wird nichts verherrlicht, aber auch nicht verurteilt. Das Leben des Vaters war weder falsch noch richtig, es war widersprüchlich, chaotisch, verantwortungslos und liebevol l, alles zugleich. Manches ist traurig, aber das Tragische wird immer wieder durch Humor aufgewogen. Die 1968 geborene Autorin zeigt uns eine Welt, in der politische Identität noch keine hohle Phrase war, sondern etwas, was man stolz nach außen trug. Mit "Ich gehöre keinem" hat Linderborg ihrem Vater ein würdiges und ergreifendes Denkmal gesetzt.
Ich fragte Mama, warum ich an jenem Abend, als sie uns verließ, nicht hatte mitgehen dürfen. Sie gab mir immer die gleiche Antwort. Papa tat ihr so leid, dass sie ihm das Schönste schenkte, was sie hatte.
Autorenporträt
Åsa Linderborg, Jahrgang 1968, ist Historikerin und arbeitet als Kulturredakteurin bei der schwedischen Zeitung Aftonbladet.

Paul Berf, geb. 1963 in Frechen bei Köln, lebt nach seinem Skandinavistikstudium als freier Übersetzer in Köln. Er übertrug u. a. Henning Mankell, KjellWestö, Aris Fioretos und Selma Lagerlöf ins Deutsche. 2005 wurde er mit dem Übersetzerpreis der Schwedischen Akademie ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2010

Der Vater im Warteraum
Berührend: Åsa Linderborgs autobiographischer Roman

Das Buch beginnt mit dem Tod, und es endet mit dem Tod. Na, nicht ganz, es endet mit dieser einen ewigen Erinnerung, der schönsten, die die Autorin hat, der Erinnerung an jenen täglichen Augenblick, wenn die Autorin als kleines Mädchen von ihrem Vater vom Kindergarten abgeholt wird, es ist eines jener Rituale, an denen sich das Kind festhalten kann. Er macht die Tür auf, putzt sich die Schuhe ab, begrüßt die Tochter mit einem Kosewort und lässt sich von ihr umarmen. "Er setzt mich auf den Gepäckträger und radelt los. Wir wollen zu Großmutter und Großvater, um Zander aus dem Mälarsee zu essen. Mein Papa und ich."

Einige Jahre nach dem Tod dieses Papas hat Åsa Linderborg ihre Geschichte niedergeschrieben, ihr Leben in der Industriestadt Västerås mit dem Vater Leif, "Schwedens bestem Metallvergüter", einem Trinker. Als Åsa drei Jahre alt war, ist die Mutter, seine Frau, weggegangen, weil sie es nicht mehr ertrug: Er "versoff sein Geld und seine Ehe". Sie geht, die Schilderung dieses Abends im Winter 1972 zerreißt einem das Herz. Er hat es nie überwunden, er liebte seine Frau weiterhin, als sie mit ihrem neuen Mann noch ein Kind bekam, schickte er Blumen. Immerhin hatte sie ihm zuletzt ein unbegreifliches, unschätzbares Geschenk gemacht: die Tochter. "Papa tat ihr so leid, dass sie ihm das Schönste schenkte, was sie hatte." Es bleibt trotzdem unbegreiflich.

Aber Åsa hat es nicht bereut. Der Vater liebte seine Tochter über alles. Er trank, aber er war nicht gewalttätig. Zähneputzen und Duschen gab's nicht, und geschlafen wurde auf der nackten Matratze. Im Grunde behandelte er seine Tochter wie eine Erwachsene. Bis in die Nacht sprach er mit ihr über Arbeit, Schule, Fußball, den Sozialismus und Mama, "wichtige Dinge eben". Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr schliefen sie im selben Bett und sagten: "Gute Nacht, beste Freundin. - Gute Nacht, Kamerad."

Erst als Åsa dann wirklich erwachsen wird und ihren eigenen Körper entdeckt, bemerkt sie die abstoßenden körperlichen Seiten ihres Vaters, seinen Schweißgeruch, sein morgendliches Erbrechen. Sie ekelt sich vor ihm, sie legt sogar seinen Namen ab. Mit vierzehn zieht sie zur Mutter. Aber die Bewunderung für ihn ist stärker, sie ist ihm "dankbar für all die unkomplizierte Liebe und alle komplizierten Erfahrungen". Dieser Leif lebt in einem Zwischen- oder Warteraum, er ist nicht mehr richtig hier, aber dort ist er auch noch nicht. Es ist der Zustand des Melancholikers. Er ist ein trotziger Feigling, ein wirrer Außenseiter, ein menschenscheuer Menschenfreund. Und eine tragische Figur, die ihre Talente nicht ausleben, ihre Pläne nie verwirklichen konnte. Sein Beruf war es, Festigkeit und Zähigkeit des Metalls zu verbessern. Er selbst war unbeholfen und schwach. Und doch kann Åsa irgendwann achtungsvoll sagen: "Ich begreife nicht, woher du die Kraft genommen hast, Papa!"

Das Buch ist im Kern ein autobiographischer Roman und Linderborg eine ungemein intelligente Erzählerin mit sicherem Gespür für Wort und Konstruktion. Sie schrieb eine persönliche Geschichte, die auch fiktiv sein könnte. Deshalb ist sie so stark. Und weil die Autorin sich nicht als Opfer und Anklägerin zugleich geriert. Ihre Haltung ist vornehm, fast stolz. Sie erzählt schlicht, gefasst, aber nicht gefühllos.

PETER URBAN-HALLE

Åsa Linderborg: "Ich gehöre keinem". Aus dem Schwedischen von Paul Berf. btb Verlag, München 2009. 285 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eingenommen ist Rezensent Peter Urban-Halle von Asa Linderborgs autobiografischem Roman "Ich gehöre keinem". Die Vater-Tochter-Geschichte - die Mutter verlässt den Vater, einen Trinker, die Tochter bleibt bei ihm - hat ihn sichtlich berührt, zumal der Vater eine tragische Figur ist und sich trotz seiner Trinkerei liebevoll um seine Tochter kümmert. Urban-Halle würdigt Linderborg als "ungemein intelligente Erzählerin" und hebt ihr Gespür für "Wort und Konstruktion" hervor. Die Stärke dieses persönlichen Buchs liegt für ihn auch darin, dass die Geschichte auch fiktiv sein könnte. Beeindruckend findet er zudem die Haltung der Autorin, die "schlicht, gefasst, aber nicht gefühllos" erzählt.

© Perlentaucher Medien GmbH