Im Frühsommer fuhr Hans Traxler in den Urlaub mit der Absicht, "ein paar kleine Landschaftsbilder zu malen". Doch unverhofft kommt oft: Schon am ersten Morgen beim Frühstück fiel dem Zeichner ein Vierzeiler ein, und von da an brachte jeder Tag ein neues Gedicht. Knappe und längere, über Katzen und Päpste, Banker und Bauchtänzerinnen, Künstler und Bischöfe, kurz, Gedichte über Gott und die Welt: "Das ging 20 Tage so, ganz ohne mein Zutun, und dann war plötzlich Schluss."
Schluss mit dem Dichten. Aber in den darauffolgenden Monaten wollten die solchermaßen entstandenen Verse durchaus noch illustriert werden - pro Zeile ein Bild. Das Ergebnis sind 20 komische Bildergedichte, mit 210 wunderschönen farbigen Zeichnungen, in bedrucktes Leinen gebunden, mit einem respektlosen Nachwort des Dichters, Malers und Zeichners über Hochkunst und Karikatur.
Schluss mit dem Dichten. Aber in den darauffolgenden Monaten wollten die solchermaßen entstandenen Verse durchaus noch illustriert werden - pro Zeile ein Bild. Das Ergebnis sind 20 komische Bildergedichte, mit 210 wunderschönen farbigen Zeichnungen, in bedrucktes Leinen gebunden, mit einem respektlosen Nachwort des Dichters, Malers und Zeichners über Hochkunst und Karikatur.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2011Plauderei mit dem Tod
Grundgütiger Spötter: Hans Traxlers Bildergedichte
Irgendwann einmal, in einer Zeit weit nach unserer, werden die Menschen über den Büchern von Hans Traxler sitzen und in deren Bildern das Liebenswerte wiederentdecken. Das wird dann ein Korrektiv sein zu dem, was unsere Epoche sonst ausmacht: Überfremdungsdebatte, Euro-Krise, Krieg und Mord und Totschlag. Bei Hans Traxler werden vielmehr noch die schlimmsten Dinge erträglich. Hänsel und Gretel verbrennen die Hexe? Bei Traxler, dem Mann, der schon vor bald fünfzig Jahren die Wahrheit über das Geschwisterpaar herausfand, tun sie es mit so gütigem Lächeln, dass keiner ihnen übelwollen könnte. Ein ruinierter Investmentbanker stürzt sich aus dem Fenster? Im Hintergrund lässt Traxler ihn wie einen Vogel davonfliegen. Der Tod tritt ins Atelier des Künstlers? Mit Freund Hein kann man doch vernünftig reden. (Zumindest Traxler kann es, und wer den Frankfurter Zeichner persönlich kennt, der weiß, dass diese Bildvision geradezu fotorealistisch genannt werden darf; Hans Traxler ist von einer Wort- und Witzgewandtheit, die jeden Gesprächspartner die Zeit vergessen lässt.)
Märchenmenschen, Geldanleger, Knochenmänner - sie alle findet man in "Ich, Gott und die Welt", dem jüngsten in der seit 1963 nicht abreißenden Kette von illustren illustrierten Geniestreichen. Man staunt, und wenn man weiß, dass Traxler gerade erst zweiundachtzig Jahre alt geworden ist und trotzdem zeichnet wie ein junger Gott (den es allerdings in seinem Werk nicht gibt, weil er es liebt, die Klischees satirisch zu überspitzen, weshalb Gott schon im Titelbild mit Rauschebart und langer Kutte auftritt), dann ist das Staunen noch viel größer.
Im Kontext der Neuen Frankfurter Schule, zu deren Zentraloktett Traxler zählt, ist er der Bilderdichter - noch vor den Kollegen Robert Gernhardt und FW Bernstein, die aus dieser Form gleichermaßen eine Kunst entwickelt haben. Und nun hat er seinen zahllosen früheren Klassikern noch einmal zwanzig neue Bildergedichte zugesellt, vom Vierzeiler zum Auftakt ("Manche hegen starke Zweifel / am Dogma und am Höllenteufel, / doch aus Liebe zur Folklore / folgen sie dem Monsignore") bis zum dreizehnseitigen Selbstporträt in einem Versrhythmus à la Wilhelm Busch ("Die Morgensonne wirft den Schatten, / die Künstlersgattin zürnt dem Gatten"), der dann aber im entscheidenden Moment durch einen Prosaeinschub gebrochen wird, ist hier der Wort- und Zeichenkünstler mit erkennbar größter Lust bei der Sache.
Milde war Hans Traxler immer schon in seinen Bildergedichten. Wer sie mit den Arbeiten des Zeichners in dem von ihm 1979 mitbegründeten Satiremagazin "Titanic" vergleicht, wird schnell sehen, dass hinter dem bösen Satiriker ein grundgütiger Spötter steckt - und umgekehrt. Das neue Buch verwendet nun Farben und Figuren, die wie in sanftes Abendlicht getaucht sind, die pastellfarbene Palette des Zeichners Traxler setzt selbst den Mord von Kain an Abel wie im Weichzeichner in Szene, ohne dass darunter der Witz litte, denn Abel hat sich zuvor reichlich ungeniert benommen. Ob man allerdings die schlechten Witze, die Adams und Evas Sohn reißt, tatsächlich als Todsünde bewerten muss, wie Kain es konkludent tut, das bleibt sehr die Frage. Aber wem könnte man solche Verachtung schlechten Humors weniger verübeln als Hans Traxler?
ANDREAS PLATTHAUS
Hans Traxler: "Ich, Gott und die Welt". Neue Bildergedichte.
Reclam Verlag, Stuttgart 2010. 128 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Grundgütiger Spötter: Hans Traxlers Bildergedichte
Irgendwann einmal, in einer Zeit weit nach unserer, werden die Menschen über den Büchern von Hans Traxler sitzen und in deren Bildern das Liebenswerte wiederentdecken. Das wird dann ein Korrektiv sein zu dem, was unsere Epoche sonst ausmacht: Überfremdungsdebatte, Euro-Krise, Krieg und Mord und Totschlag. Bei Hans Traxler werden vielmehr noch die schlimmsten Dinge erträglich. Hänsel und Gretel verbrennen die Hexe? Bei Traxler, dem Mann, der schon vor bald fünfzig Jahren die Wahrheit über das Geschwisterpaar herausfand, tun sie es mit so gütigem Lächeln, dass keiner ihnen übelwollen könnte. Ein ruinierter Investmentbanker stürzt sich aus dem Fenster? Im Hintergrund lässt Traxler ihn wie einen Vogel davonfliegen. Der Tod tritt ins Atelier des Künstlers? Mit Freund Hein kann man doch vernünftig reden. (Zumindest Traxler kann es, und wer den Frankfurter Zeichner persönlich kennt, der weiß, dass diese Bildvision geradezu fotorealistisch genannt werden darf; Hans Traxler ist von einer Wort- und Witzgewandtheit, die jeden Gesprächspartner die Zeit vergessen lässt.)
Märchenmenschen, Geldanleger, Knochenmänner - sie alle findet man in "Ich, Gott und die Welt", dem jüngsten in der seit 1963 nicht abreißenden Kette von illustren illustrierten Geniestreichen. Man staunt, und wenn man weiß, dass Traxler gerade erst zweiundachtzig Jahre alt geworden ist und trotzdem zeichnet wie ein junger Gott (den es allerdings in seinem Werk nicht gibt, weil er es liebt, die Klischees satirisch zu überspitzen, weshalb Gott schon im Titelbild mit Rauschebart und langer Kutte auftritt), dann ist das Staunen noch viel größer.
Im Kontext der Neuen Frankfurter Schule, zu deren Zentraloktett Traxler zählt, ist er der Bilderdichter - noch vor den Kollegen Robert Gernhardt und FW Bernstein, die aus dieser Form gleichermaßen eine Kunst entwickelt haben. Und nun hat er seinen zahllosen früheren Klassikern noch einmal zwanzig neue Bildergedichte zugesellt, vom Vierzeiler zum Auftakt ("Manche hegen starke Zweifel / am Dogma und am Höllenteufel, / doch aus Liebe zur Folklore / folgen sie dem Monsignore") bis zum dreizehnseitigen Selbstporträt in einem Versrhythmus à la Wilhelm Busch ("Die Morgensonne wirft den Schatten, / die Künstlersgattin zürnt dem Gatten"), der dann aber im entscheidenden Moment durch einen Prosaeinschub gebrochen wird, ist hier der Wort- und Zeichenkünstler mit erkennbar größter Lust bei der Sache.
Milde war Hans Traxler immer schon in seinen Bildergedichten. Wer sie mit den Arbeiten des Zeichners in dem von ihm 1979 mitbegründeten Satiremagazin "Titanic" vergleicht, wird schnell sehen, dass hinter dem bösen Satiriker ein grundgütiger Spötter steckt - und umgekehrt. Das neue Buch verwendet nun Farben und Figuren, die wie in sanftes Abendlicht getaucht sind, die pastellfarbene Palette des Zeichners Traxler setzt selbst den Mord von Kain an Abel wie im Weichzeichner in Szene, ohne dass darunter der Witz litte, denn Abel hat sich zuvor reichlich ungeniert benommen. Ob man allerdings die schlechten Witze, die Adams und Evas Sohn reißt, tatsächlich als Todsünde bewerten muss, wie Kain es konkludent tut, das bleibt sehr die Frage. Aber wem könnte man solche Verachtung schlechten Humors weniger verübeln als Hans Traxler?
ANDREAS PLATTHAUS
Hans Traxler: "Ich, Gott und die Welt". Neue Bildergedichte.
Reclam Verlag, Stuttgart 2010. 128 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
82, aber zeichnen tut er wie ein junger Gott, äh Deifi, findet Andreas Platthaus und legt nicht nur altgedienten Titanic-Lesern diesen Band mit Bildgedichten, klassisch-alt und neu, sehr ans Herz. Den Traxler Hans kennt er als wortgewandten bösen Satiriker der Neuen Frankfurter Schule. Doch etwas Altersmilde steht ihm laut Platthaus auch ganz gut. Erscheinen Euro-Krise, biblischer Brudermord und Hans und Grete erst im pastellfarbenen Abendlicht, ist's nochmal so schön. Wenn dereinst die Nachgeborenen zurückschauen und den Traxler entdecken, denkt sich der Rezensent, werden sie neben Mord und Totschlag schließlich auch das Liebenswerte der Epoche erkennen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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