Im November 1945 sprach das von der britischen Militärregierung eingesetzte Entnazifizierungs-Komitee den Braunschweiger Hanns Lieff schuldig, dem verbrecherischen Treiben der Nationalsozialisten nicht genügend Widerstand entgegengesetzt zu haben. Wer war Hanns Lieff? Warum gebührt ihm besondere Aufmerksamkeit?Seine Lebensgeschichte steht stellvertretend für die vieler Verwaltungsbeamter seiner Generation. In der wilhelminischen Zeit aufgewachsen, in ihrem Geist erzogen und als Beamter ausgebildet, diente er nach der Novemberrevolution 1918 zwei weiteren Staatswesen: zunächst der Weimarer Republik, dann der Hitler-Diktatur. Beide waren und blieben ihm fremd. Dennoch machte er Karriere: zunächst als Innenminister, dann als Polizeipräsident, schließlich als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes des Landes Braunschweig.Unter Rückgriff auf Tagebuchaufzeichnungen und weitere bisher unveröffentlichte Dokumente beschreibt Joachim von Stockhausen in beeindruckender Weise Hanns Lieffs vielfältige Konfliktsituationen zwischen beruflichem Widerstand aus Pflichtbewußtsein gegenüber dem, was er als Recht und Ordnung ansah, und Anpassung aus Pflichtbewußtsein gegenüber seiner Familie. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die mit seiner Entnazifizierung Beauftragten seine Konflikte in ihre Entscheidungen nicht einbezogen. Indem der Autor die Frage nach der Grenze zwischen politischer und moralischer Schuld aufwirft, liefert er einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Schuldverstrickung im "Dritten Reich" und ihre Bewertung.