Sie leben "im Kühlschrank" - so nennen die Kinder aus Mittel- und Lateinamerika die kargen Räume in den Gefängnissen und Auffangzentren der USA. Oft haben sie eine lebensgefährliche Reise hinter sich, die viele ihrer Gefährten nicht überlebten. Juan Pablo Villalobos hat sie befragt und ihre Geschichten aufgeschrieben. Es sind Kinder aus Guatemala, aus Honduras, Salvador, Mexiko, die ganz allein die Reise in das gelobte Land im Norden antraten, getrieben von Gewalt und zerstörten Familien. Sie alle träumen den gleichen Traum von einem Leben in Geborgenheit. Und sie alle haben bereits eine Geschichte über sich ergehen lassen, von der manche Erwachsene nicht einmal träumen mögen. Ein nüchternes und doch ergreifendes Stück Literatur vom amerikanischen Kontinent in diesen unseren Zeiten.
buecher-magazin.deVor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskarawane aus Honduras Richtung US-Grenze liest sich dieses Buch wie ein Vorbote. Der Mexikaner Juan Pablo Villalobos gibt den jugendlichen Grenzgängern in Amerika eine Stimme. Er führte mit zehn minderjährigen Geflüchteten im Juni 2016 Interviews und verwandelte diese zum Schutz ihrer Anonymität in narrative Texte. Atemlos folgt man diesen Stimmen, die von den "Kühlschränken", den Auffanglagern an der US-Grenze, erzählen. Ein Junge, der mit seinem zehnjährigen Bruder vor den Banden in El Salvador fliehen musste, erzählt von den Schleuserrouten: in Gepäckräumen von Bussen, die Überquerung von Flüssen voller Krokodile, die Fahrt in einem Möbel-LKW, in dem über 150 Menschen kaum mehr atmen konnten. Ein schwuler Junge flieht vor Diskriminierung, ein junges Mädchen vor ihren Peinigern nach einer brutalen Gruppenvergewaltigung. Sie alle wollen in die Kühlschränke, denn diese sind das Tor zu ihrem Traum von einem besseren Leben - bei ihren Müttern und Verwandten, die bereits in den USA leben. Im Epilog liefert der Journalist Alberto Arce dazu die grausamen Fakten aus den von Bandenstrukturen beherrschten Heimatländern dieser Kinder, in denen die höchsten Mordraten weltweit für einen Exodus sorgen, der gerade erst beginnt.
© BÜCHERmagazin, Tina Schraml (ts)
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Eva-Christina Meier scheint tief berührt von diesem Buch des Schriftstellers Juan Pablo Villalobos. Der Autor versammelt darin zehn zu Erzählungen ausgebaute Erlebnisberichte von Kindern und Jugendlichen, die vor der Drogen- und Bandenkriminalität in ihrer Heimat Mittelamerika in die USA geflüchtet sind. Deutlich wird für Meier nicht nur die Gefährlichkeit der Flucht, sondern auch die bedrückende Lage in den Herkunftsländern. Überzeugend nimmt der Autor die Perspektive seiner kleinen Helden ein und erzählt von einer großen Tragödie, erklärt Meier.
© Perlentaucher Medien GmbH
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