Ein kleines Hotelzimmer, das ein Fenster zur Welt wird
Eine Frau, die hat, was nach gängigen Kategorien eine geglückte Biographie ausmacht, sitzt in einem Hotelzimmer und denkt darüber nach, alles hinter sich zu lassen: ihren Mann, ihre Kinder, ihre Existenz, möglicherweise ihr Leben insgesamt. Zerrissen von einer unbestimmten Unzufriedenheit, getrieben von Überforderung nimmt sie einen Übersetzungsauftrag an, der alles verändert. Historische Briefe von deutschen Auswanderern zerschmettern ihr Hotel-Vakuum und im Austausch mit fremden Toten, mit unerwarteten Wegen stellt sich die Frage nach dem guten Leben überraschend anders.
Bereits Slata Roschals Debüt war 2022 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Mit »Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten« beweist sie sich als eine der interessantesten jungen Stimmen in der deutschsprachigen Literatur.
Eine Frau, die hat, was nach gängigen Kategorien eine geglückte Biographie ausmacht, sitzt in einem Hotelzimmer und denkt darüber nach, alles hinter sich zu lassen: ihren Mann, ihre Kinder, ihre Existenz, möglicherweise ihr Leben insgesamt. Zerrissen von einer unbestimmten Unzufriedenheit, getrieben von Überforderung nimmt sie einen Übersetzungsauftrag an, der alles verändert. Historische Briefe von deutschen Auswanderern zerschmettern ihr Hotel-Vakuum und im Austausch mit fremden Toten, mit unerwarteten Wegen stellt sich die Frage nach dem guten Leben überraschend anders.
Bereits Slata Roschals Debüt war 2022 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Mit »Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten« beweist sie sich als eine der interessantesten jungen Stimmen in der deutschsprachigen Literatur.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensentin Mareen Linnartz findet Slata Roschals "soghaften" Monolog über das Weh einer Mutter fabelhaft und originell. Vor allem die atemlose Sprache scheint ihr bemerkenswert zu sein. Dass alle so wiedergegebenen Gedanken über berechtigte Wünsche und Enttäuschungen des Mutterseins uns zu "keinem erlösenden Schluss" führen, stört Linnartz nicht besonders.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2024Ist da ein Land für mich?
Slata Roschals neuer Roman ist hochpolitisch
Maria Nowak, die Icherzählerin des scheinfatalistisch betitelten Romans "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten", ist als Kind aus Polen in die Bundesrepublik gekommen, jetzt verheiratet mit einem zehn Jahre älteren Deutschen und Mutter von zwei kleinen Kindern. Diese Charakterisierung der Hauptfigur greift indes zu kurz, denn die bei Rostock lebende studierte Literaturwissenschaftlerin ist promoviert und mittlerweile Übersetzerin; aktuell arbeitet sie mit deutschen Auswandererbriefen. Während der zweitägigen Handlungszeit des Romans bringt sie ein Übersetzerseminar in Berlin zu Ende, das ihr endlich einmal Abstand zum Alltag bescheren sollte - und professionelle Arbeitsbedingungen.
"Ich habe eine Entscheidung getroffen", stellt sie in ihrem Berliner Hotelzimmer fest, "und jetzt sitze ich da und trinke Tee und bin zu nichts fähig. Vielleicht schob ich diesen Moment vor mir her, weil ich vorausahnte, dass ich dann auf mich selbst gestellt, im eigenen Zimmer, weit weg, dass ich dann feststelle, dass ich zu gar nichts fähig bin einfach und meine Hoffnungen und Aggressionen, alles, ungerechtfertigt waren." Hier wird nicht prokrastiniert, sondern grundlegend gezweifelt, denn Maria Nowak ist eine jener exzellent ausgebildeten Akademikerinnen, die sich in der Doppelbelastung durch Familie und Beruf aufreiben. Und wissen um das Unverständnis von Männern oder kinderlosen Frauen für Zweifel, ob beiden Rollen gerecht zu werden ist.
Slata Roschal, die Autorin des Romans, erfüllt ebenfalls beide Rollen, aber sie und die Icherzählerin haben nur bedingt miteinander zu tun. Roschal kam zwar auch als Kind nach Deutschland, aber aus Russland, sie lebt in München, und sie ist vor allem schon das, was Maria Nowak erst für sich erhofft: viel beachtet. Ihr Debütroman, "153 Formen des Nichtseins" (F.A.Z. vom 9. April 2022), kam auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis, mit dem Nachfolger ist sie vom bisherigen Klein- zu einem Konzernverlag gewechselt, was zumindest die beruflichen Rahmenbedingungen als Schriftstellerin verbessert haben wird. Aber Roschals Porträt einer berufstätigen Mutter darf Gültigkeit über den publizistischen Bereich hinaus beanspruchen, wie es vor zwei Jahren schon für Heike Geißlers thematisch vergleichbaren Roman "Die Woche" galt. Wobei darin die politische Selbstverpflichtung der Protagonistin im Vordergrund stand - eine Lebensfacette, die in Roschals Roman nur am Rande präsent ist, aber dafür umso aktueller: "Nur die, die rechtzeitig, schnell genug, die kleinen Koffer aus dem Keller, die werden es überleben, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich alles wiederholt, es ist kein Zufall mit den frohen AfD-Plakaten entlang der Straße, von Jahr zu Jahr, und allem Drumherum, es wird was kommen, sag ich dir, wir müssen bereit sein und dann sofort, sofort nach -"
Der ratlose Abbruch des Satzes ist ebenso bezeichnend wie die Auslassung des Verbs zu dessen Beginn: Diese Maria Nowak spricht nicht nur hier atemlos assoziativ, unter höchstem Druck. Der auch dem Unwohlsein einer Zugewanderten vor deutschidentitären Parolen geschuldet ist, nicht nur real- und zeitökonomischen Nöten sowie dem Gefühl, nicht zu genügen. Was sie erträumt, formuliert sie einmal so: "Es muss ein Land geben, wo man mich annimmt, bedingungslos, unabhängig von der Höhe des monatlichen Gehaltes oder der Fähigkeit, witzig und charmant zu sein, mit braunen oder blauen oder geschorenen Haaren, wo man mich schätzt für meine deprimierte Art und meine Gestik und alles auf so natürliche, ehrliche Weise, dass ich daran zu glauben und fremde Leute auf der Straße anzulächeln beginne." Eine Utopie, wie sie selbst weiß, weshalb sie auch fortfährt: "Dann erscheint Christus auf einer Wolke, verteilt Glitzer und alle singen Halleluja."
Pikanterweise gibt Maria Nowaks aktueller Übersetzerauftrag dem Roman seine Form: Nicht nur sind authentische Briefe eines vor hundert Jahren in die USA Ausgewanderten an eine zurückgebliebene Bekannte namens Maria in die Handlung integriert; die heutige Maria antwortet mit ihrer Erzählung diesem ihr fremden Mann. Das ist ein Kunstgriff, der sich wie vieles erst nach und nach offenbart in diesem Buch, dessen gesellschaftspolitische Komponente sich als umso dringlicher erweist. Sie ist (noch) zeitlos. ANDREAS PLATTHAUS
Slata Roschal: "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten". Roman.
Claassen Verlag, Berlin 2024. 170 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Slata Roschals neuer Roman ist hochpolitisch
Maria Nowak, die Icherzählerin des scheinfatalistisch betitelten Romans "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten", ist als Kind aus Polen in die Bundesrepublik gekommen, jetzt verheiratet mit einem zehn Jahre älteren Deutschen und Mutter von zwei kleinen Kindern. Diese Charakterisierung der Hauptfigur greift indes zu kurz, denn die bei Rostock lebende studierte Literaturwissenschaftlerin ist promoviert und mittlerweile Übersetzerin; aktuell arbeitet sie mit deutschen Auswandererbriefen. Während der zweitägigen Handlungszeit des Romans bringt sie ein Übersetzerseminar in Berlin zu Ende, das ihr endlich einmal Abstand zum Alltag bescheren sollte - und professionelle Arbeitsbedingungen.
"Ich habe eine Entscheidung getroffen", stellt sie in ihrem Berliner Hotelzimmer fest, "und jetzt sitze ich da und trinke Tee und bin zu nichts fähig. Vielleicht schob ich diesen Moment vor mir her, weil ich vorausahnte, dass ich dann auf mich selbst gestellt, im eigenen Zimmer, weit weg, dass ich dann feststelle, dass ich zu gar nichts fähig bin einfach und meine Hoffnungen und Aggressionen, alles, ungerechtfertigt waren." Hier wird nicht prokrastiniert, sondern grundlegend gezweifelt, denn Maria Nowak ist eine jener exzellent ausgebildeten Akademikerinnen, die sich in der Doppelbelastung durch Familie und Beruf aufreiben. Und wissen um das Unverständnis von Männern oder kinderlosen Frauen für Zweifel, ob beiden Rollen gerecht zu werden ist.
Slata Roschal, die Autorin des Romans, erfüllt ebenfalls beide Rollen, aber sie und die Icherzählerin haben nur bedingt miteinander zu tun. Roschal kam zwar auch als Kind nach Deutschland, aber aus Russland, sie lebt in München, und sie ist vor allem schon das, was Maria Nowak erst für sich erhofft: viel beachtet. Ihr Debütroman, "153 Formen des Nichtseins" (F.A.Z. vom 9. April 2022), kam auf die Longlist zum Deutschen Buchpreis, mit dem Nachfolger ist sie vom bisherigen Klein- zu einem Konzernverlag gewechselt, was zumindest die beruflichen Rahmenbedingungen als Schriftstellerin verbessert haben wird. Aber Roschals Porträt einer berufstätigen Mutter darf Gültigkeit über den publizistischen Bereich hinaus beanspruchen, wie es vor zwei Jahren schon für Heike Geißlers thematisch vergleichbaren Roman "Die Woche" galt. Wobei darin die politische Selbstverpflichtung der Protagonistin im Vordergrund stand - eine Lebensfacette, die in Roschals Roman nur am Rande präsent ist, aber dafür umso aktueller: "Nur die, die rechtzeitig, schnell genug, die kleinen Koffer aus dem Keller, die werden es überleben, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich alles wiederholt, es ist kein Zufall mit den frohen AfD-Plakaten entlang der Straße, von Jahr zu Jahr, und allem Drumherum, es wird was kommen, sag ich dir, wir müssen bereit sein und dann sofort, sofort nach -"
Der ratlose Abbruch des Satzes ist ebenso bezeichnend wie die Auslassung des Verbs zu dessen Beginn: Diese Maria Nowak spricht nicht nur hier atemlos assoziativ, unter höchstem Druck. Der auch dem Unwohlsein einer Zugewanderten vor deutschidentitären Parolen geschuldet ist, nicht nur real- und zeitökonomischen Nöten sowie dem Gefühl, nicht zu genügen. Was sie erträumt, formuliert sie einmal so: "Es muss ein Land geben, wo man mich annimmt, bedingungslos, unabhängig von der Höhe des monatlichen Gehaltes oder der Fähigkeit, witzig und charmant zu sein, mit braunen oder blauen oder geschorenen Haaren, wo man mich schätzt für meine deprimierte Art und meine Gestik und alles auf so natürliche, ehrliche Weise, dass ich daran zu glauben und fremde Leute auf der Straße anzulächeln beginne." Eine Utopie, wie sie selbst weiß, weshalb sie auch fortfährt: "Dann erscheint Christus auf einer Wolke, verteilt Glitzer und alle singen Halleluja."
Pikanterweise gibt Maria Nowaks aktueller Übersetzerauftrag dem Roman seine Form: Nicht nur sind authentische Briefe eines vor hundert Jahren in die USA Ausgewanderten an eine zurückgebliebene Bekannte namens Maria in die Handlung integriert; die heutige Maria antwortet mit ihrer Erzählung diesem ihr fremden Mann. Das ist ein Kunstgriff, der sich wie vieles erst nach und nach offenbart in diesem Buch, dessen gesellschaftspolitische Komponente sich als umso dringlicher erweist. Sie ist (noch) zeitlos. ANDREAS PLATTHAUS
Slata Roschal: "Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten". Roman.
Claassen Verlag, Berlin 2024. 170 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.04.2024Stillen in
der Versacebluse
Eine ganze Generation von Schriftstellerinnen kämpft
mit dem Ideal der erfolgreichen Mutter.
Und schreibt grandiose Bücher zum Thema.
VON MAREEN LINNARTZ
Manchmal helfen Zahlen ja, etwas ins Verhältnis zu setzen. In jeder Sekunde werden auf der Erde 2,1 Kinder geboren, das heißt: Einmal laut „Einundzwanzig“ gesagt, schon haben wieder zwei Menschen das Licht der Welt erblickt; Tag für Tag werden also etwa 181 000 Frauen Mütter, in Tasmanien, Lappland, auf den Galapagos-Inseln, in Südafrika, Nordamerika, Westeuropa, Ostasien. So gesehen ist eine Geburt ein banales, sehr alltägliches Ereignis, dem überall die gleichen Entwicklungsschritte folgen: Aus einem hilflosen Wesen, das viel getragen und umsorgt werden muss, dafür aber ungeheuer gut riecht, wird ein Kind, das Laufen lernt und lustige Eigenarten entwickelt, wird ein Teenager, der sprunghafte Verhaltensweisen an den Tag legt und nicht mehr so gut riecht, wird ein Erwachsener, der – hat man Glück – sich um einen kümmert, weil aus einer versorgenden Mutter eine vergessliche Oma geworden ist. So, in etwa, ist der Lauf der Dinge, wenn man sich fortpflanzt.
Die Untiefen und Höhepunkte des Elternseins werden mit dieser nüchternen Feststellung nicht annähernd erfasst, klar, und doch muss die Frage erlaubt sein: Was genau macht Mutterschaft heute eigentlich so ungeheuer spannend, dass man von einem eigenen literarischen Genre sprechen kann, so viele Essays, Romane, autofiktionale Bücher erscheinen in jeder Saison zu dieser Lebensphase? Ein paar Beispiele allein aus den deutschen Programmen der vergangenen Jahre, eine winzige Auswahl in Anbetracht aller verfügbaren Titel: Anke Stelling beschrieb 2015 in „Bodentiefe Fenster“ lustig und boshaft die Sehnsüchte und Abgründe der Prenzlauer-Berg-Mütter, in Mareike Fallwickls Roman „Die Wut, die bleibt“ von 2022 stürzt sich eine Mutter nach einem Abendessen mit ihrer Familie kommentarlos vom Balkon, Antonia Baum schreibt in „Stillleben“ (2018) über das erste Jahr mit Baby, das die Mutter als eine Art Schockzustand empfindet.
Und obwohl die Textart so gut eingeführt ist, stechen in diesem Frühjahr noch einmal drei Bücher literarisch überraschend daraus hervor. Die 32-jährige Slata Roschal, hochgelobt für ihren Debütroman „153 Formen des Nichtseins“, lässt in einem soghaften Monolog mit dem Titel „Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten“ eine erschöpfte Mutter wehklagen. Sie sitzt in einem Hotelund überlegt, alles hinter sich zu lassen: „Es ist ja alles gut, mit den Kindern, mit mir, mit mir und dir ja auch, eigentlich, es ist nur ständig dieses Eigentlich, ich spüre, dass da etwas verkehrt ist und das Äußere nicht das Innere ist, mir und den Kindern und mir und dir geht es gut, aber ich frage mich jeden Morgen, warum ich aufstehe.“
In „Liebesmüh“, einem Essay der Kulturgeschichtsprofessorin Christina Wessely, verzweifelt eine Mutter in den ersten Monaten nach der Geburt an den gesellschaftlichen und den eigenen Erwartungen. Sie müsste doch glücklich sein. Ist es aber nicht. Das Kind ist ihr fremd. Wie soll sie es lieben? Der Duktus ist nüchtern, Wessely verwendet eigene Erfahrungen, erzählt dennoch distanziert in der dritten Person: „Dass der Zauber des Anfangs sich ihr als Horror des Endes (ihres alten Lebens) darstellt, ahnt keiner der Freunde.“
Und dann gibt es da die immer wieder umwerfende US- Autorin Leslie Jamison, die, obwohl erst 40 Jahre alt, wegen ihrer scharfsinnigen und genau beobachteten Essays mit Susan Sontag und Joan Didion verglichen worden ist. Einmal schrieb sie über einen Wal, der seit Jahren allein im Pazifik vor sich hinschwimmt, weil seine Töne eine falsche Frequenz haben. Seine Wal-Familie kann ihn nicht hören und deswegen auch nicht orten – eine großartige Parabel über Einsamkeit. Schon immer ging es in Jamisons Texten auch um eigene Erfahrungen, in „Splitter“ aber, ihrem neuesten Buch, ein New-York-Times-Bestseller und gerade auf Deutsch erschienen, schreibt sie auf 300 Seiten ausschließlich über sich selbst. Wie und ob das überhaupt zusammengeht, erfolgreiche Schriftstellerin und Professorin für Non-Fiction an der Columbia-University zu sein – und gleichzeitig Mutter. Disclaimer: Es geht eigentlich nicht, oder zumindest nur zum Preis großer Erschöpfung und Zerrissenheit.
Und da ist es auch schon wieder zu vernehmen, das Grundrauschen fast aller und somit auch dieser drei Mutterschaftsromane: Die Frauen darin (akademisch gebildet, urban, ambitioniert, in Therapie) wollen beruflich weiter bestehen, aber auch gute Mütter sein, was kein Widerspruch sein muss, aber einer wird, wenn die eigenen Ansprüche so ungeheuer hoch sind. Der Leistungswillen, auch in der neuen Rolle als Mutter zu den Besten gehören zu wollen, eint die Frauen in diesen Büchern.
Ihre Tochter sei „eher mein Guru als mein Baby“ schreibt Jamison, „normalerweise erlaube ich mir nichts, was meine 24-h-Einsatzfähigkeit trüben könnte“ bekennt die namenlose Erzählerin bei Slata Roschal. In „Liebesmüh“ sagt die Protagonistin einen Termin mit dem Säugling lieber gleich ab, zu groß ist die Angst, für die längere Anfahrt dahin nicht „an alle Eventualitäten gedacht“ zu haben. Das führt am Ende immer zu einer unterschwelligen Enttäuschung (weil man nichts und niemanden wirklich gerecht wird) und einer sichtbaren Überforderung (weil es unmöglich ist, allem und jedem gerecht zu werden.) Als Künstlerinnen haben sie besondere Fragen: Kann ich noch eine gute Schriftstellerin sein, nun da ich einen Mensch auf die Welt gebracht habe, der mich noch viele Jahre brauchen wird? Und ist dieser Zwiespalt es wert, aufgeschrieben zu werden?
Als die britische Autorin Rachel Cusk in ihrem 2001 auf Englisch erschienenen Buch „Lebenswerk. Über das Mutterwerden“ genau über diesen Zwiespalt sehr radikal schrieb, bezichtigte man sie der Weinerlichkeit, und auch dessen: eine Rabenmutter zu sein. Sie sei wohl die „meistgehasste Schriftstellerin Englands“ konstatierte der Guardian damals. Aber Cusk hatte den Ton gesetzt, bekannte sich zur großen Langeweile, die sie manchmal im Beisein ihrer Kinder befiel, und zum eigenen Ehrgeiz, den sie nicht zurückstellen wollte, Männer machen das ja auch nicht. Sie formulierte Wahrheiten, die nicht gerne gehört werden, bis heute: Das Leben mit Kindern ist nicht immer schön. Ja, man kann mit seiner Rolle als Mutter hadern, Stichwort „Regretting motherhood“. Das war, in Cusks literarisierter Form, besonders, schonungslos, neu. Aber das ist es nun, mehr als 20 Jahre und gefühlt 200 entsprechende Bücher später, natürlich nicht mehr.
Slata Roschal, Christina Wessely und Leslie Jamison schaffen es aber, nicht nur eine weitere Variation des eingeführten Themas abzuliefern, sondern ihm etwas Eigenes hinzuzufügen. Roschal mit einer atemlosen Sprache, wild mäandernden Gedanken, die zu keinem erlösenden Schluss kommen, aber warum sollten sie auch.
Wessely mit einer fast schmerzhaften Nüchternheit, bei der man aber trotzdem manchmal sehr lachen muss. Wenn die Erzählerin im Rückbildungskurs arglos berichtet, man füttere nun zu, mit selbst gekochtem Brei aus „Biokarotten und Biopastinaken und Biokartoffeln“ – und eine Kursteilnehmerin darüber maximal empört ist: Einem Baby einen Löffel in den Mund zu schieben sei Gewalt und gleiche einer Penetration, nur mal so, wie kann man so etwas bitte heute noch machen? Oder wenn die Protagonistin sich über das Lieblingswort urbaner Mütter auslässt, nämlich „artgerecht“. Die Kulturhistorikerin Wessely zeigt da, dass Vorstellungen gelungener Mutterschaft auch immer eine Frage des Zeitgeistes sind.
Leslie Jamisons „Splitter“ aber ragt besonders heraus. Ihre Geschichte ist nicht nur die eines Anfangs (ein Leben beginnt, das ihrer Tochter), sondern auch die eines Endes (die Beziehung zu dem Vater des Kindes ist zerrüttet). Ihren Studierenden an der Columbia University, erzählt Jamison in „Splitter“, hämmere sie immer ein, beim Schreiben so konkret wie möglich zu sein, sie sollten alle „Cocktailparty-Fassungen“ von Geschichten verwerfen und stattdessen über das „Heimweh hinter der Wut, die Angst hinter dem Ehrgeiz“ schreiben. Ihr selbst gelingt das mühelos. „Splitter“ ist das elegant geschriebene Psychogramm einer Frau, die um ihre Fähigkeiten weiß und sich doch immer wieder infrage stellt. Und die zerrieben wird von dem Wunsch, erfolgreich zu sein, und dem Willen, ihrer Tochter zu genügen.
Einmal verlegt Jamison ein Fotoshooting für eine Zeitschrift in ihr Wohnzimmer. Die Tochter ist erst drei Monate alt, die Großmutter kümmert sich um das Baby in einer anderen Ecke der Wohnung. Das Fototeam trinkt grüne Smoothies und ist grundentspannt, Jamison gibt vor, es auch zu sein, posiert, lächelt. Dann hört sie ihre Tochter herzzerreißend schreien. Sie hätte sie längst gestillt haben müssen, hat die Unterbrechung aber nicht gewagt. Das Brüllen ihrer Tochter lässt ihre Brüste anschwellen, Hormone wirken, Milch schießt heraus und befleckt die „Versacebluse“, die ihr „nicht gehört“. Das „schockierte Gesicht des Stylisten“, schreibt Jamison ziemlich trocken, „war harmlos im Vergleich zum enttäuschten Gesicht meiner Mutter, als ich endlich die Kinderzimmertür öffnete, dreißig Minuten zu spät, um ihr meine heulende Tochter abzunehmen.“
Das Drama der modernen privilegierten Mutter – könnte es ein besseres Bild dafür geben als dieses milchbesudelte Designerstück? Macht euch mal lockerer, würde man nach der Lektüre dieser drei Bücher den Frauen darin doch gerne hin und wieder zurufen. Stellt euch vor, mit welchen Zumutungen Mütter kämpfen, deren Einkommen ein paar Klassen tiefer liegen. Und Kinder werden größer, ehe man sich versieht, wollen sie nichts mehr von einem und sind aus dem Haus. Es ist nur eine Phase, wirklich, ihr bekommt euer selbstbestimmtes Leben wieder. Und wo sind überhaupt die Väter? Die erscheinen in diesen Büchern bestenfalls als willfährige Assistenten. Vielleicht, weil die Mütter auch einfach wollen, dass sie selbst zwar nicht die einzige, aber doch die wichtigste Bezugsperson sind? Man müsste nicht so sehr um sich selbst kreisen, wie diese drei Erzählerinnen. Wobei es dann womöglich auch keinen Grund mehr gäbe, so unterhaltsam über Mutterschaft zu schreiben.
Rachel Cusk setzte den Ton,
dafür nannte man sie
„meistgehasste“ Autorin
Was sollen erst die sagen,
deren Einkommen ein paar
Klassen tiefer liegt?
Slata Roschal:
Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten. Roman.
Claassen, Berlin 2024.
176 Seiten, 22 Euro.
Christina Wessely:
Liebesmühe.
Hanser Verlag,
München 2024.
176 Seiten, 22 Euro.
Leslie Jamison:
Splitter.
Aus dem Englischen
von Sophie Zeitz.
Claassen, Berlin 2024.
304 Seiten, 23 Euro.
Die amerikanische Essayistin Leslie Jamison, Jahrgang 1983.
Foto: Grace Ann Leadbeater
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
der Versacebluse
Eine ganze Generation von Schriftstellerinnen kämpft
mit dem Ideal der erfolgreichen Mutter.
Und schreibt grandiose Bücher zum Thema.
VON MAREEN LINNARTZ
Manchmal helfen Zahlen ja, etwas ins Verhältnis zu setzen. In jeder Sekunde werden auf der Erde 2,1 Kinder geboren, das heißt: Einmal laut „Einundzwanzig“ gesagt, schon haben wieder zwei Menschen das Licht der Welt erblickt; Tag für Tag werden also etwa 181 000 Frauen Mütter, in Tasmanien, Lappland, auf den Galapagos-Inseln, in Südafrika, Nordamerika, Westeuropa, Ostasien. So gesehen ist eine Geburt ein banales, sehr alltägliches Ereignis, dem überall die gleichen Entwicklungsschritte folgen: Aus einem hilflosen Wesen, das viel getragen und umsorgt werden muss, dafür aber ungeheuer gut riecht, wird ein Kind, das Laufen lernt und lustige Eigenarten entwickelt, wird ein Teenager, der sprunghafte Verhaltensweisen an den Tag legt und nicht mehr so gut riecht, wird ein Erwachsener, der – hat man Glück – sich um einen kümmert, weil aus einer versorgenden Mutter eine vergessliche Oma geworden ist. So, in etwa, ist der Lauf der Dinge, wenn man sich fortpflanzt.
Die Untiefen und Höhepunkte des Elternseins werden mit dieser nüchternen Feststellung nicht annähernd erfasst, klar, und doch muss die Frage erlaubt sein: Was genau macht Mutterschaft heute eigentlich so ungeheuer spannend, dass man von einem eigenen literarischen Genre sprechen kann, so viele Essays, Romane, autofiktionale Bücher erscheinen in jeder Saison zu dieser Lebensphase? Ein paar Beispiele allein aus den deutschen Programmen der vergangenen Jahre, eine winzige Auswahl in Anbetracht aller verfügbaren Titel: Anke Stelling beschrieb 2015 in „Bodentiefe Fenster“ lustig und boshaft die Sehnsüchte und Abgründe der Prenzlauer-Berg-Mütter, in Mareike Fallwickls Roman „Die Wut, die bleibt“ von 2022 stürzt sich eine Mutter nach einem Abendessen mit ihrer Familie kommentarlos vom Balkon, Antonia Baum schreibt in „Stillleben“ (2018) über das erste Jahr mit Baby, das die Mutter als eine Art Schockzustand empfindet.
Und obwohl die Textart so gut eingeführt ist, stechen in diesem Frühjahr noch einmal drei Bücher literarisch überraschend daraus hervor. Die 32-jährige Slata Roschal, hochgelobt für ihren Debütroman „153 Formen des Nichtseins“, lässt in einem soghaften Monolog mit dem Titel „Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten“ eine erschöpfte Mutter wehklagen. Sie sitzt in einem Hotelund überlegt, alles hinter sich zu lassen: „Es ist ja alles gut, mit den Kindern, mit mir, mit mir und dir ja auch, eigentlich, es ist nur ständig dieses Eigentlich, ich spüre, dass da etwas verkehrt ist und das Äußere nicht das Innere ist, mir und den Kindern und mir und dir geht es gut, aber ich frage mich jeden Morgen, warum ich aufstehe.“
In „Liebesmüh“, einem Essay der Kulturgeschichtsprofessorin Christina Wessely, verzweifelt eine Mutter in den ersten Monaten nach der Geburt an den gesellschaftlichen und den eigenen Erwartungen. Sie müsste doch glücklich sein. Ist es aber nicht. Das Kind ist ihr fremd. Wie soll sie es lieben? Der Duktus ist nüchtern, Wessely verwendet eigene Erfahrungen, erzählt dennoch distanziert in der dritten Person: „Dass der Zauber des Anfangs sich ihr als Horror des Endes (ihres alten Lebens) darstellt, ahnt keiner der Freunde.“
Und dann gibt es da die immer wieder umwerfende US- Autorin Leslie Jamison, die, obwohl erst 40 Jahre alt, wegen ihrer scharfsinnigen und genau beobachteten Essays mit Susan Sontag und Joan Didion verglichen worden ist. Einmal schrieb sie über einen Wal, der seit Jahren allein im Pazifik vor sich hinschwimmt, weil seine Töne eine falsche Frequenz haben. Seine Wal-Familie kann ihn nicht hören und deswegen auch nicht orten – eine großartige Parabel über Einsamkeit. Schon immer ging es in Jamisons Texten auch um eigene Erfahrungen, in „Splitter“ aber, ihrem neuesten Buch, ein New-York-Times-Bestseller und gerade auf Deutsch erschienen, schreibt sie auf 300 Seiten ausschließlich über sich selbst. Wie und ob das überhaupt zusammengeht, erfolgreiche Schriftstellerin und Professorin für Non-Fiction an der Columbia-University zu sein – und gleichzeitig Mutter. Disclaimer: Es geht eigentlich nicht, oder zumindest nur zum Preis großer Erschöpfung und Zerrissenheit.
Und da ist es auch schon wieder zu vernehmen, das Grundrauschen fast aller und somit auch dieser drei Mutterschaftsromane: Die Frauen darin (akademisch gebildet, urban, ambitioniert, in Therapie) wollen beruflich weiter bestehen, aber auch gute Mütter sein, was kein Widerspruch sein muss, aber einer wird, wenn die eigenen Ansprüche so ungeheuer hoch sind. Der Leistungswillen, auch in der neuen Rolle als Mutter zu den Besten gehören zu wollen, eint die Frauen in diesen Büchern.
Ihre Tochter sei „eher mein Guru als mein Baby“ schreibt Jamison, „normalerweise erlaube ich mir nichts, was meine 24-h-Einsatzfähigkeit trüben könnte“ bekennt die namenlose Erzählerin bei Slata Roschal. In „Liebesmüh“ sagt die Protagonistin einen Termin mit dem Säugling lieber gleich ab, zu groß ist die Angst, für die längere Anfahrt dahin nicht „an alle Eventualitäten gedacht“ zu haben. Das führt am Ende immer zu einer unterschwelligen Enttäuschung (weil man nichts und niemanden wirklich gerecht wird) und einer sichtbaren Überforderung (weil es unmöglich ist, allem und jedem gerecht zu werden.) Als Künstlerinnen haben sie besondere Fragen: Kann ich noch eine gute Schriftstellerin sein, nun da ich einen Mensch auf die Welt gebracht habe, der mich noch viele Jahre brauchen wird? Und ist dieser Zwiespalt es wert, aufgeschrieben zu werden?
Als die britische Autorin Rachel Cusk in ihrem 2001 auf Englisch erschienenen Buch „Lebenswerk. Über das Mutterwerden“ genau über diesen Zwiespalt sehr radikal schrieb, bezichtigte man sie der Weinerlichkeit, und auch dessen: eine Rabenmutter zu sein. Sie sei wohl die „meistgehasste Schriftstellerin Englands“ konstatierte der Guardian damals. Aber Cusk hatte den Ton gesetzt, bekannte sich zur großen Langeweile, die sie manchmal im Beisein ihrer Kinder befiel, und zum eigenen Ehrgeiz, den sie nicht zurückstellen wollte, Männer machen das ja auch nicht. Sie formulierte Wahrheiten, die nicht gerne gehört werden, bis heute: Das Leben mit Kindern ist nicht immer schön. Ja, man kann mit seiner Rolle als Mutter hadern, Stichwort „Regretting motherhood“. Das war, in Cusks literarisierter Form, besonders, schonungslos, neu. Aber das ist es nun, mehr als 20 Jahre und gefühlt 200 entsprechende Bücher später, natürlich nicht mehr.
Slata Roschal, Christina Wessely und Leslie Jamison schaffen es aber, nicht nur eine weitere Variation des eingeführten Themas abzuliefern, sondern ihm etwas Eigenes hinzuzufügen. Roschal mit einer atemlosen Sprache, wild mäandernden Gedanken, die zu keinem erlösenden Schluss kommen, aber warum sollten sie auch.
Wessely mit einer fast schmerzhaften Nüchternheit, bei der man aber trotzdem manchmal sehr lachen muss. Wenn die Erzählerin im Rückbildungskurs arglos berichtet, man füttere nun zu, mit selbst gekochtem Brei aus „Biokarotten und Biopastinaken und Biokartoffeln“ – und eine Kursteilnehmerin darüber maximal empört ist: Einem Baby einen Löffel in den Mund zu schieben sei Gewalt und gleiche einer Penetration, nur mal so, wie kann man so etwas bitte heute noch machen? Oder wenn die Protagonistin sich über das Lieblingswort urbaner Mütter auslässt, nämlich „artgerecht“. Die Kulturhistorikerin Wessely zeigt da, dass Vorstellungen gelungener Mutterschaft auch immer eine Frage des Zeitgeistes sind.
Leslie Jamisons „Splitter“ aber ragt besonders heraus. Ihre Geschichte ist nicht nur die eines Anfangs (ein Leben beginnt, das ihrer Tochter), sondern auch die eines Endes (die Beziehung zu dem Vater des Kindes ist zerrüttet). Ihren Studierenden an der Columbia University, erzählt Jamison in „Splitter“, hämmere sie immer ein, beim Schreiben so konkret wie möglich zu sein, sie sollten alle „Cocktailparty-Fassungen“ von Geschichten verwerfen und stattdessen über das „Heimweh hinter der Wut, die Angst hinter dem Ehrgeiz“ schreiben. Ihr selbst gelingt das mühelos. „Splitter“ ist das elegant geschriebene Psychogramm einer Frau, die um ihre Fähigkeiten weiß und sich doch immer wieder infrage stellt. Und die zerrieben wird von dem Wunsch, erfolgreich zu sein, und dem Willen, ihrer Tochter zu genügen.
Einmal verlegt Jamison ein Fotoshooting für eine Zeitschrift in ihr Wohnzimmer. Die Tochter ist erst drei Monate alt, die Großmutter kümmert sich um das Baby in einer anderen Ecke der Wohnung. Das Fototeam trinkt grüne Smoothies und ist grundentspannt, Jamison gibt vor, es auch zu sein, posiert, lächelt. Dann hört sie ihre Tochter herzzerreißend schreien. Sie hätte sie längst gestillt haben müssen, hat die Unterbrechung aber nicht gewagt. Das Brüllen ihrer Tochter lässt ihre Brüste anschwellen, Hormone wirken, Milch schießt heraus und befleckt die „Versacebluse“, die ihr „nicht gehört“. Das „schockierte Gesicht des Stylisten“, schreibt Jamison ziemlich trocken, „war harmlos im Vergleich zum enttäuschten Gesicht meiner Mutter, als ich endlich die Kinderzimmertür öffnete, dreißig Minuten zu spät, um ihr meine heulende Tochter abzunehmen.“
Das Drama der modernen privilegierten Mutter – könnte es ein besseres Bild dafür geben als dieses milchbesudelte Designerstück? Macht euch mal lockerer, würde man nach der Lektüre dieser drei Bücher den Frauen darin doch gerne hin und wieder zurufen. Stellt euch vor, mit welchen Zumutungen Mütter kämpfen, deren Einkommen ein paar Klassen tiefer liegen. Und Kinder werden größer, ehe man sich versieht, wollen sie nichts mehr von einem und sind aus dem Haus. Es ist nur eine Phase, wirklich, ihr bekommt euer selbstbestimmtes Leben wieder. Und wo sind überhaupt die Väter? Die erscheinen in diesen Büchern bestenfalls als willfährige Assistenten. Vielleicht, weil die Mütter auch einfach wollen, dass sie selbst zwar nicht die einzige, aber doch die wichtigste Bezugsperson sind? Man müsste nicht so sehr um sich selbst kreisen, wie diese drei Erzählerinnen. Wobei es dann womöglich auch keinen Grund mehr gäbe, so unterhaltsam über Mutterschaft zu schreiben.
Rachel Cusk setzte den Ton,
dafür nannte man sie
„meistgehasste“ Autorin
Was sollen erst die sagen,
deren Einkommen ein paar
Klassen tiefer liegt?
Slata Roschal:
Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten. Roman.
Claassen, Berlin 2024.
176 Seiten, 22 Euro.
Christina Wessely:
Liebesmühe.
Hanser Verlag,
München 2024.
176 Seiten, 22 Euro.
Leslie Jamison:
Splitter.
Aus dem Englischen
von Sophie Zeitz.
Claassen, Berlin 2024.
304 Seiten, 23 Euro.
Die amerikanische Essayistin Leslie Jamison, Jahrgang 1983.
Foto: Grace Ann Leadbeater
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Slata Roschal ist ein ungewöhnliches Buch gelungen. In variantenreicher Prosa liefert es das schonungslose Protokoll eines ungreifbaren Weltschmerzes, der sich durch nichts beruhigen lässt. Es gibt, schreibt sie an einer Stelle, 'keine Hashtags für das, was ich sagen will'. Aber doch, möchte man hinzufügen, dieses bemerkenswerte Buch.« Dirk Hohnsträter WDR 20240627