Für John von Düffel gleicht der Schwimmer, der aus dem Wasser steigt, einem Schläfer, der aus einem Traum erwacht. Die Kulturgeschichte des Schwimmens, die Charles Sprawson geschrieben hat, verfolgt diesen Traum durch die Menschheitsgeschichte.
Der Autor verbrachte seine Kindheit in Indien, wo er im unterirdischen Gewölbe eines Prinzenpalastes das Schwimmen lernte - zwischen Säulen, deren Sockel im geheimnisvollen Dunkel des Wassers verschwanden. Das Schwimmen wurde ihm zu einer Leidenschaft.
Ich nehme Dich auf meinen Rücken, vermähle Dich dem Ozean - die Worte des Meeresgottes Proteus in Goethes Faust II sind eine Einladung, das geheimnisvolle und widersprüchliche Wesen des Schwimmers zu ergründen.
Charles Sprawson erzählt von Nymphen und Najaden im klassischen Griechenland, führt uns nach Rom, in die Hauptstadt der Aquakultur, wo die Architekten des Wassers eine einzigartige Brunnen- und Bäderlandschaft errichteten - bis ins Mittelalter, als das Christentum begann, Blöße und Sinnlichkeit zu verteufeln. Fischer und Seeleute lernten zu beten, doch die Kunst des Schwimmens blieb ihnen über Jahrhunderte suspekt. Im 19. Jahrhundert schließlich wurde die Bewegung im Wasser von Abenteurern, Exzentrikern und englischen Aristokraten neu entdeckt. Die Romantiker erlagen dem Zauber der Meere, reißender Flüsse und verwunschener Waldseen. Lord Byron sah den Ozean als alten Freund, der junge Goethe zelebrierte das Schwimmen als Revolte; im Wasser fand der Sturm und Drang seine Befreiung von der Starre und Enge der bürgerlichen Welt.
Der Autor verbrachte seine Kindheit in Indien, wo er im unterirdischen Gewölbe eines Prinzenpalastes das Schwimmen lernte - zwischen Säulen, deren Sockel im geheimnisvollen Dunkel des Wassers verschwanden. Das Schwimmen wurde ihm zu einer Leidenschaft.
Ich nehme Dich auf meinen Rücken, vermähle Dich dem Ozean - die Worte des Meeresgottes Proteus in Goethes Faust II sind eine Einladung, das geheimnisvolle und widersprüchliche Wesen des Schwimmers zu ergründen.
Charles Sprawson erzählt von Nymphen und Najaden im klassischen Griechenland, führt uns nach Rom, in die Hauptstadt der Aquakultur, wo die Architekten des Wassers eine einzigartige Brunnen- und Bäderlandschaft errichteten - bis ins Mittelalter, als das Christentum begann, Blöße und Sinnlichkeit zu verteufeln. Fischer und Seeleute lernten zu beten, doch die Kunst des Schwimmens blieb ihnen über Jahrhunderte suspekt. Im 19. Jahrhundert schließlich wurde die Bewegung im Wasser von Abenteurern, Exzentrikern und englischen Aristokraten neu entdeckt. Die Romantiker erlagen dem Zauber der Meere, reißender Flüsse und verwunschener Waldseen. Lord Byron sah den Ozean als alten Freund, der junge Goethe zelebrierte das Schwimmen als Revolte; im Wasser fand der Sturm und Drang seine Befreiung von der Starre und Enge der bürgerlichen Welt.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
In Charles Sprawsons "Kulturgeschichte des Schwimmens" erfährt man laut Ansicht Katharina Hackers so gut wie alles über das Schwimmen. Zum Beispiel, dass das Schwimmen bei Römern und Griechen zur "lustvollen Bildung" gehörte und man im alten Rom dem Ungebildeten nachsagte, "er könne weder lesen noch schwimmen." Erst nach langer "christlicher Unterbrechung" wurde das Schwimmen von reisenden Engländern im 18. Jahrhundert wiederbelebt, und übte alsbald großen Einfluss auf Literatur und Kunst aus, referiert Hackers. Auch erfahre der Leser die Bedeutung des Schwimmens für den Dichter Goethe. Zum Bedauern der Rezensentin mäandert das Buch allerdings zwischen vielen Anekdoten und Darstellungen hin und her, so dass der Leser bisweilen die Orientierung verliere. Ertrinken werde der Leser zwischen der Darstellung japanischer Schwimmgeschichte und der dichterischen Bearbeitung des Elements Wasser indes nicht. "Allenfalls", schließt Hacker, "wird er über die naive Darstellung Riefenstahlscher Kunstideen oder manche Redundanz den Kopf schütteln."
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2003Auch Untergehen ist schön
Zwei kluge, unterhaltsame Bücher über Schwimmer und Taucher
Es ist lange her, daß man von einem ungebildeten Menschen sagte: "Der kann weder lesen noch schwimmen." Bei den Römern war das stehende Rede. Sie besaßen ein Gefühl für Wasser, legten geschickten Umgang mit dem Element an den Tag: Sie kontrollierten es durch Abwasserkanäle, regulierten es mittels Aquädukten, bauten sich Aquarien und prächtige Marmorbäder. Hatten junge Römer erst einmal schwimmen gelernt, zog es sie hinein in die Fluten des Tiber und andere offene Gewässer. Über ihren Stil wissen wir wenig. Gegen Schlaflosigkeit empfiehlt jedenfalls Horaz, dreimal über den Fluß zu schwimmen. Seinen Sohn belehrt der Dichter, er müsse fortan "ohne Gürtel schwimmen", also auf eigenen Füßen stehen.
Im römischen Reich mit seinen Hunderten Küstenkilometern kamen die Lebensweisheiten aus dem Bereich des Schwimmens. Ein klarer Hinweis darauf - meint der Brite Charles Sprawson, Dozent für klassische Kultur, Langstreckenschwimmer und Kunstsammler -, daß es zu den wichtigsten Kulturtechniken der Antike gehört haben muß. Mit dem Untergang des Imperiums und der Ausbreitung des Christentums vollzog sich ein Abschied vom nackten Badevergnügen. Nach Jahrhunderten der Vergessenheit gelangte es im British Empire, zunächst unter Etonschülern und antikensehnsüchtigen Dichtern, wieder zu neuer Blüte. Allmählich entwickelte sich Schwimmen zum Massenphänomen, zu einer Sportart unter vielen und für manche gar zum Lebensthema.
Als das Buch 1992 auf englisch erschien, wurde es von Iris Murdoch in der "New York Review of Books" in den höchsten Tönen gepriesen. Was Sprawson erkundete, ging schließlich auch "eine der letzten Flußschwimmerinnen" wie sie an, nämlich der Zusammenhang von Schwimmen und Literatur. Man erhält nicht nur einen Überblick an Lyrik und Prosa, deren Helden und Themen Schwimmer sind. Bei Sprawson begegnen einem Schriftsteller in erster Linie als Wasserratten: Byron, Shelley, Swinburne, Goethe, Poe, Thomas Mann, Jack London, Yukio Mishima und viele andere, von denen man es nicht gedacht hätte. Das Buch ist überdies Zeugnis der persönlichen Obsession seines Autors. Seit er als Junge in Indien schwimmen lernte, läßt es Charles Sprawson nämlich nicht mehr los.
Und so nimmt er Plinius, Pausanias, Tennessee Williams beim Wort, sucht deren Badestellen, findet sie nicht selten und eifert ihnen nach. Kein Gewässer auf der westlichen Erdhalbkugel, in das er nicht kopfüber eintauchte, es dann - Kraul oder Brust - durchmaß oder in das er nicht wenigstens einen großen Zeh gehalten hätte. Sprawson ist eine eigenwillige Kulturgeschichte des Schwimmens gelungen. Poetisches, Anekdotisches und Sachkundiges zu einer brillanten Erzählung bündelnd, handelt sie in erster Linie von Faszination und nur am Rande von Techniken und Mentalitäten. Es gab, das zeigt die hier entworfene Typologie, tragische Gestalten unter den Schwimmern, Exzentriker, Masochisten, Solipsisten und solche, die wie Captain Webb, Durchquerer des Ärmelkanals, in den Fluten der Niagarafälle ertranken oder, wie Shelley am Golf von La Spezia, Schiffbruch erlitten.
Leider hat der "marebuchverlag" im Gegensatz zum Original ganz auf Abbildungen verzichtet: Keine göttliche Esther Williams im straßbesetzten Einteiler beim Schwalbensprung und kein Blick in den römisch stilisierten Luxuspool von Pressemogul William Randolph Hearst. Statt dessen rahmt der Schriftsteller John von Düffel das Ganze durch Vor- und Nachwort. Eines von beiden wäre gewiß entbehrlich gewesen.
Wen der Gang unter Wasser reizt, der halte sich an Sprawsons Landsmann Tim Ecott. In einer Verbindung aus Wissenschafts- und Militärgeschichte, Reportage und eigenen Taucherlebnissen erzählt der BBC-Korrespondent, seit wann es Menschen hinunter zum Meeresgrund zieht, wieviel das mit Physik und meistens auch mit Metaphysik zu tun hat. Das Interesse für eigenartige Meerestiere, Schwämme, eröffnet die abendländische Tiefenkultur. Seit mehr als zweitausend Jahren wird danach getaucht, Aristoteles berichtet darüber, und bei Homer kann man lesen, zu welchen Haushaltsdiensten der Schwamm gut war.
Als der moderne Tauchhelm Mitte des neunzehnten Jahrhunderts serienmäßig hergestellt wurde, kam er auch im Mittelmeerraum zum Einsatz: mit katastrophalen Folgen. Hunderte von Tauchern starben an der Dekompressionskrankheit, Tausende wurden verkrüppelt. Da die Menschen noch nichts von der Krankheit und ihren Ursachen wußten, versuchten sie sich mit magischen Mitteln davor zu schützen. "Man war in Griechenland so sehr an den Anblick eines erkrankten Tauchers gewöhnt", schreibt Ecott, "daß Volkstänze entstanden, bei denen die Tänzer die grauenvollen Symptome der Dekompressionskrankheit nachahmten, ihre Beine nachzogen und sich auf den Leib schlugen." Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stieg, nicht zuletzt durch die expandierende Autoindustrie, in den Vereinigten Staaten der Bedarf an Naturschwämmen. Um die entsprechenden Mengen aus dem Meer zu holen, wurden Fachkräfte gebraucht: Sie kamen aus Griechenland. Die ersten Emigrantenfamilien ließen sich in Tarpon Springs, Florida, nieder und bauten über die kommenden Jahrzehnte das weltgrößte Handelszentrum für Schwämme auf.
Seit je bestand ein enger Zusammenhang zwischen Tauchen und Politik. Ecott zeigt britische Froschmänner und italienische Torpedoreiter des Zweiten Weltkriegs als historische Protagonisten. Und in den Projekten zur Besiedlung des Meeresbodens, den Habitaten, erkennt er bevölkerungspolitische Phantasien der sechziger Jahre. Jacques Cousteau zählt zu den modernen Ikonen des Tauchsports, in deren Biographien sich Ecott vertieft hat.
Wer den Franzosen gelegentlich unter Wasser begleitete und von dort zahlreiche Anregungen für seine James-Bond-Abenteuer davontrug, war der tauchbegeisterte Ian Fleming. Mancher mag sich an den Unterwasserkampf in der Kinoversion von "Fireball" erinnern: Die Bösewichter in schwarzen Tauchanzügen gegen die rotgekleideten Guten. Die Szenen wurden 1964 im klaren Meer von New Providence, Bahamas, gedreht. Dort liegt das Wrack des nachgebildeten Nato-Bombers, der für die Filmaufnahmen benutzt wurde, bis heute auf Grund. Ecott war dort: Das Stahlgerüst ist inzwischen - von einer dicken Schicht Seefächer, Gorgonien und Schwämmen überwuchert - zu einem künstlichen Riff geworden. So haben Fiktion und Filmphantasie deutliche Spuren in der Unterwasserwelt hinterlassen. Wollte man einen Schluß aus beiden Büchern ziehen: Die Oberflächentechnik des Schwimmers fällt mit dem Text zusammen, die Tiefentechnik des Tauchers mit dem Versenken ins Imaginäre, mit dem Film.
STEFANIE PETER
Charles Sprawson: "Ich nehme dich auf meinen Rücken, vermähle dich dem Ozean". Die Kulturgeschichte des Schwimmens. Herausgegeben und mit einem Vor- und Nachwort von John von Düffel. Aus dem Englischen von John von Düffel und Peter von Düffel. marebuchverlag, Hamburg 2002. 335 S., geb., 28,- [Euro]
Tim Ecott: "Unter Wasser". Abenteuer in einer anderen Welt. Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Argon Verlag, Berlin 2002. 400 S., geb., 22,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwei kluge, unterhaltsame Bücher über Schwimmer und Taucher
Es ist lange her, daß man von einem ungebildeten Menschen sagte: "Der kann weder lesen noch schwimmen." Bei den Römern war das stehende Rede. Sie besaßen ein Gefühl für Wasser, legten geschickten Umgang mit dem Element an den Tag: Sie kontrollierten es durch Abwasserkanäle, regulierten es mittels Aquädukten, bauten sich Aquarien und prächtige Marmorbäder. Hatten junge Römer erst einmal schwimmen gelernt, zog es sie hinein in die Fluten des Tiber und andere offene Gewässer. Über ihren Stil wissen wir wenig. Gegen Schlaflosigkeit empfiehlt jedenfalls Horaz, dreimal über den Fluß zu schwimmen. Seinen Sohn belehrt der Dichter, er müsse fortan "ohne Gürtel schwimmen", also auf eigenen Füßen stehen.
Im römischen Reich mit seinen Hunderten Küstenkilometern kamen die Lebensweisheiten aus dem Bereich des Schwimmens. Ein klarer Hinweis darauf - meint der Brite Charles Sprawson, Dozent für klassische Kultur, Langstreckenschwimmer und Kunstsammler -, daß es zu den wichtigsten Kulturtechniken der Antike gehört haben muß. Mit dem Untergang des Imperiums und der Ausbreitung des Christentums vollzog sich ein Abschied vom nackten Badevergnügen. Nach Jahrhunderten der Vergessenheit gelangte es im British Empire, zunächst unter Etonschülern und antikensehnsüchtigen Dichtern, wieder zu neuer Blüte. Allmählich entwickelte sich Schwimmen zum Massenphänomen, zu einer Sportart unter vielen und für manche gar zum Lebensthema.
Als das Buch 1992 auf englisch erschien, wurde es von Iris Murdoch in der "New York Review of Books" in den höchsten Tönen gepriesen. Was Sprawson erkundete, ging schließlich auch "eine der letzten Flußschwimmerinnen" wie sie an, nämlich der Zusammenhang von Schwimmen und Literatur. Man erhält nicht nur einen Überblick an Lyrik und Prosa, deren Helden und Themen Schwimmer sind. Bei Sprawson begegnen einem Schriftsteller in erster Linie als Wasserratten: Byron, Shelley, Swinburne, Goethe, Poe, Thomas Mann, Jack London, Yukio Mishima und viele andere, von denen man es nicht gedacht hätte. Das Buch ist überdies Zeugnis der persönlichen Obsession seines Autors. Seit er als Junge in Indien schwimmen lernte, läßt es Charles Sprawson nämlich nicht mehr los.
Und so nimmt er Plinius, Pausanias, Tennessee Williams beim Wort, sucht deren Badestellen, findet sie nicht selten und eifert ihnen nach. Kein Gewässer auf der westlichen Erdhalbkugel, in das er nicht kopfüber eintauchte, es dann - Kraul oder Brust - durchmaß oder in das er nicht wenigstens einen großen Zeh gehalten hätte. Sprawson ist eine eigenwillige Kulturgeschichte des Schwimmens gelungen. Poetisches, Anekdotisches und Sachkundiges zu einer brillanten Erzählung bündelnd, handelt sie in erster Linie von Faszination und nur am Rande von Techniken und Mentalitäten. Es gab, das zeigt die hier entworfene Typologie, tragische Gestalten unter den Schwimmern, Exzentriker, Masochisten, Solipsisten und solche, die wie Captain Webb, Durchquerer des Ärmelkanals, in den Fluten der Niagarafälle ertranken oder, wie Shelley am Golf von La Spezia, Schiffbruch erlitten.
Leider hat der "marebuchverlag" im Gegensatz zum Original ganz auf Abbildungen verzichtet: Keine göttliche Esther Williams im straßbesetzten Einteiler beim Schwalbensprung und kein Blick in den römisch stilisierten Luxuspool von Pressemogul William Randolph Hearst. Statt dessen rahmt der Schriftsteller John von Düffel das Ganze durch Vor- und Nachwort. Eines von beiden wäre gewiß entbehrlich gewesen.
Wen der Gang unter Wasser reizt, der halte sich an Sprawsons Landsmann Tim Ecott. In einer Verbindung aus Wissenschafts- und Militärgeschichte, Reportage und eigenen Taucherlebnissen erzählt der BBC-Korrespondent, seit wann es Menschen hinunter zum Meeresgrund zieht, wieviel das mit Physik und meistens auch mit Metaphysik zu tun hat. Das Interesse für eigenartige Meerestiere, Schwämme, eröffnet die abendländische Tiefenkultur. Seit mehr als zweitausend Jahren wird danach getaucht, Aristoteles berichtet darüber, und bei Homer kann man lesen, zu welchen Haushaltsdiensten der Schwamm gut war.
Als der moderne Tauchhelm Mitte des neunzehnten Jahrhunderts serienmäßig hergestellt wurde, kam er auch im Mittelmeerraum zum Einsatz: mit katastrophalen Folgen. Hunderte von Tauchern starben an der Dekompressionskrankheit, Tausende wurden verkrüppelt. Da die Menschen noch nichts von der Krankheit und ihren Ursachen wußten, versuchten sie sich mit magischen Mitteln davor zu schützen. "Man war in Griechenland so sehr an den Anblick eines erkrankten Tauchers gewöhnt", schreibt Ecott, "daß Volkstänze entstanden, bei denen die Tänzer die grauenvollen Symptome der Dekompressionskrankheit nachahmten, ihre Beine nachzogen und sich auf den Leib schlugen." Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stieg, nicht zuletzt durch die expandierende Autoindustrie, in den Vereinigten Staaten der Bedarf an Naturschwämmen. Um die entsprechenden Mengen aus dem Meer zu holen, wurden Fachkräfte gebraucht: Sie kamen aus Griechenland. Die ersten Emigrantenfamilien ließen sich in Tarpon Springs, Florida, nieder und bauten über die kommenden Jahrzehnte das weltgrößte Handelszentrum für Schwämme auf.
Seit je bestand ein enger Zusammenhang zwischen Tauchen und Politik. Ecott zeigt britische Froschmänner und italienische Torpedoreiter des Zweiten Weltkriegs als historische Protagonisten. Und in den Projekten zur Besiedlung des Meeresbodens, den Habitaten, erkennt er bevölkerungspolitische Phantasien der sechziger Jahre. Jacques Cousteau zählt zu den modernen Ikonen des Tauchsports, in deren Biographien sich Ecott vertieft hat.
Wer den Franzosen gelegentlich unter Wasser begleitete und von dort zahlreiche Anregungen für seine James-Bond-Abenteuer davontrug, war der tauchbegeisterte Ian Fleming. Mancher mag sich an den Unterwasserkampf in der Kinoversion von "Fireball" erinnern: Die Bösewichter in schwarzen Tauchanzügen gegen die rotgekleideten Guten. Die Szenen wurden 1964 im klaren Meer von New Providence, Bahamas, gedreht. Dort liegt das Wrack des nachgebildeten Nato-Bombers, der für die Filmaufnahmen benutzt wurde, bis heute auf Grund. Ecott war dort: Das Stahlgerüst ist inzwischen - von einer dicken Schicht Seefächer, Gorgonien und Schwämmen überwuchert - zu einem künstlichen Riff geworden. So haben Fiktion und Filmphantasie deutliche Spuren in der Unterwasserwelt hinterlassen. Wollte man einen Schluß aus beiden Büchern ziehen: Die Oberflächentechnik des Schwimmers fällt mit dem Text zusammen, die Tiefentechnik des Tauchers mit dem Versenken ins Imaginäre, mit dem Film.
STEFANIE PETER
Charles Sprawson: "Ich nehme dich auf meinen Rücken, vermähle dich dem Ozean". Die Kulturgeschichte des Schwimmens. Herausgegeben und mit einem Vor- und Nachwort von John von Düffel. Aus dem Englischen von John von Düffel und Peter von Düffel. marebuchverlag, Hamburg 2002. 335 S., geb., 28,- [Euro]
Tim Ecott: "Unter Wasser". Abenteuer in einer anderen Welt. Aus dem Englischen von Andrea Stumpf und Gabriele Werbeck. Argon Verlag, Berlin 2002. 400 S., geb., 22,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Durst nach Bewegung
Den Grundstein für diese Wassergeschichte legte der Autor in seiner vierjährigen trockenen Zeit in der arabischen Dürre. Er hatte als Dozent gearbeitet, von Wasser war nichts zu sehen und schon gar nichts zu spüren. So las er Bücher und wurde zum leidenschaftlichen Wassersucher in Literatur und Kunst. "Aus jeder Zeile", so schreibt der Herausgeber, "spricht der Durst des Schwimmers nach der Bewegung, die es ihm ermöglicht, im Wasser zu sein".
Im nassen Element
Den Griechen war das nasse Element nicht nur Mythos, sondern zugleich Einklang von Geist und Körper, für die Römer dagegen eine technische Herausforderung. Sie legten Leitungen, bauten Brunnen und Bäder. Das hohe Lied auf das Wasser sangen Viele. Flüsse, Seen und Meere regten die Phantasie an, es entstanden Mythen, Sagen, Dichtungen. Die großen Geister waren leidenschaftliche, fast süchtige Schwimmer. Vom Russen Alexander Puschkin wird berichtet, dass ein ausgedehntes Schwimmen im Dnjepr mit einer heftigen Fieberattacke endete. Dem englischen Dichter Lord Byron vertrieb die intensive Bewegung im Wasser die "sehnsuchtsvolle Leere", für ihn war der Ozean ein "alter Bekannter".
Der Fürst im Nil
Die Sinnlichkeit des Schwimmens war der Kirche suspekt. Es spielte als Teufelswerk vor allem im Mittelalter keine Rolle im Leben der Menschen. Die Wiederbelebung, so schreibt Charles Sprawson, ging im 18. und 19. Jahrhundert von den Engländern aus und war fortan nicht mehr aufzuhalten. Und er fand bei seinen Bücherstudien in der Wüste treffliche Stellen. So schwamm Fürst Pückler, ein deutscher Exot und genialer Gartenbaumeister, mit Begeisterung im Nil, während seine Diener mit ihren Rudern aufs Wasser schlugen, um die Krokodile fernzuhalten.
(Mathias Voigt, literaturtest.de)
Den Grundstein für diese Wassergeschichte legte der Autor in seiner vierjährigen trockenen Zeit in der arabischen Dürre. Er hatte als Dozent gearbeitet, von Wasser war nichts zu sehen und schon gar nichts zu spüren. So las er Bücher und wurde zum leidenschaftlichen Wassersucher in Literatur und Kunst. "Aus jeder Zeile", so schreibt der Herausgeber, "spricht der Durst des Schwimmers nach der Bewegung, die es ihm ermöglicht, im Wasser zu sein".
Im nassen Element
Den Griechen war das nasse Element nicht nur Mythos, sondern zugleich Einklang von Geist und Körper, für die Römer dagegen eine technische Herausforderung. Sie legten Leitungen, bauten Brunnen und Bäder. Das hohe Lied auf das Wasser sangen Viele. Flüsse, Seen und Meere regten die Phantasie an, es entstanden Mythen, Sagen, Dichtungen. Die großen Geister waren leidenschaftliche, fast süchtige Schwimmer. Vom Russen Alexander Puschkin wird berichtet, dass ein ausgedehntes Schwimmen im Dnjepr mit einer heftigen Fieberattacke endete. Dem englischen Dichter Lord Byron vertrieb die intensive Bewegung im Wasser die "sehnsuchtsvolle Leere", für ihn war der Ozean ein "alter Bekannter".
Der Fürst im Nil
Die Sinnlichkeit des Schwimmens war der Kirche suspekt. Es spielte als Teufelswerk vor allem im Mittelalter keine Rolle im Leben der Menschen. Die Wiederbelebung, so schreibt Charles Sprawson, ging im 18. und 19. Jahrhundert von den Engländern aus und war fortan nicht mehr aufzuhalten. Und er fand bei seinen Bücherstudien in der Wüste treffliche Stellen. So schwamm Fürst Pückler, ein deutscher Exot und genialer Gartenbaumeister, mit Begeisterung im Nil, während seine Diener mit ihren Rudern aufs Wasser schlugen, um die Krokodile fernzuhalten.
(Mathias Voigt, literaturtest.de)