Daniela Hodrovás Ich sehe die Stadt ... nimmt als Zitat auf, was der sagenumwobenen mythischen Gründerin Prags Libuse als Vision der künftigen Stadt entfuhr. Dabei herausgekommen ist ihr ganz eigner Blick auf das Prag der Jetztzeit, auf Schritt und Tritt verwoben mit der Vergangenheit, die hier lebendig und wach scheint. Dazu gehört auch die noch junge »Samtene Revolution« von 1989. So trifft Daniela Hodrová auf Rabbi Löw und den Golem, auf Kaiser Rudolf II., auf Gustav Meyrink, Josef K., Karel Capek, Václav Havel und viele andere Geister und Leute, die Prag bis heute bevölkern. Sie durchstreift den Hradschin und das Alchimistengäßchen, den Wenzelsplatz und den Karlsplatz, das Jüdische Ghetto in der Altstadt, begleitet Blanchard bei seinem Ballonflug über Prag. In diesem Buch, das kein Stadtführer sein will - aber glänzend zum Begleiter vor Ort taugt -, das Türen öffnet in ungeahnte, unvertraute Welten, greift die Autorin auf Motive und Personen zurück, die in ihrer Trilogie Città dolente, die sie zu einer der wichtigsten, ungewöhnlichsten und modernsten tschechischen Gegenwartsschriftstellerinnen gemacht hat, das Erzählgerüst bilden. Mesto vidím ... (Ich sehe die Stadt ...) entstand 1991 für die Pariser Éditions du Chêne, erschien 1992 tschechisch und wurde jüngst ins Italienische übersetzt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019Die Burg brennt
Daniela Hodorová erkundet
ihre Heimatstadt Prag
Das Puppentheater und die Chroniken von Prag, wo sie 1946 geboren wurde, haben es der Romanautorin und Essayistin Daniela Hodrová angetan. Aber die „alte Chronik“ gibt es nicht bei ihr, alles, was je in Prag geschehen ist, hat auf ihrer Prosabühne gleichzeitig seinen Auftritt. Und sie nimmt sich selbst nicht aus dem Spiel, wenn sie auf dem Wenzelsplatz die hingerichteten Hussiten de Jahres 1621 auf die Demonstranten im Herbst 1989 treffen lässt oder in der Alchemistengasse der Wahrsagerin begegnet, die den Nazis ihr Ende prophezeite und 1944 von der Gestapo ermordet wurde.
Zu Recht steht das Ich der Autorin an erster Stelle des Titels, aber es erhebt sich nicht über die Stadt, es ist der Punktstrahler, der die Schauplätze in das Licht einer Lebenserfahrung taucht, die das Defilee der Pioniere vor der kommunistischen Staatsführung, die Revolution von 1968 und vor allem den Umbruch der Jahre 1989/90 umfasst. Auf Tschechisch ist dieses Prag-Buch 1992 erschienen, es ist mit der Erfahrung des Umbruchs imprägniert. Nun ist es auch auf Deutsch da – und zum Zeitzeugen geworden.
LMUE
Daniela Hodrová: Ich sehe die Stadt ... . Aus dem Tschechischen und herausgegeben von Eduard Schreiber. Mit einem Nachwort von Radonitzer. Arco Verlag, Wuppertal und Wien 2019. 136 Seiten, 16 Euro.
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Daniela Hodorová erkundet
ihre Heimatstadt Prag
Das Puppentheater und die Chroniken von Prag, wo sie 1946 geboren wurde, haben es der Romanautorin und Essayistin Daniela Hodrová angetan. Aber die „alte Chronik“ gibt es nicht bei ihr, alles, was je in Prag geschehen ist, hat auf ihrer Prosabühne gleichzeitig seinen Auftritt. Und sie nimmt sich selbst nicht aus dem Spiel, wenn sie auf dem Wenzelsplatz die hingerichteten Hussiten de Jahres 1621 auf die Demonstranten im Herbst 1989 treffen lässt oder in der Alchemistengasse der Wahrsagerin begegnet, die den Nazis ihr Ende prophezeite und 1944 von der Gestapo ermordet wurde.
Zu Recht steht das Ich der Autorin an erster Stelle des Titels, aber es erhebt sich nicht über die Stadt, es ist der Punktstrahler, der die Schauplätze in das Licht einer Lebenserfahrung taucht, die das Defilee der Pioniere vor der kommunistischen Staatsführung, die Revolution von 1968 und vor allem den Umbruch der Jahre 1989/90 umfasst. Auf Tschechisch ist dieses Prag-Buch 1992 erschienen, es ist mit der Erfahrung des Umbruchs imprägniert. Nun ist es auch auf Deutsch da – und zum Zeitzeugen geworden.
LMUE
Daniela Hodrová: Ich sehe die Stadt ... . Aus dem Tschechischen und herausgegeben von Eduard Schreiber. Mit einem Nachwort von Radonitzer. Arco Verlag, Wuppertal und Wien 2019. 136 Seiten, 16 Euro.
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